1 Überblick

1.1 Inhalt

 

Rz. 1

§ 251 HGB regelt die Angabe zu möglichen künftigen Vermögensbelastungen, die sich aus zum Bilanzstichtag bestehenden Haftungsverhältnissen ergeben können. Diese Angaben stellen eine Zusatzinformation zu den aus der Bilanz ersichtlichen passivierten Rückstellungen oder Verbindlichkeiten dar. Die "unter der Bilanz" anzugebenden Haftungsverhältnisse betreffen im Einzelnen:

  • Verbindlichkeiten aus der Begebung und Übertragung von Wechseln,
  • Verbindlichkeiten aus Bürgschaften, Wechsel- und Scheckbürgschaften,
  • Verbindlichkeiten aus Gewährleistungsverträgen,
  • Haftungsverhältnisse aus der Bestellung von Sicherheiten für fremde Verbindlichkeiten.

Diese Aufzählung ist vollständig und abschließend, sonstige evtl. Haftungsverhältnisse sind nicht anzugeben. Allerdings ist zu beachten, dass der Begriff der "Gewährleistungsverträge" gesetzlich nicht definiert ist und daher eine Vielfalt möglicher Haftungsverhältnisse umfasst, sodass der Umfang der Vermerkpflicht mit der weiteren Gestaltung und Entwicklung möglicher Haftungskonstruktionen "mit wachsen kann".

 

Rz. 2

Die Gemeinsamkeit der in § 251 HGB aufgelisteten Haftungsverhältnisse besteht darin, dass eine Inanspruchnahme des Kfm. aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung, der er sich nicht mehr entziehen kann, rechtlich möglich ist, am Bilanzstichtag jedoch nicht konkret erwartet wird und deshalb eine Passivierung (ganz oder tw.) in der Bilanz nicht erfolgt. Es handelt sich um auf vertraglicher Grundlage beruhende einseitige rechtliche Verpflichtungen, die beim künftigen Eintritt eines Ereignisses oder einer Bedingung zu einer Vermögensbelastung führen können. Da die Inanspruchnahme vom Eintritt einer Bedingung abhängt, werden die aus den Haftungsverhältnissen resultierenden Eventualverbindlichkeiten auch als bedingte Verbindlichkeiten bezeichnet.

 

Rz. 3

Der Vermerk unter der Bilanz umfasst grds. die mögliche Vermögensbelastung in voller Höhe. Evtl. bestehende Rückgriffsforderungen sind nicht zu berücksichtigen. Die Angabe der möglichen Vermögensbelastung darf allerdings nur einmal erfolgen, Doppelangaben sind unzulässig. Lt. Gesetzestext erfolgt der Vermerk nur, "sofern" entsprechende Verbindlichkeiten nicht auf der Passivseite auszuweisen sind. Nach übereinstimmender Literaturmeinung[1] ist dieses "sofern" des Gesetzestextes in ein "soweit" umzudeuten. Ein Vermerk entfällt nur dann, wenn eine Rückstellung oder Verbindlichkeit mit dem vollen Betrag der möglichen Haftung passiviert ist; erfasst die Passivierung nur einen Teilbetrag der Gesamtverpflichtung, so ist der Restbetrag der rechtlich möglichen Verpflichtung gem. § 251 HGB zu vermerken.

[1] Vgl. z. B. ADS, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995–2001, § 251 HGB Rz 6.

1.2 Anwendungsbereich, Normenzusammenhang

 

Rz. 4

§ 251 HGB ist eine für alle Kfl. gültige Regelung, die über den Verweis in § 298 Abs. 1 HGB auch auf den Konzernabschluss anzuwenden ist.

Für KapG/KapCoGes sind in § 268 Abs. 7 HGB ergänzende Anforderungen geregelt: Die in § 251 HGB bezeichneten Haftungsverhältnisse sind jeweils gesondert im Anhang unter Angabe der gewährten Pfandrechte und sonstigen Sicherheiten anzugeben; bestehen Verpflichtungen die Altersversorgung betreffend oder Verpflichtungen gegenüber verbundenen oder assoziierten Unt, so sind sie gesondert anzugeben. Darüber hinaus ist für diese Gesellschaften die Regelung des § 285 Nr. 9 HGB zu beachten, der zufolge die zugunsten der Organmitglieder eingegangenen Haftungsverhältnisse im Anhang anzugeben sind. Schließlich ist auf § 285 Nr. 27 HGB hinzuweisen: KapG/KapCoGes haben im Anhang für die nach § 251 HGB unter der Bilanz ausgewiesenen Verbindlichkeiten und Haftungsverhältnisse die Gründe der Einschätzung des Risikos der Inanspruchnahme anzugeben.

2 Informationsfunktion des Bilanzvermerks

 

Rz. 5

Die Funktionen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses sind insb. in folgenden Bereichen zu sehen:

  • Gläubigerschutz,
  • Kapitalerhaltung,
  • Ausschüttungsbemessung.

Dagegen dient die internationale Rechnungslegung (IFRS) insb. der Informationsfunktion. Mit der Umsetzung des BilMoG wurde erstmals auch die "Informationsfunktion des handelsrechtlichen Jahres- und Konzernabschlusses" in der Gesetzesbegründung als eigenständiges Ziel definiert.[1] Während also die Informationsfunktion für die Rechnungslegungsregelungen i. A. erstmals mit dem BilMoG besondere Betonung findet, gilt dies für den Bilanzvermerk gem. § 251 HGB schon immer und ist gleichzeitig das einzige Ziel dieser Vorschrift. Die Vermerkpflicht dient zunächst der "Selbstinformation des Kaufmanns" und darüber hinaus allen externen Adressaten des Jahresabschlusses als Zusatzinformation über nicht bilanzierungsfähige zusätzliche Risiken. Da der Bilanzvermerk der Gläubigerschutzfunktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses lediglich indirekt – i. S. v. zusätzlichen Informationen – und den Funktionen Kapitalerhaltung, Ausschüttungsbemessung sowie steuerliche Maßgeblichkeit überhaupt nicht dient, sind auch die hieraus abgeleiteten allgemeinen Grundsätze wie Realisationsprinzip, Vorsichtsprinzip und Stichtagsprinzip nicht ...

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