1 Überblick

1.1 Bedeutung und Inhalt

 

Rz. 1

Ein inländisches MU, das gleichzeitig TU eines anderen MU mit Sitz außerhalb eines EU-/EWR-Staates (Drittstaat) ist und mind. ein TU hat, ist grds. ebenfalls zur Aufstellung (und Prüfung) eines eigenen deutschen Teil-Konzernabschlusses samt Teil-Konzernlageberichts verpflichtet. Das Gesetz normiert jedoch neben dem Ausnahmetatbestand in § 291 HGB auch in diesem Fall eine Befreiungsmöglichkeit, die das inländische MU von der Verpflichtung zur Erstellung eines Konzernabschlusses befreit.[1] Ohne das Wahlrecht des § 292 HGB wäre das untergeordnete MU (inländische Teilkonzern-MU) andernfalls nach dem Tannenbaumprinzip zur Konzernrechnungslegung verpflichtet und müsste einen eigenen Konzernabschluss aufstellen.[2]

 

Rz. 2

Inhaltlich soll § 292 HGB inländischen (Teilkonzern-)MU unter den gleichen Anwendungsvoraussetzungen eine Befreiung von der Konzernrechnungslegung wie übergeordneten MU mit Sitz innerhalb eines EU-/EWR-Staates einräumen und damit die Publizitätskosten durch die Konzernrechnungslegung senken.[3]

Der Ausnahmetatbestand des § 292 HGB legt zusätzliche Anforderungen fest, um Gesellschafter und Dritte von durch Drittstaaten beherrschte inländische MU mit einem entsprechenden Informationsinstrument wie im Falle, dass ein eigener Teil-Konzernabschluss aufgestellt wird, zu schützen. Der Regelungsgehalt der Norm berücksichtigt dabei, dass das Schutzbedürfnis Dritter im Bereich von Drittstaaten-Konzernabschlüssen allerdings nicht allein durch die Aufstellung, Prüfung und Offenlegung eines Konzernabschlusses und Konzernlageberichts des übergeordneten MU, sondern auch durch die Gleichwertigkeit solcher Abschlüsse mit denen von "EU-Konzernabschlüssen" bewirkt wird.

 

Rz. 3

Der Aufbau der Vorschrift ist wie folgt:

  • Abs. 1 bestimmt die Eingangsvoraussetzungen, unter denen ein anderes übergeordnetes MU einen befreienden Konzernabschluss/Konzernlagebericht aufstellen kann,
  • Abs. 2 regelt zusätzliche Angabepflichten im Anhang des befreiten MU als weitere Anwendungsvoraussetzung. Daneben werden die Befreiungsvorschriften in bestimmten Fällen ausgeschlossen.
  • Abs. 3 macht zusätzliche Anforderungen an die Befähigung des Abschlussprüfers und dessen Nachweis zur Prüfung des befreienden Konzernabschlusses/Konzernlageberichts sowie an die Durchführungsweise der Abschlussprüfung.
[1] Der Ausnahmetatbestand des § 291 HGB regelt die Voraussetzungen eines befreienden Konzernabschlusses eines übergeordneten MU mit Sitz innerhalb eines EU-/EWR-Staates.
[2] Zum Tannenbaumprinzip siehe IDW, WPH Edition, Wirtschaftsprüfung & Rechnungslegung, 18. Aufl. 2023, Kap. G Tz 93.
[3] Ähnlich wie bei § 291 HGB vgl. hierzu Petersen, WPg 2019, S. 335.

1.2 Rechtsentwicklung

 

Rz. 4

Die Befreiungsmöglichkeit in § 292 HGB geht auf EU-Recht (vormals Art. 7 83/349/EWG – 7. EG-Richtlinie (Konzernbilanzrichtlinie) – über den konsolidierten Abschluss, jetzt Art. 28 Abs. 8 RL 2013/34/EU – Bilanzrichtlinie) zurück, wonach den Mitgliedstaaten ein Wahlrecht eingeräumt wird, unter bestimmten Voraussetzungen eine Befreiung von der Pflicht zur Aufstellung eines (Teil-)Konzernabschlusses eines MU mit Sitz außerhalb der EU/des EWR zu regeln. Das Mitgliedstaatenwahlrecht wurde erstmals durch das BiRiLiG von 1985 umgesetzt.[1]

Die Transformation der neuen Richtlinienvorgabe durch den Gesetzgeber i. R. d. BilRUG[2] verfolgte das Ziel, diese weitere Befreiungsmöglichkeit ebenfalls im nationalen Recht in Form des § 292 HGB zu ermöglichen. Insoweit wurde § 292 HGB um § 292 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) ergänzt. Ebenfalls wurde in Übereinstimmung mit der Bilanzrichtlinie geregelt, dass in jedem Fall der Bestätigungsvermerk offenzulegen ist und dass ein Versagungsvermerk für eine Befreiung nicht mehr ausreicht. Damit wird das besondere Schutzbedürfnis Dritter, insb. deren Interesse nach vollständiger und zutreffender Information durch einen Drittstaaten-Konzernabschluss betont. Darüber hinaus wurde ein gesetzgeberisches Redaktionsversehen in der Vorschrift mit den Verweisen auf § 2 WpHG beseitigt. Die Änderungen des BilRUG wurden schließlich zum Anlass genommen, die bis dahin in § 292 HGB geregelte Ermächtigungsgrundlage und die auf dieser Basis vom BMJ erlassene Rechtsverordnung zu § 292 HGB (sog. Konzernbefreiungsverordnung) in das Gesetz zu integrieren.[3]

Eine weitere Änderung betraf die Anpassung durch das Abschlussprüferaufsichtsreformgesetz, mit dem die Schwellenwerte nach § 292 Abs. 3 HGB angepasst wurden.[4]

Mit der letzten Gesetzesänderung durch das ARUG II (Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrichtlinien) wurde die Offenlegung des befreienden Konzernabschlusses in englischer Sprache (Abs. 1 Nr. 4) zugelassen sowie Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 redaktionell geändert.[5]

Das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/2101 im Hinblick auf die Offenlegung von Ertragsteuerinformationen durch bestimmte Unternehmen und Zweigniederlassungen (Ertragsteuerinformations-Umsetzungsgesetz)[6] hat lediglich zu einer redaktionellen Änderung geführt. Dabei wurde in dem Satzteil vor Nummer 1 innerhalb von § 292 Abs...

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