1 Überblick

1.1 Inhalt

 

Rz. 1

§ 276 Satz 1 HGB erlaubt kleinen und mittelgroßen Kapitalgesellschaften und diesen gleichgestellten Ges. eine gegenüber den Gliederungsschemata der Abs. 2 und 3 des § 275 HGB verkürzte Aufstellung der GuV. Dabei wird ihnen durch die Möglichkeit, bereits bei der Aufstellung des Jahresabschlusses lediglich ein Rohergebnis auszuweisen, das Recht gewährt, auf eine Darstellung der für die Umsatztätigkeit unmittelbar relevanten Einzelposten zu verzichten.

1.2 Normenzusammenhang

 

Rz. 2

Die Einstufung als kleine oder mittelgroße KapG richtet sich nach § 267 Abs. 1 und Abs. 2 HGB (§ 267 Rz 10 ff.). KapG, die durch Ausgabe von Wertpapieren einen organisierten Kapitalmarkt i. S. d. § 2 Abs. 11 WpHG in Anspruch nehmen oder die Zulassung solcher Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt beantragt haben, gelten stets als große KapG (§ 267 Abs. 3 HGB) und können als kapitalmarktorientierte Ges. i. S. d. § 264d HGB die größenabhängigen Erleichterungen unabhängig von ihrer Größe nicht in Anspruch nehmen. Ebenfalls ausgeschlossen ist die Anwendung größenabhängiger Erleichterungen für Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute (§ 340a Abs. 2 Satz 1 HGB) und VersicherungsUnt (§ 341a Abs. 2 Satz 1 HGB). Für die KleinstKapG wird eine Kombination dieser Erleichterungen mit denen des § 275 Abs. 5 HGB ausgeschlossen (Rz 11 ff.).

 

Rz. 3

Obwohl explizit nur für KapG verankert, wird der Rückgriff auf das Wahlrecht des verkürzten GuV-Ausweises sowie der weiteren in § 276 HGB gewährten Erleichterungen auch für entsprechende Ges. anderer Rechtsformen (Nicht-KapG) als zulässig erachtet. Für die Schutzinteressen dieser Ges. kann aufgrund der für sie oftmals anzutreffenden Kombination aus engem Produktportfolio und beschränkter Abnehmerzahl in einem hart umkämpften Marktsegment nichts anderes gelten als für KapG.[1] Allerdings sind diese auch nicht an die Gliederungsvorschriften gebunden und die Veröffentlichung des Jahresabschlusses wäre freiwillig.

[1] Vgl. Reiner, in MünchKomm. HGB, 4. Aufl. 2020, § 276 HGB Rn 5.

2 Rohergebnis

 

Rz. 4

Mit § 276 HGB wurde von der Möglichkeit des Art. 27 der Vierten EG-RL Gebrauch gemacht, kleinen und mittelgroßen Ges. bei der Aufstellung und Offenlegung ihrer GuV die Zusammenfassung und Saldierung bestimmter Posten zum Posten "Rohergebnis" zu erlauben.

 

Rz. 5

Die eingeräumte Saldierungsmöglichkeit ist als Wahlrecht konzipiert und stellt als lex specialis einen explizit zugelassenen Verstoß gegen das Saldierungsverbot (§ 246 Abs. 2 HGB) dar, mit welchem den Interessen kleiner und mittelgroßer Ges. an einem Informationsschutz Rechnung getragen werden soll, sofern sie nicht als kapitalmarktorientiert einzustufen sind. Ihnen wird hierdurch die Möglichkeit eingeräumt, den Einblick Außenstehender in die Erfolgsstruktur der Unternehmung zu verhindern und einer ansonsten durch die Offenlegung wettbewerbsrelevanter Informationen drohenden Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit vorzubeugen. Adler/Düring/Schmaltz sehen es daher sogar als Pflicht der gewissenhaften Geschäftsführung einer kleinen oder mittelgroßen KapG an, dieses Wahlrecht i. S. d. Ges. zu nutzen.[1] Die Wahlrechtsinanspruchnahme der saldierten Ergebnisdarstellung unterliegt dem Stetigkeitsgrundsatz (§ 265 Abs. 1 Satz 1 HGB).

 

Rz. 6

Der Informationsnutzen eines auf Basis dieser Aufstellungserleichterung ausgewiesenen saldierten Ergebnisses ist aus Sicht der Bilanzadressaten gering.

 

Rz. 7

Der Rohergebnisausweis entbindet nicht von der in praxi letztlich stets gegebenen Verpflichtung, für den internen Gebrauch die in das Rohergebnis eingeflossenen Posten gesondert zu erfassen, da diese Angaben für unterschiedlichste unternehmerische Entscheidungen und mögliche Auskunftsersuchen der Gesellschafter verfügbar sein müssen. Im Fall einer AG oder KGaA ergibt sich dies im Hinblick auf den Informationsbedarf der Aktionäre allein aus dem Umstand, dass der Vorstand einer AG oder KGaA sicherstellen muss, den Aktionären der Ges. in der Hauptversammlung, in welcher der Jahresabschluss vorgelegt wird, auf Verlangen die ungekürzte Darstellung der GuV inkl. der alle Angaben umfassenden Anhangerläuterungen offenlegen zu können (§ 131 Abs. 1 Satz 3 AktG). Vergleichbares gilt, unter Vorbehalt der in § 51a Abs. 2 GmbHG kodifizierten Einschränkungen, für die Informationsrechte der Gesellschafter einer GmbH. So kann jeder GmbH-Gesellschafter Einsicht der Bücher und Schriften der Ges. verlangen und sich die Zusammensetzung der nach § 276 Satz 1 HGB zusammengefassten Posten erschließen. Auch zum Zweck der Größenklassenbestimmung müssen Informationen über die Höhe der Umsatzerlöse der einzelnen Gj verfügbar sein.

 

Rz. 8

Aus den Gliederungsvorgaben des § 275 Abs. 2 und 3 HGB und den Saldierungsvorgaben ergibt sich nach Umsatzkostenverfahren (§ 275 Rz 17) und Gesamtkostenverfahren (§ 275 Rz 13) jeweils folgende Zusammensetzung des als Summe ausgewiesenen Rohergebnisses:

 
  Umsatzerlöse
+/– Erhöhung oder Verminderung des Bestands an fertigen und unfertigen Erzeugnissen
+ andere aktivierte Eigenleistungen
+ sonstige be...

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