Rz. 60

Werden abgesicherte Beschaffungs- oder Absatzgeschäfte abgewickelt, ist umstritten, wie von den besonderen Bewertungsvorschriften für Bewertungseinheiten auf die allgemeinen GoB überzugehen ist. Was das Sicherungsinstrument angeht, ergibt sich zunächst die Notwendigkeit, eine bislang noch nicht erfasste effektive Wertänderung in Bezug auf das abgesicherte Risiko festzuhalten. Unklar ist dagegen, wie die AK der zugehenden VG aus Beschaffungsgeschäften bzw. wie der Erlös für die erbrachte Lieferung oder Leistung bei Absatzgeschäften zu ermitteln sind.

 
Praxis-Beispiel

U hat am 10.11.01 Waren zum Preis von 2 Mio. USD bestellt und zur Absicherung gegen das Cashflow-Risiko ein Devisentermingeschäft über die Kaufpreissumme abschlossen. Die Lieferung der Waren erfolgt am 1.2.02. Einen Tag später wird der Kaufpreis beglichen.

Der Kurs Euro zu US-Dollar entwickelt sich wie folgt:

 
  • 10.11.01:
1,00
  • 31.12.01:
1,25
  • 1.2.02:
1,25

Unterschiede zwischen Kassa- und Terminkurs bestehen nicht.

Es liegt eine perfekte Sicherungsbeziehung vor. Die Wertänderung aus dem Termingeschäft kompensiert vollständig die währungsbedingte Wertänderung aus dem schwebenden Beschaffungsgeschäft.

U bildet die Sicherungsbeziehung nach der Einfrierungsmethode ab.

Zum 31.12.01 ist weder das Grundgeschäft noch das Termingeschäft bilanziell zu erfassen. Die am 1.2.02 zugehenden Waren bucht U mit ihren AK ein. Zu ihrer Ermittlung bestehen zwei Auffassungen. Nach Auffassung des IDW bildet der Sicherungskurs die Grundlage für die Umrechnung.[1] Es ermitteln sich AK von 2 Mio. EUR. Dazu ist der Wertverlust aus dem Termingeschäft von 0,4 Mio. EUR auf das Grundgeschäft zu übertragen. Die Verbindlichkeit geht mit ihrem Stichtagswert am 1.1.02 von 1,6 Mio. EUR zu. Das Sicherungsinstrument selbst ist – da es zunächst nicht glattgestellt wird – mit seinem negativen beizulegenden Zeitwert von 0,4 Mio. EUR als Rückstellung anzusetzen. Mit der Begleichung der Kaufpreisverbindlichkeit am 2.2.02 und der Glattstellung des Devisentermingeschäfts sind die beiden Schuldposten auszubuchen.

Hoffmann/Lüdenbach wollen dagegen die Waren mit den umgerechneten AK im Zugangszeitpunkt (1,6 Mio. EUR) einbuchen und den Wertverlust aus dem Derivat als Aufwand in der GuV erfassen. Ihre abweichende Auffassung begründen sie mit dem Hinweis, weder § 254 HGB noch andere Bilanzierungsgrundsätze lieferten eine Grundlage, beim Übergang auf die Einzelbilanzierung die gegenläufigen Wertänderungen aus dem Grundgeschäft und dem Sicherungsinstrument zu verrechnen.[2]

 

Rz. 61

Bei Absatzgeschäften besteht eine analoge Diskussion: Umstritten ist hier, ob der Erlös für die erbrachte Lieferung oder Leistung auf Basis des gesicherten Kurses[3] oder des Kurses im Zeitpunkt der Leistungserbringung[4] zu ermitteln ist. Anders als bei Beschaffungsgeschäften führen die unterschiedlichen Sichtweisen bei der Abwicklung von Absatzgeschäften nicht zu einem abweichenden Gewinnausweis. Der Unterschied besteht allein darin, ob der Erfolg aus der Transaktion vollständig dem Absatzgeschäft zuzurechnen oder der auf die Wertänderung des Sicherungsinstruments entfallende Erfolgsanteil gesondert zu erfassen ist. Handelsrechtlich geht es damit nur um die Art des Ausweises in der GuV. Aufgrund einer unterschiedlichen steuerlichen Behandlung der beiden Teilerfolge können sich allerdings Auswirkungen auf die Höhe der Ertragsteuerlast ergeben. Das ist etwa der Fall, wenn der Verkauf von Beteiligungen gegen Fremdwährungsrisiken abgesichert wird.

 

Rz. 62

Die wohl h. M. neigt der Auffassung des IDW zu und spricht sich für die Ermittlung der AK beschaffter VG bzw. des Umsatz- oder Veräußerungserlöses aus erbrachten Leistungen auf Basis des jeweiligen Sicherungskurses aus.[5] Die hiergegen von Hoffmann/Lüdenbach angeführten Argumente sind aus dogmatischer Sicht beachtlich. Dennoch dringen sie u. E. nicht durch. Die Sinnhaftigkeit einer Bildung von Bewertungseinheiten und damit der Zweck des § 254 HGB werden infrage gestellt, wenn beim Übergang auf die Bilanzierung nach den allgemeinen GoB der Kompensationsgedanke wieder verdrängt und die Transaktionen am Ende so abgebildet wird, als wäre auf die Bildung einer Bewertungseinheit verzichtet worden.

[1] So IDW RS BFA 6.44; IDW RS HFA 35.92 (bei Abwicklung geplanter Geschäfte).
[2] Vgl. Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung, 14. Aufl. 2022, § 254 HGB Rn 89 ff.
[3] So IDW RS BFA 6.22.
[4] So Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung, 14. Aufl. 2022, § 254 HGB Rn 105.
[5] Vgl. z. B. Justenhoven/Usinger, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 254 HGB Rn 54, 59.

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