Rz. 131

§ 317 Abs. 4 HGB sieht für börsennotierte AG eine Beurteilung der nach § 91 Abs. 2 AktG zu treffenden Maßnahmen hinsichtlich deren Geeignetheit vor.

 

Rz. 132

Börsennotiert bestimmt sich nach § 3 Abs. 2 AktG und setzt die Zulassung von Aktien zu einem von staatlich anerkannten Stellen geregelten und überwachten Markt voraus. Dieser Markt muss regelmäßig stattfinden und unmittelbar oder mittelbar für das Publikum zugänglich sein. In Deutschland erfüllt diese Kriterien der regulierte Markt. Nicht börsennotiert i. S. v. § 3 Abs. 2 AktG sind AG/KGaA/SE, die Aktien am Open Market (Freiverkehr) begeben haben, z. B. das Segment Scale der Börse Frankfurt oder M:access der Börse München. Für den Jahresabschluss von Unt, die Aktien am Open Market begeben haben, besteht somit keine Prüfungspflicht nach Abs. 4.

 

Rz. 133

Eine Prüfungspflicht kann sich auch für nicht börsennotierte Ges. ergeben, wenn diese im Risikobericht des Lageberichts auf das Risikofrüherkennungssystem eingehen.[1] Allerdings ist diese Prüfung dann Teil der Prüfung des Lageberichts, was Konsequenzen für die Berichterstattung des Abschlussprüfers im Prüfungsbericht hat, da auch in diesen Fällen nicht in einem separaten Abschnitt des Prüfungsberichts gem. § 321 Abs. 4 HGB zu berichten ist (§ 321 Rz 133). Ist allerdings der Prüfungsauftrag bei nicht börsennotierten Ges. um die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems erweitert, so hat die Berichterstattung in einem separaten Berichtsabschnitt zu erfolgen. Für eine derartige Erweiterung des Prüfungsauftrags bedarf es einer ausdrücklichen Vereinbarung im Prüfungsauftrag. Als Folge daraus ist das Risikofrüherkennungssystem in einem entsprechenden Umfang gem. Abs. 4 zu prüfen.[2]

 

Rz. 134

§ 91 Abs. 2 AktG gilt nicht nur für börsennotierte AG/KGaA/SE, sondern für sämtliche Ges. dieser Rechtsformen. Die vom Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung bei Einführung von § 91 Abs. 2 AktG erwartete Ausstrahlungswirkung auf Geschäftsführer anderer Gesellschaftsformen – insb. die GmbH –, die eine vergleichbare Größe und Komplexität der Struktur aufweisen,[3] ist hinreichend diskutiert worden.[4] Während die Beurteilung von Risikofrüherkennungssystemen anderer Gesellschaftsformen als AG/KGaA/SE auch aus anderen Gründen für den Abschlussprüfer erforderlich sein kann (z. B. Beurteilung des Vorliegens von Unregelmäßigkeiten wegen Verletzung von Sorgfaltspflichten (§ 321 Rz 139) oder i. R. d. Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung nach § 53 HGrG[5]), ist die Prüfungspflicht nach § 317 Abs. 4 HGB auf börsennotierte AG/KGaA/SE beschränkt und bei allen anderen Gesellschaftsformen nicht unmittelbarer Gegenstand der Abschlussprüfung.[6] Dies gilt auch für nicht in der Rechtsform der AG betriebene Kreditinstitute und VersicherungsUnt, die dennoch nach § 25a KWG bzw. § 34 Abs. 2 VAG explizit ein Risikofrüherkennungssystem entsprechend § 91 Abs. 2 AktG einzurichten haben.[7]

[1] Vgl. Marten/Köhler/Neubeck, in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 317 HGB Rz 152.1, Stand: 07/2019.
[2] Vgl. Gelhausen, BFuP 1999, S. 395; Eggemann/Konradt, BB 2000, S. 506.
[3] Vgl. BT-Drs. 13/9712 28.1.1998 S. 15.
[4] Zustimmend Lück, DB 1998, S. 1925; ADS, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995–2001, § 317 HGB Rz 18; Schmidt/Almeling, in Beck Bil-Komm., 12. Aufl. 2020, § 317 HGB Rz 76; ablehnend: Lenz/Ostrowski, BB 1997, S. 1527.
[5] Vgl. IDW PS 720.20, Fragenkreis 4.
[6] Vgl. IDW, WPH-Edition, Wirtschaftsprüfung & Rechnungslegung, 18. Aufl. 2023, Kap. O Tz 20.
[7] Vgl. Marten/Köhler/Neubeck, in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 317 HGB Rz 156, Stand: 07/2019.

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