1 Überblick

1.1 Inhalt und Regelungszweck

 

Rz. 1

§ 327 HGB räumt den Mitgliedern des vertretungsberechtigten Organs mittelgroßer KapG i. S. d. § 267 Abs. 2 HGB (§ 267 Rz 10) größenabhängige Erleichterungen bei der Offenlegung des Jahresabschlusses ein. Die gewährten Erleichterungen beschränken sich dabei analog zu § 326 HGB auf die nach § 325 Abs. 1 HGB offenzulegenden Unterlagen der Rechnungslegung, die weiteren Vorschriften des § 325 HGB werden nicht berührt.[1] Eine Pflicht zur Inanspruchnahme der Erleichterungen besteht nicht. Wenngleich das Wahlrecht nicht pflichtgemäß ausgeübt werden muss, wird unter Berufung auf die Interessenlage der Ges. respektive der Gesellschafter bei Fehlen einer entsprechenden Regelung in den Statuten der Ges. mitunter eine faktische Pflicht zur Inanspruchnahme des Wahlrechts gesehen oder eine solche zumindest für denkbar gehalten.[2] Dies widerspricht jedoch dem Sinn und Zweck eines handelsrechtlichen Wahlrechts und damit bereits dem Willen des Gesetzgebers eindeutig, der in Bezug auf die Offenlegung eben keine Pflicht zur Inanspruchnahme kodifiziert hat. Hier wird letztlich zudem explizit gegen die Informationsfunktion der Rechnungslegung argumentiert, ohne dass dafür eine gesetzliche Basis besteht und ohne dass sich diese Argumentation in der Bilanzierung deutscher Unt widerspiegelt. Ferner werden die negativen Folgen einer Nicht-Inanspruchnahme der Erleichterungen übergewichtet. Eine Offenlegung kann sich aber bspw. bei der Finanzierung, der Mitarbeitergewinnung sowie hinsichtlich des Kunden- und Lieferantenvertrauens positiv auswirken. Entsprechend besteht m. E. grds. keine Pflicht zur Inanspruchnahme. Bei einer empirischen Untersuchung wurde festgestellt, dass die handelsrechtlich gewährten Aufstellungs- und/oder Offenlegungserleichterungen regelmäßig nicht genutzt werden. In Abhängigkeit einer Börsennotierung (Entry Standard – nicht kapitalmarktorientiert, s. Rz 5) schwankt die Quote kleiner und mittlerer Unt, die auf eine Inanspruchnahme dieser verzichten, zwischen 12,05 % und 62,50 %.[3] Offenbar verstehen immer mehr Unt den Jahresabschluss zunehmend als geeignetes Kommunikationsmittel zur fundierten Selbstdarstellung, der damit zu einer "Visitenkarte des Unternehmens" mutiert.

 

Rz. 2

§ 327 Satz 1 HGB räumt den betroffenen Mitgliedern des vertretungsberechtigten Organs der Ges. die Möglichkeit ein, die Bilanz lediglich in der für kleine KapG/KapCoGes bestimmten verkürzten Form nach § 266 Abs. 1 Satz 3 HGB offenzulegen. Wird von dem Wahlrecht Gebrauch gemacht, eine verkürzte Bilanz der das Unternehmensregister führenden Stelle zu übermitteln, sind gem. Satz 2 Nr. 1 weitere Gliederungsposten entsprechend dem Schema nach § 266 Abs. 2 und 3 HGB entweder in der Bilanz oder im Anhang gesondert auszuweisen. Die betreffenden Gliederungsposten sind in § 327 Satz 2 Nr. 1 aufgelistet. Nach Satz 2 Nr. 2 darf zudem der Anhang um Angaben verkürzt werden, welche die §§ 285 Nrn. 2, 8 Buchst. a sowie Nr. 12 HGB betreffen.

 

Rz. 3

Der gesonderte Zeitpunkt der Offenlegung entfällt durch die mit der Unternehmensregisterpublizität abgelöste Trennung von Einreichung und Bekanntmachung. Die an die das Unternehmensregister führende Stelle übermittelten Daten gelten durch die umgehende Einstellung in das Unternehmensregister als offengelegt.

 

Rz. 4

Eine befreiende Wirkung in Bezug auf die Aufstellung der Rechnungslegungsunterlagen besitzt § 327 HGB nicht. Die Pflicht zur Vorlage vor dem Hauptorgan (§ 176 Abs. 1 AktG, § 42a GmbHG) bleibt bestehen, wenngleich ungeachtet dessen im Gesetz verankerte Aufstellungserleichterungen[4] genutzt werden können.[5] Entgegen GmbH-Gesellschaftern, für die es das besondere Auskunfts- und Einsichtsrecht nach § 51a Abs. 1 GmbHG gibt, steht Aktionären gem. § 131 Abs. 1 Satz 3 AktG zu, die Vorlage des Jahresabschlusses in der Form zu verlangen, die ohne Inanspruchnahme der Erleichterungen zum Tragen gekommen wäre. Für TU ist § 264 Abs. 3 und 4 HGB respektive § 264b HGB zu beachten (§ 325 Rz 166 ff.).

Gesellschaftsvertragliche Regelungen, die über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehen, wie etwa eine Vereinbarung zur Aufstellung des Jahresabschlusses nach den für große KapG geltenden Vorschriften, berühren die Möglichkeit zur Inanspruchnahme der Offenlegungserleichterungen des § 327 HGB nicht, sodass eine verkürzte Offenlegung auch in diesen Fällen möglich ist.

In der Praxis führen diese Regelungen zu einer Abweichung zwischen der internen und der externen Berichterstattung.[6] Die Prüfung und Feststellung des Jahresabschlusses, der unter Rückgriff auf § 327 HGB aufgestellt wurde, ist nach h. M. nicht vorgeschrieben[7] – aber zulässig. Gem. § 328 Abs. 1a Satz 2 2. Hs. HGB ist bei der Offenlegung jedoch kenntlich zu machen, dass sich der Bestätigungsvermerk auf den vollständigen Abschluss bezieht (§ 328 Rz 38 ff.).

[1] Für weiterführende Informationen zum Verhältnis zwischen den §§ 325 Abs. 1 und 326 HGB s. Autenrieth, DB 1988, S. 2581.
[2] So etwa Grottel, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 326 HGB Rz 1; ADS, R...

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