1 Überblick

 

Rz. 1

Mit der Einführung des § 319b HGB wird die in Art. 22 Abs. 2 der Abschlussprüferrichtlinie vorgeschriebene netzwerkweite Ausdehnung der Unabhängigkeitsvorschriften umgesetzt. Die Vorschrift soll sicherstellen, dass Abschlussprüfer oder Prüfungsgesellschaften von der Durchführung einer Abschlussprüfung absehen, wenn zwischen ihnen oder ihrem Netzwerk und dem geprüften Unt unmittelbar oder mittelbar eine finanzielle oder geschäftliche Beziehung, ein Beschäftigungsverhältnis oder eine sonstige Verbindung besteht, aus der ein objektiver, verständiger und informierter Dritter den Schluss ziehen würde, dass ihre Unabhängigkeit gefährdet ist. Unter einer sonstigen Verbindung ist dabei auch die Erbringung zusätzlicher Leistungen zu verstehen, die keine Prüfungsleistungen sind.[1]

 

Rz. 2

Wenn ein die Besorgnis der Befangenheit begründender Tatbestand nicht beim Abschlussprüfer oder einer Prüfungsgesellschaft selbst, sondern bei einem Dritten vorliegt, war der Abschlussprüfer bzw. die Berufsgesellschaft aufgrund der sog. Sozietätsklausel auch nach der früheren Rechtslage von einer gesetzlichen Abschlussprüfung ausgeschlossen (§ 319 Rz 36 ff.).[2] Durch § 319b HGB wird der persönliche Anwendungsbereich für einen Teil der in § 319 und § 319a HGB kodifizierten Unabhängigkeitsvorschriften auf etwaige Netzwerkpartner ausgedehnt.[3]

 

Rz. 3

In Abs. 1 Satz 3 wird der Begriff des Netzwerks definiert.

Durch Verweise auf § 319 HGB werden in Abs. 1 Satz 1 Ausschlussgründe für Netzwerkmitglieder bestimmt, bei denen die Möglichkeit besteht, die gesetzliche Vermutung der Besorgnis der Befangenheit zu widerlegen.

In Abs. 1 Satz 2 werden durch Bezugnahme auf § 319 und § 319a HGB Ausschlussgründe bestimmt, bei denen die Besorgnis der Befangenheit unwiderleglich vermutet wird.

Abs. 2 der Vorschrift regelt die entsprechende Anwendung von Abs. 1 auf den Konzernabschlussprüfer.

[1] Vgl. BT-Drs. 16/10067 v. 30.7.2008 S. 89.
[2] Vgl. BT-Drs. 16/10067 v. 30.7.2008 S. 89.
[3] Vgl. WPKM 2/2009, S. 4.

2 Netzwerkdefinition

 

Rz. 4

Nach Abs. 1 Satz 3 liegt ein Netzwerk vor, wenn Personen bei ihrer Berufsausübung zur Verfolgung gemeinsamer wirtschaftlicher Interessen für eine gewisse Dauer zusammenwirken.

 

Rz. 5

Gem. dieser Netzwerkdefinition müssen Personen bei ihrer Berufsausübung gemeinsam zusammenwirken. Nach der Gesetzesbegründung ist der Begriff "Personen" dem BGB entlehnt. Er umfasst sowohl natürliche als auch juristische Personen, wobei auch teilrechtsfähige Personenvereinigungen (z. B. GbR) unter den Begriff zu subsumieren sind.[1]

 

Rz. 6

Dem Tatbestandsmerkmal bei ihrer Berufsausübung kommt einschränkende Bedeutung zu. Gemeinsame wirtschaftliche Interessen sind nur relevant, wenn sie bei der Berufsausübung verfolgt werden. Damit fällt – umgekehrt – die Verfolgung wirtschaftlicher Interessen gelegentlich der Berufsausübung nicht in die Netzwerkdefinition. Folglich werden Mitgliedschaften in Berufsverbänden oder Ähnlichem, die zwar dauerhaft eingegangen werden, aber die Berufsausübung lediglich flankieren, soweit sie nicht bereits mangels Verfolgung gemeinsamer wirtschaftlicher Interessen aus der Netzwerkdefinition herausfallen, von der Vorschrift nicht erfasst.[2]

 

Rz. 7

Nach der Gesetzesbegründung soll durch die Verwendung des Begriffs "zusammenwirken" zum Ausdruck gebracht werden, dass es auf die rechtliche Ausgestaltung des Netzwerks – schon zur Vermeidung von Umgehungen – nicht ankommt, sondern jedes Zusammenwirken zur Begründung eines Netzwerks ausreichen kann. Darüber hinaus ist dem Begriff "Kooperation" immanent, dass das Zusammenwirken für eine gewisse Dauer erfolgen muss. Ein einmaliges oder nur gelegentliches Zusammenwirken genügt für die Annahme eines Netzwerks keinesfalls.[3]

 

Rz. 8

Zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Verfolgung gemeinsamer wirtschaftlicher Interessen ist auf die in Art. 2 Nr. 7 der Abschlussprüferrichtlinie aufgeführten Merkmale abzustellen. Danach ist als Netzwerk eine breitere Struktur definiert, die auf Kooperation ausgerichtet ist und der ein Abschlussprüfer oder eine Prüfungsgesellschaft angehört und die eindeutig auf Gewinn- und Kostenteilung abzielt.

Ein Netzwerk liegt nach dieser Definition auch vor bei

  • gemeinsamem Eigentum,
  • gemeinsamer Kontrolle,
  • gemeinsamer Geschäftsführung,
  • gemeinsamen Qualitätssicherungsmaßnahmen und -verfahren,
  • einer gemeinsamen Geschäftsstrategie,
  • der Verwendung einer gemeinsamen Marke,
  • der Verwendung gemeinsamer fachlicher Ressourcen.

Nach dem Wortlaut der Abschlussprüferrichtlinie und der Gesetzesbegründung ist dabei schon ausreichend, wenn die Netzwerkmitglieder mit ihrem Zusammenwirken ein einziges der in Art. 2 Nr. 7 Spiegelstrich 2 genannten Kriterien verfolgen.[4]

Die WPK hat einen Fragebogen veröffentlicht, mit dem die o. g. Kriterien operationalisiert werden.[5]

 

Rz. 9

Wird eine gemeinsame, den Außenauftritt bestimmende Marke verwandt, soll ohne Weiteres von einem Netzwerk ausgegangen werden können, weil dies als Indiz für das Vorliegen gemeinsamer wirtschaftlicher Interessen gewertet wird.[6]

Bei Marken...

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