Rz. 1

§ 296 HGB gewährt Wahlrechte für die Einbeziehung von TU in Bezug auf das in § 294 HGB kodifizierte Vollständigkeitsgebot für den KonsKreis. Dort ist die Pflicht zur Einbeziehung aller TU in den KonsKreis i. e. S. postuliert (§ 294 Rz 8 ff.). Generell ist es bei Vorliegen bestimmter Sachverhalte gem. § 296 HGB erlaubt, Anteile an TU wahlweise nicht vollkonsolidiert in den Konzernabschluss einzubeziehen. Abs. 1 hat für den Einbezug von TU i. S. d. § 294 Abs. 1 HGB befreiende Wirkung, wenn

  • erhebliche und andauernde (nachhaltige) Beschränkungen die Ausübung der wesentlichen Rechte[1] des MU nachhaltig beeinträchtigen (Nr. 1),
  • die für die Aufstellung des Konzernabschlusses erforderlichen Angaben nicht ohne unverhältnismäßig hohe Kosten oder unangemessene Verzögerungen zu erhalten sind (Nr. 2) oder
  • die Anteile des TU ausschließlich zum Zweck der Veräußerung gehalten werden (Nr. 3).

Systematisch eher ungeeignet – als VollKons-Wahlrecht statt eines KonsVerbots dargelegt – soll gewährleistet werden, dass in den Konzernabschluss nur die TU einbezogen werden, die zur Zielerreichung des Konzernabschlusses – die in der zeitgerechten, wirtschaftlichen und tatsachengetreuen Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage unter Beachtung der GoB anzusehen ist – notwendig sind. Als Sonderfall soll mit § 296 Abs. 1 Nr. 1 HGB sichergestellt werden, dass nur die TU einbezogen werden, die tatsächlich zum Einflussbereich des MU gehören, bei denen also das MU seine ihm zustehenden (formalen) Rechte auch tatsächlich ausüben kann, nicht aber tatsächlich ausüben muss. Dieses Wahlrecht korrespondiert dabei mit den in § 290 Abs. 2 HGB kodifizierten Festlegungen, wann stets ein beherrschender Einfluss eines MU vorliegen soll. Entsprechend kann § 296 HGB die Rolle der Widerlegungsklausel zukommen.[2] Die Regelung des § 296 Abs. 1 Nr. 1 HGB kommt dabei als Korrektiv zu § 290 Abs. 2 HGB zum Tragen, sofern die Beherrschungstatbestände zwar formal, nicht jedoch tatsächlich gegeben sind (dazu im Detail Rz 4 f.).

Zur Einordnung des Kriegs in der Ukraine vgl. Rz 24 sowie Rz 32.

 

Rz. 2

Darüber hinaus entfällt die Pflicht zur Einbeziehung in den VollKonsKreis gem. Abs. 2, wenn die TU für die Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage von untergeordneter Bedeutung sind. Erfüllen mehrere TU diese Voraussetzung, müssen sie zusammengenommen von untergeordneter Bedeutung sein. Ausnahmetatbestände, die über jene des § 296 HGB hinausgehen, existieren nicht.

 

Rz. 3

Werden Wahlrechte entsprechend Abs. 1[3] und 2 in Anspruch genommen, verlangt § 296 Abs. 3 HGB die Angabe einer Begründung der Maßnahme im Anhang.

 

Rz. 4

§ 296 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 HGB sind als Folge einer Abwägung der Einbeziehungskosten respektive etwaiger Verzögerungen mit den Nutzenmomenten einer Einbeziehungspflicht entstanden. Während hier der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit bzw. der Wesentlichkeitsgrundsatz den Gesetzgeber auf Basis europäischer Vorgaben zu einer Gewährung der Wahlrechte bewogen hat, sind die Wahlrechte entsprechend § 296 Abs. 1 Nr. 1 und 3 HGB eingeführt worden, um eine Einbeziehung von TU, die faktisch nicht zur wirtschaftlichen Einheit des Konzerns gehören, aufgrund formaler Gegebenheiten aber etwa nach Auslegung des DRSC einbezogen werden müssten, zu vermeiden.[4] Die für das Vorliegen einer Beherrschungsmöglichkeit vom Gesetzgeber explizit benannten Sachverhalte des § 290 Abs. 2 HGB bedingen diese beiden Ausnahmetatbestände, die den § 296 HGB zu einer Widerlegungsklausel für § 290 HGB werden lassen.

 

Rz. 5

Einige Stimmen in der Literatur stellten – mitunter mit Verweis auf die IFRS, die als Vorlage für das Beherrschungskonzept dien(t)en – in diesem Zusammenhang den Sinn des Wahlrechts resultierend aus § 296 Abs. 1 Nr. 1 HGB infrage. Konsequenterweise müsse eine Einbeziehung der TU untersagt werden, sofern das MU seine Rechte nicht auch tatsächlich ausüben kann.[5] Dem ist grds. zuzustimmen – die Formulierung des § 290 HGB ließe eine Prüfung auf das tatsächliche Vorliegen der Beherrschungsmöglichkeit i. S. d. § 290 Abs. 2 HGB bereits i. R. d. § 290 Abs. 1 HGB zu. De facto hat diese Prüfung jedoch aufgrund der rechtssystematisch wenig überzeugenden Ausgestaltung auf Ebene des § 296 HGB zu erfolgen, der in Konsequenz als Konkretisierung von § 290 Abs. 2 HGB zu verstehen ist. Diese Vorschrift stellt entsprechend die Widerlegungsklausel[6] für § 290 Abs. 2 HGB dar – § 290 Abs. 2 HGB enthält statt einer Ausdifferenzierung für eine "stets" vorliegende Beherrschung faktisch lediglich Vermutungstatbestände. Korrespondierend muss die Beherrschungsanforderung des § 290 Abs. 1 HGB als abstrakte Definition i. S. e. Generalnorm verstanden werden, während die vier konkreten Tatbestände des § 290 Abs. 2 HGB zunächst (d. h. auf Ebene des § 290 HGB) unwiderlegbar zur Annahme eines beherrschenden Einflusses führen.[7] Werden die formalen Voraussetzungen des § 290 Abs. 2 HGB erfüllt und liegt damit ein Beherrschungs...

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