Rz. 7

Die Beweismittelvorlagepflicht nach § 258 Abs. 1 HGB beschränkt sich ausschl. auf Handelsbücher eines streitenden Kaufmanns.[1] Diesem Handelsbücherbegriff liegt das gleiche Verständnis wie in den §§ 238, 257 Abs. 1 Nr. 1 HGB zugrunde. Darunter fallen das Grundbuch, das Hauptbuch und die Nebenbücher (vgl. weiterführend, insb. zur strittigen Klassifizierung von Wareneingangs- und Warenausgangsbüchern § 238 Rz 53; § 257 Rz 10). Die Unterlagen sind unabhängig von der Speichertechnik dem Gericht vorzulegen (zu weiteren Pflichten des Vorlageverpflichteten bei der Dokumentation der Handelsbücher auf Datenträgern vgl. § 261). Andere nach § 257 Abs. 1 HGB vom Kaufmann aufzubewahrende Unterlagen (z. B. Inventare, Eröffnungsbilanzen, Jahres- und Konzernabschlüsse, (Konzern-)Lageberichte, Handelsbriefe, Buchungsbelege) schließt die Vorlagepflicht nicht ein. Sind diese anderen Unterlagen nicht öffentlich zugänglich, kommt eine Vorlage nur im Anwendungsbereich der ZPO in Betracht. Tagebücher von Handelsmaklern sind nicht nach § 258 HGB, ggf. aber nach § 102 HGB vorlagepflichtig. Die unter Berücksichtigung der Geheimhaltungsinteressen des buchführungspflichtigen Kaufmanns zu treffende Ermessenentscheidung des Gerichts nach § 258 Abs. 1 HGB bezieht sich nicht nur auf die Vorlageanordnung (Rz 3), sondern auch auf den Umfang der vorzulegenden Handelsbücher. Soweit das Gericht nicht darauf verzichtet, sind die Handelsbücher im Original vorzulegen. Eine Vorlage der Originale ist immer geboten, wenn die antragstellende Streitpartei nach den Vorschriften der ZPO einen Anspruch auf deren Vorlage hat.

 

Rz. 8

Nach Ablauf der zehnjährigen Aufbewahrungsfrist (§ 257 Abs. 4, 5 HGB) noch nicht vernichtete Handelsbücher unterliegen weiterhin der Vorlagepflicht durch das Gericht.[2] Ihre Nichtvorlegung kann zu Nachteilen bei der Würdigung von Sachverhaltsbehauptungen führen (Rz 6).[3] Kaufleute, die zulässigerweise ihre Handelsbücher vernichteten, kann keine Vorlagepflicht mehr treffen. Ihnen dürfen aus der zulässigen Vernichtung keine Nachteile entstehen. Solche Fälle können jedoch eine Umkehr der Beweislast bewirken.[4] Die zehnjährige Aufbewahrungsfrist von Handelsbüchern kann das Gericht im aktienrechtlichen Spruchstellenverfahren unter entsprechender Anwendung von § 258 HGB verlängern.[5]

[1] Vgl. z. B. Claussen/Korth, in Claussen/Scherrer, Kölner Kommentar zum Rechnungslegungsrecht, § 258 HGB Rn 5, Stand: 2011.
[3] Vgl. Reich/Szczesny/Voß, in Heidel/Schall, HGB Handkommentar, 2. Aufl. 2015, § 258 HGB Rn 7. Wohl a. A. Eichenlaub/Weber, in Küting/Weber HdR-E, § 258 HGB Rn 9, Stand: 01/2021; wohl auch a. A. in der Vorauflage Strickmann, in Bertram/Brinkmann/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, 6. Aufl. 2015, § 258 HGB Rz 9.
[4] Vgl. BGH, Urteil v. 9.12.1971, II ZR 268/67, WM 1972 S. 281. Eine generelle Beweislastumkehr, so z. B. ADS, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995–2001, § 258 HGB Rz 6, ist jedoch nicht zutreffend; vgl. Pöschke, in Staub, Großkommentar Handelsgesetzbuch, 5. Aufl. 2014, § 258 HGB Rn 8; Reich/Szczesny/Voß, in Heidel/Schall, HGB Handkommentar, 2. Aufl. 2015, § 258 HGB Rn 6.
[5] Vgl. BayObLG, Beschluss v. 1.4.1993, BReg. 3 Z 17/90, DStR 1993 S. 957.

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