1 Überblick

 

Rz. 1

§ 243 Abs. 1 HGB verpflichtet den Kaufmann, seinen Jahresabschluss nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) aufzustellen. Der Begriff der "Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung" ist von zentraler Bedeutung, da diese den übergeordneten Maßstab für die Ordnungsmäßigkeit von Jahresabschlüssen darstellen. Im Folgenden werden die handelsrechtlichen GoB kommentiert; Ausführungen zur Maßgeblichkeit der Handels- für die Steuerbilanz, zum Wegfall der umgekehrten Maßgeblichkeit sowie zu Steuerlatenzen im Fall möglicher Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz erfolgen in der Kommentierung zu § 274 HGB (§ 274 Rz 131).

§ 243 Abs. 2 HGB normiert den Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit, damit wirtschaftliche Sachverhalte, die im Jahresabschluss abgebildet werden, eindeutig, verständlich und nachvollziehbar sind.

Gegenstand des § 243 Abs. 3 HGB ist die Frist zur Aufstellung des Jahresabschlusses.

 

Rz. 2

Die Vorschriften des § 243 HGB gelten für alle Kaufleute. Sie gelten für Einzelabschlüsse und über die ausdrückliche Erwähnung der GoB sowie der Klarheit und Übersichtlichkeit in § 297 Abs. 2 Satz 1 und 2 HGB auch für Konzernabschlüsse. § 243 Abs. 3 HGB wird für KapG und KapCoGes in § 264 Abs. 1 HGB konkretisiert.

2 Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (Abs. 1)

2.1 Begriff und Rechtsnatur

 

Rz. 3

Nach § 243 Abs. 1 HGB ist der Jahresabschluss nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) aufzustellen. Der Begriff der GoB wird vom Gesetzgeber mehrfach gebraucht, aber nicht definiert. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff,[1] der im Zusammenwirken von Rechtsprechung, fachkundigen Praktikern und Vertretern der Betriebswirtschaftslehre auszulegen ist. Mit dem Begriff der GoB werden sämtliche handelsrechtliche Buchführungs- und Bilanzierungsgrundsätze bezeichnet. Diese haben die Aufgabe, eine Leitlinie für die Behandlung aller Sachverhalte in Buchführung und Jahresabschluss zu bieten, selbst wenn keine kodifizierten Rechnungslegungsvorschriften existieren.

 

Rz. 4

Die GoB umfassen den obersten Beurteilungsmaßstab der prinzipienbasierten deutschen Rechnungslegung, die im Gegensatz zu der eher regelbasierten Rechnungslegung anglo-amerikanischer Prägung steht. Sie beinhalten sowohl die kodifizierten gesetzlichen Vorschriften als auch nicht kodifizierte Rechnungslegungsnormen. Wegen der umfassenden Kodifizierung von GoB durch das BiRiLiG 1985 haben nicht kodifizierte Grundsätze seither deutlich an Bedeutung verloren.[2] Diese Tendenz hat sich im Zuge des BilMoG insb. durch die tendenzielle Einschränkung von Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten fortgesetzt.

 

Rz. 5

Bei der Ermittlung der GoB werden die induktive, die deduktive sowie die hermeneutische Methode unterschieden.[3] Bei der induktiven Methode wird das Verhalten eines durchschnittlichen ehrbaren Kfm. empirisch festgestellt und daraus die GoB abgeleitet. Die Auffassung, dass die GoB nicht durch statistische Erhebungen, sondern durch Nachdenken ermittelt werden sollten, führte zu der deduktiven Methode. Diese Methode versucht, aus den Zwecken des handelsrechtlichen Abschlusses ein System von GoB zu entwickeln, wobei Entscheidungshilfen heranzuziehen sind, wie z. B.:[4]

  • Gesetze und die zugrundeliegenden EG-/EU-Richtlinien;
  • Rechtsprechung des BGH (RG), des EuGH, des BFH;
  • Stellungnahmen des IDW zur Rechnungslegung (IDW St/HFA, IDW RS u. a.) einschl. der zugehörigen Hinweise (IDW RH);
  • gutachterliche Stellungnahmen des DIHT und der IHK;
  • die gesicherten Erkenntnisse der BWL, der Fachliteratur sowie der Bilanzierungspraxis ordentlicher Kaufleute.

Die hermeneutische Methode, die durch eine ganzheitliche Betrachtungsweise charakterisiert ist, verbindet schließlich Elemente der Induktion und der Deduktion. Die hermeneutische Methode verlangt zur Ableitung der GoB die Berücksichtigung verschiedener Kriterien wie Gesetzeswortlauf und -sinn, dessen Bedeutungszusammenhang sowie Entstehungsgeschichte und Zielsetzung des Gesetzgebers.

Eine allseits akzeptierte Lehre zur Ermittlung der GoB hat sich in der Literatur bislang noch nicht herausgebildet.

 

Rz. 6

Mit der Diskussion um einen zunehmenden Einfluss der IFRS auf die deutsche Rechnungslegung wird deren mögliche Anerkennung als GoB diskutiert.[5] Die stärkere Betonung der Informationsfunktion sowie die Kodifizierung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise in Anlehnung an die IFRS-Terminologie zum wirtschaftlichen Eigentum i. R. d. BilMoG zeigen eine Annäherung an die IFRS. Der Gesetzgeber hat dabei ausdrücklich auf das Fortbestehen der bisherigen handelsrechtlichen GoB hingewiesen: "Insbesondere behalten das Vorsichtsprinzip, das Realisationsprinzip und das Stichtagsprinzip ihre bisherige Bedeutung. Einige der im Gesetzentwurf enthaltenen Vorschriften wurden lediglich punktuell anders gewichtet, d. h. die Informationsfunktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses wird insoweit stärker betont."[6] Handelsrechtliche GoB i. S. d. § 243 Abs. 1 HGB sind Rechtsnormen und "bilden ein selbständiges Regelungswerk, das nicht etwa die IFRS einschließt oder von diesen verdrängt ...

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