Leitsatz

1. Zur Ordnungsmäßigkeit eines Sachverständigengutachtens gehören methodische Qualität und eine zutreffende Erhebung und Dokumentation der Begutachtungsgrundlagen.

2. Ist im Ertragswertverfahren dem schlechten Zustand eines Gebäudes bei Erträgen, Bewirtschaftungskosten und Restnutzungsdauer nicht Rechnung getragen worden, können Instandsetzungskosten durch Abschläge zu berücksichtigen sein. Aus dem Gutachten muss sich jedoch ergeben, wie sich die Mängel und Schäden auf den Verkehrswert auswirken.

3. Je weniger unmittelbare tatsächliche Erkenntnisse des Sachverständigen vorliegen, umso geringer ist der Nachweiswert des Gutachtens.

 

Normenkette

§ 138 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, Abs. 4, § 139, § 145 bis § 150 BewG, §§ 194ff. BauGB, § 7 Abs. 1 Satz 1, § 16 Abs. 4, § 17, § 18 Abs. 4, § 19 Satz 1 WertV, Nr. 1.5.5, Nr. 3.5.8 Sätze 1 und 2, Nr. 3.6.1.1.8 WertR 2006

 

Sachverhalt

Die Mutter M des Klägers schenkte diesem Ende 2007 ein altes, unrenoviertes Miethaus; von 24 Wohneinheiten stand eine leer. Zur Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Schenkungsteuer übersandte der Kläger ein Sachverständigengutachten. Der Sachverständige ermittelte einen bereinigten Ertragswert/Verkehrswert von 630.000 EUR, ­indem er vom Ertragswert i.H.v. 800.000 EUR pauschale Kosten für die Beseitigung eines Reparatur­staus von 170.000 EUR abzog. Der Sachverständige hatte das Objekt im Außen- und "exemplarisch" im Innenbereich besichtigt. M habe erklärt, dass sich 16 der 24 Wohneinheiten noch im Urzustand be­funden hätten. Nach überschlägiger Schätzung sei von einem Investitionsbedarf von mindestens 170.000 EUR auszugehen. Auf die 16 Wohnungen entfalle ein Anteil von ca. 116.000 EUR.

Das FA folgte diesen "pauschalen und unplausiblen" Angaben nicht, sondern stellte nach § 146 Abs. 2 und 4 BewG einen Grundbesitzwert von 782.000 EUR fest. In der Einspruchsentscheidung setzte das ­FA den Grundbesitzwert auf 699.000 EUR herab; die Klage vor dem FG (Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.6.2015, 3 K 3248/11, Haufe-Index 8299341, EFG 2015, 1596) hatte keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Der BFH hat auch die Revision zurückgewiesen. Ein höherer Abzug der geltend gemachten Renovierungskosten kommt mangels Nachweises durch Sachverständigengutachten nicht in Betracht.

Dem Gutachten ist nicht zu entnehmen, inwieweit sich der Verkehrswert des Grundstücks aufgrund des Reparaturstaus mindert. Auch der Sachverständige geht davon aus, dass die Miete nach der Renovierung höher als vorher ist. Damit ist der wegen des Instandsetzungsbedarfs vorgenommene Abschlag vom Ertragswert jedenfalls der Höhe nach nicht gerechtfertigt.

Das Gutachten genügt auch wegen unzureichender Erhebung und Dokumentation der Begutachtungsgrundlagen nicht den rechtlichen Anforderungen. Das FG hat bindend den Schluss gezogen, dass der Sachverständige nur die leer stehende Wohnung besichtigt habe. Den Investitionsbedarf für insgesamt 16 Wohnungen habe der Sachverständige letztlich aus den Angaben der M und nach überschlägiger Schätzung aus eigener langjähriger Tätigkeit als Architekt bestimmt.

 

Hinweis

1. Ob ein Sachverständigengutachten den geforderten Nachweis erbringt, unterliegt der freien Beweiswürdigung des FG. Gleichwohl lassen sich bestimmte Grundvoraussetzungen finden, denen ein Sachverständigengutachten entsprechen muss. So ist das Gutachten zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts eines Grundstücks (§ 138 Abs. 4, § 198 BewG) nur geeignet, wenn es ordnungsgemäß erstellt wurde. Dazu gehören sowohl methodische Qualität als auch eine zutreffende Erhebung und Dokumentation der Begutachtungsgrundlagen.

2. Die Anforderungen an die methodische Qualität des Wertgutachtens ergeben sich aus §§ 194 ff. BauGB sowie für Bewertungsstichtage bis 30.6.2010 aus der Wertermittlungsverordnung (WertV) i.V.m. den Wertermittlungsrichtlinien (WertR 2006) und für Bewertungsstichtage ab 1.7.2010 aus der Immobilienwertermittlungsverordnung. Ist danach dem schlechten Zustand eines Gebäudes bei den Erträgen, den Bewirtschaftungskosten und der Restnutzungsdauer nicht Rechnung getragen worden, kann ein Abzug von Sanierungskosten in voller Höhe bei zwingend erforderlichen Maßnahmen gerechtfertigt sein. Aus dem Gutachten muss sich aber ergeben, wie sich die Schäden auf den Verkehrswert auswirken.

3. Zudem muss der Gutachter aus den festgestellten Fakten seine Schlussfolgerungen ziehen und er muss diese zusammen mit den von ihm für richtig erkannten Annahmen im Gutachten dokumentieren. Allgemeine Verweise, wie z.B. auf eine sachverständige Feststellung oder auf eine jahrelange Erfahrung, sind nicht ausreichend. Sind dem Sachverständigen die für die Beurteilung maßgeblichen Umstände nicht bekannt, muss er sie ermitteln. Bleibt dies erfolglos, so darf der Sachverständige zwar sein Gutachten auf Unterstellungen aufbauen; er muss dies jedoch in dem Gutachten kenntlich machen. Allerdings kann eine weitreichende Übernahme von ungeprüften Angaben dazu führen, dass die Plausibilität des gesamten Gutachtens in Frage zu stellen...

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