Rz. 145

§ 317 Abs. 5 HGB dient der Umsetzung von Art. 26 Abs. 1 der Abschlussprüferrichtlinie,[1] nach dem die EU-Mitgliedstaaten die Abschlussprüfer zu verpflichten haben, die nach Art. 48 Abs. 2 der Abschlussprüferrichtlinie von der EU übernommenen internationalen Prüfungsstandards bei der Durchführung von Abschlussprüfungen anzuwenden. Entsprechend diesen Vorgaben weist Abs. 5 den Abschlussprüfer an, die von der EU übernommenen International Standards of Auditing (ISA) bei der Durchführung von Abschlussprüfungen anzuwenden. Auch wenn in Abs. 5 HGB allgemein von "internationalen Prüfungsstandards" gesprochen wird, sind die in Art. 2 Nr. 11 der Abschlussprüferrichtlinie genannten ISA des IAASB der IFAC gemeint.[2]

Abs. 5 wurde mit dem AReG redaktionell an den überarbeiteten Art. 26 der Abschlussprüferrichtlinie angepasst.

 

Rz. 146

Bislang sind von der EU noch keine ISA übernommen worden, obwohl die der Regelung zugrunde liegende Abschlussprüferrichtlinie schon einige Jahre vorliegt. Der Hintergrund dafür war zunächst, dass vor Übernahme der ISA die Beendigung des sog. Clarity Project durch den die ISA erlassenden Standardsetter, das IAASB, abgewartet werden sollte. Mit dem Clarity Project wurden die ISA insgesamt harmonisiert und in diesem Zusammenhang entweder "redraftet" (neu strukturiert und formuliert) oder "revised and redrafted" (inhaltlich aktualisiert sowie neu strukturiert und formuliert). Nachdem das Clarity Project abgeschlossen war, wurden die sog. clarified ISA am 3.3.2009 vom PIOB (Public Interest Oversight Board), dem Aufsichtsorgan über das Standard-Setting-Verfahren des IAASB, genehmigt.[3]

 

Rz. 147

Die ISA entfalten bereits seit langem auch auf die deutschen Prüfungsgrundsätze Wirkung. Da sowohl IDW als auch WPK Mitglied der IFAC sind, werden die ISA seit 1998 i. R. d. Entwicklung der IDW PS in deutsche Prüfungsgrundsätze transformiert. Somit werden die clarified ISA auch ohne bislang erfolgte Übernahme durch die EU in den deutschen Prüfungsstandards eine inhaltliche Berücksichtigung finden.[4]

Die nunmehr durch die vom IDW verabschiedeten ISA [DE] in Kombination mit den weiter anzuwendenden IDW PS sind vom Berufsstand anzuwenden, sodass auch ohne unmittelbare Rechtswirkung des § 317 Abs. 5 HGB Abschlussprüfungen in Deutschland ISA-konform durchzuführen sind. Dies gilt auch für nach den speziellen Regelungen für weniger komplexe Einheiten vorliegenden IDW PS KMU (Rz 48).

 

Rz. 148

Die EU-weite Umsetzung der ISA-Anwendung ist derzeit nicht absehbar, sodass § 317 Abs. 5 HGB gesetzestechnisch wohl noch längere Zeit ohne Wirkung bleiben wird. Durch die vom Berufsstand vorgesehene Anwendung der ISA-DE spätestens ab 2022 sinddie ISA materiell dennoch in Deutschland anzuwenden.

 

Rz. 149

Die zu den jeweiligen ISA ergangenen Anwendungshinweise (sog. application and other explanatory material) werden nicht von der EU übernommen, werden gleichwohl aber materielle Bedeutung haben (müssen) für die Prüfungsdurchführung. Neben den ISA soll auch ISQC 1 (International Standard on Quality Control) von der EU übernommen werden.

 

Rz. 150

Da auch bei freiwilligen Abschlussprüferungen regelmäßig ein Bestätigungsvermerk erteilt werden soll, gelten die vorgenannten Rechtsfolgen auch in diesen Fällen, anderenfalls darf kein Bestätigungsvermerk nach § 322 HGB, sondern lediglich eine Bescheinigung erteilt werden (§ 322 Rz 183).

 

Rz. 151

Tab. 1 gibt einen Überblick über die Struktur der clarified ISA.

 
ISA Bezeichnung
200–299 Allgemeine Grundsätze und Verantwortlichkeiten
  200 Übergreifende Zielsetzungen des unabhängigen Prüfers und Grundsätze einer Prüfung in Übereinstimmung mit den ISA
  210 Vereinbarung der Auftragsbedingungen für Prüfungsaufträge
  220 Qualitätssicherung bei einer Abschlussprüfung
  230 Prüfungsdokumentation
  240 Die Verantwortung des Abschlussprüfers bei dolosen Handlungen
  250 Berücksichtigung von Auswirkungen von Gesetzen und anderen Rechtsvorschriften auf den Abschluss bei einer Abschlussprüfung
  260 Kommunikation mit den für die Überwachung Verantwortlichen
  265 Mitteilung über Mängel im internen Kontrollsystem an die für die Überwachung Verantwortlichen und das Management
300–499 Risikobeurteilung und Reaktionen auf beurteilte Risiken
  300 Planung einer Abschlussprüfung
  315 Identifizierung und Beurteilung der Risiken wesentlicher falscher Darstellungen aus dem Verstehen der Einheit und ihres Umfelds
  320 Die Wesentlichkeit bei der Planung und Durchführung einer Abschlussprüfung
  330 Die Reaktionen des Abschlussprüfers auf beurteilte Risiken
  402 Überlegungen bei der Abschlussprüfung von Einheiten, die Dienstleister in Anspruch nehmen
  450 Die Beurteilung der während der Abschlussprüfung festgestellten falschen Darstellungen
500–599 Prüfungsnachweise
  500 Prüfungsnachweise
  501 Prüfungsnachweise – besondere Überlegungen zu ausgewählten Sachverhalten
  505 Externe Bestätigungen
  510 Eröffnungsbilanzwerte bei Erstprüfungsaufträgen
  520 Analytische Prüfungshandlungen
  530 Stichprobenprüfungen
  54...

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