Rz. 125

§ 272 Abs. 2 Nr. 2 HGB schreibt vor, dass der Betrag, der bei der Ausgabe von Schuldverschreibungen für Wandlungsrechte und Optionsrechte zum Erwerb von Anteilen erzielt wird, als Kapitalrücklage auszuweisen ist. Die Vorschrift hat nur Bedeutung für die AG, die KGaA und die SE. Wandel- und Optionsanleihen sind bei der GmbH nicht denkbar, da ein für ihre Ausgabe notwendiges bedingtes Kapital nicht geschaffen werden kann.[1]

 

Rz. 126

§ 221 Abs. 1 Satz 1 AktG enthält eine Legaldefinition des Begriffs der Wandelschuldverschreibung. Danach handelt es sich um Schuldverschreibungen, bei denen den Gläubigern ein Umtausch- oder Bezugsrecht auf Aktien eingeräumt wird. Nach dem heutigen Sprachgebrauch stellen Schuldverschreibungen, die ein Umtauschrecht verbriefen, Wandelanleihen und Schuldverschreibungen, die ein Bezugsrecht verbriefen, Optionsanleihen dar.[2] Der in § 221 Abs. Satz 1AktG verwendete Begriff "Wandelschuldverschreibung" umfasst also die Wandel- und die Optionsanleihe.[3]

 

Rz. 127

Wandelanleihen sind Schuldverschreibungen, die dem Gläubiger das Recht gewähren, seinen Anspruch auf Rückzahlung des Nennbetrags gegen eine bestimmte Anzahl von Aktien umzutauschen (§ 221 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 Alt. 1 AktG). Mit dem Umtausch gehen die Gläubigerrechte unter; an ihre Stelle treten die Mitgliedschaftsrechte.[4] Optionsanleihen sind Schuldverschreibungen, die dem Gläubiger das Recht auf Rückzahlung des Nennbetrags verbriefen. Zusätzlich erhält er das Recht, innerhalb eines bestimmten Zeitraums eine bestimmte Anzahl von Aktien zu einem festgelegten Preis zu erwerben.[5] Das Optionsrecht wird üblicherweise in einem besonderen Optionsschein verbrieft, der zunächst mit der Optionsanleihe fest verbunden ist, von einem bestimmten Zeitpunkt aber von ihr getrennt und als selbstständiges Wertpapier an der Börse gehandelt werden kann.[6]

 

Rz. 128

 
Praxis-Beispiel

In der Praxis treten häufig die folgenden Wandel- und Optionsanleihevarianten auf: Zum einen wird die Wandel- oder Optionsanleihe marktüblich verzinst und auf den Ausgabebetrag ein Aufgeld aufgeschlagen, das der Bezahlung des Wandel- oder Optionsrechts dient. Der Erfüllungsbetrag liegt unter dem Ausgabebetrag. Zum anderen werden Wandel- oder Optionsanleihen ohne Aufgeld ausgegeben. Stattdessen erfolgt die Verzinsung nicht zu marktüblichen Bedingungen.

 

Rz. 129

Das bei der Ausgabe der Wandel- oder Optionsanleihen erzielte Aufgeld ist in die Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 2 HGB einzustellen. Ob die Wandelungs- oder Optionsrechte zu einem späteren Zeitpunkt ausgeübt werden, ist unbeachtlich.[7] Auch wenn dies nicht der Fall sein sollte, unterliegt die Auflösung der Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 2 HGB den Beschränkungen nach § 150 Abs. 3 und 4 AktG.[8]

 

Rz. 130

Erfolgt die Ausgabe der Wandel- oder Optionsanleihen mit Wandel- oder Optionsrechten auf Aktien des MU durch ein TU, ist das erzielte Aufgeld grds. auch in diesem Fall in die Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 2 HGB des MU einzustellen. Wirtschaftlich betrachtet besteht kein Unterschied, ob das Aufgeld unmittelbar durch das begebende MU oder aber ein eingeschaltetes TU erzielt wird.[9] Auch der Wortlaut des § 272 Abs. 2 Nr. 2 HGB ("… bei der Ausgabe … erzielt") schließt dies nicht aus.[10] Gleichwohl ist umstritten, ob die Dotierung der Kapitalrücklage bei dem MU einer Vereinbarung mit dem TU bedarf.[11] Tw. wird dies verneint und für den Fall des Verbleibs des Aufgeldes bei dem TU angenommen, es lägen nachträgliche AK auf die Beteiligung an dem TU vor, die über eine Erhöhung der Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 2 HGB gegen zu buchen seien.[12] Von anderer Seite wird auf die gesellschaftsrechtliche Verpflichtung des MU verwiesen, Wandel- oder Optionsrechte nur gegen ein angemessenes Entgelt bereitzustellen. Werde dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, sei die Einstellung eines "fiktiven Aufgelds" in die Kapitalrücklage unzulässig.[13] Von dritter Seite wird vorgeschlagen, das Aufgeld durch eine nachzuholende Vereinbarung oder eine Gewinnausschüttung abzuschöpfen.[14]

 

Rz. 131

Bei der Ausgabe einer marktüblich verzinsten Wandel- oder Optionsanleihe mit einem über den Erfüllungsbetrag hinausgehenden Aufgeld ist besagtes Aufgeld ohne Berührung der GuV unmittelbar in die Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 2 HGB einzustellen.[15] Der Erfüllungsbetrag der Wandel- oder Optionsanleihe ist in der Bilanz unter dem Posten nach § 266 Abs. 3 C. 1. HGB auszuweisen.

 

Rz. 132

Von einer marktüblichen Verzinsung der Wandel- oder Optionsanleihe ist auszugehen, wenn der vereinbarte Zinssatz demjenigen Zinssatz entspricht, der bei der Ausgabe von gleichartigen Anleihen von Schuldnern mit gleichartiger Bonität und mit derselben Laufzeit vereinbart werden würde.[16]

 

Rz. 133

Zu passivieren ist nur ein über den Erfüllungsbetrag hinausgehendes Aufgeld. Der Erfüllungsbetrag ist der Betrag, den der Schuldner bei Fälligkeit der Wandel- oder Optionsanleihe an den Gläubiger zu zahlen hat. Abzugrenzen ist das vereinbarte Aufgel...

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