Rz. 18

§ 240 HGB schreibt kein bestimmtes Inventurverfahren vor. Das Gesetz geht jedoch vom Normalfall einer körperlichen Bestandsaufnahme aus. Darunter versteht man die Inaugenscheinnahme der Bestände, also deren Zählen, Messen und Wiegen. Bei der körperlichen Bestandsaufnahme erfasst der Kfm. sämtliche vorhandenen VG und Schulden in Inventurlisten und verzeichnet dort Menge und Art der Bestände sowie wertrelevante Umstände (bspw. Schäden). Durch Hinzufügen des Stichtagswerts entsteht aus der Inventarliste das Inventar.[1]

 

Rz. 19

Von der körperlichen Bestandsaufnahme sind Inventurverfahren zu unterscheiden, bei denen nicht die Bestände selbst aufgenommen werden, sondern das Bestandserfassungs- und -fortschreibungssystem auf seine Ordnungsmäßigkeit bzw. Bestandszuverlässigkeit untersucht wird. Eine solche Systemprüfung setzt voraus, dass ein sachgerechtes und funktionsfähiges internes Kontrollsystem eingerichtet ist. Die Untersuchung des Systems ist dabei darauf ausgerichtet, mit einem risikoorientierten Ansatz Schwächen im internen Kontrollsystem zu entdecken und zu beseitigen sowie dadurch verursachte Bestandsabweichungen oder Bewertungsfehler zu ermitteln und zu berichtigen.

 

Rz. 20

Diese Systemprüfung richtet sich auf eine Aussage zur Bestandszuverlässigkeit des Bestandserfassungs- und -fortschreibungssystems. Bestätigt diese Untersuchung die Bestandszuverlässigkeit, werden die vom System ermittelten Bestände bzw. Bestandswerte angesetzt. Ist dies nicht der Fall, muss der Kfm. (insoweit) die Bestände durch körperliche Bestandsaufnahme erfassen. Ist dies nicht (mehr) möglich, ist die Inventur (insoweit) ordnungswidrig.

 

Rz. 21

Die Systemprüfung eines Bestandserfassungs- und -fortschreibungssystems hat folgende Anwendungsbereiche:

  • Buchinventur, soweit sie sich auf ordnungsgemäß geführte Handelsbücher stützt (z. B. Inventur von nicht-körperlichen VG und Schulden, Rz 22),
  • Stichprobeninventur (§ 241 Rz 2) bei Testverfahren,
  • Permanente Inventur (§ 241 Rz 18),
  • Einlagerungsinventur (§ 241 Rz 20),
  • Systemgestützte Werkstattinventur (§ 241 Rz 27) bei Einsatz eines Bestandsfortschreibungssystems und
  • Bestandsfortschreibung bzw. -rückrechnung bei der vor- bzw. nachverlegten Stichtagsinventur (§ 241 Rz 28).
 

Rz. 22

Bei der Buchinventur handelt es sich um eine Inventur auf der Grundlage der vom Kfm. laufend geführten Bücher und der darin fortgeschriebenen Bestände. Eine Buchinventur ist u. U. unverzichtbar bei VG und Schulden ohne physische Substanz wie bspw.:

  • Immaterielle VG des AV oder des UV,
  • Girosammelverwahrte Wertpapiere,
  • Forderungen,
  • unfertige Leistungen,
  • Anzahlungen,
  • Rückstellungen und
  • Verbindlichkeiten.
[1] Vgl. ADS, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995–2001, § 240 HGB Rz 4.

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