Rz. 307

Die Ermittlung des beizulegenden Werts hat bei Handelswaren nach überwiegender Auffassung sowohl beschaffungs- als auch absatzmarktorientiert zu erfolgen (doppelte Maßgeblichkeit, Rz 288).

 
Praxis-Beispiel

Die Handels-AG verfügt am Abschlussstichtag über Handelswaren, die zu AK von 10 TEUR im Bestand geführt werden. Unter Berücksichtigung von Anschaffungsnebenkosten belaufen sich die Wiederbeschaffungskosten (beschaffungsmarktorientiert) auf 9 TEUR. Den erwarteten Verkaufserlös (nach Abzug erwarteter Erlösschmälerungen) schätzt die Handels-AG auf 10,5 TEUR. Bei einer Veräußerung fallen weitere Aufwendungen (Transportkosten) von 0,8 TEUR an.

Für Zwecke der bilanziellen Bewertung zum Abschlussstichtag werden üblicherweise die folgenden Wertansätze gegenübergestellt:

 
  Buchwert Beizulegender Wert Beschaffungsmarkt Beizulegender Wert Absatzmarkt
AHK 10.000    
Wiederbeschaffungskosten   9.000  
Erwarteter Verkaufserlös     10.500
Noch anfallende Aufwendungen     ./. 800
Niederstwerttest 10.000 9.000 9.700

Nach dem Prinzip der doppelten Maßgeblichkeit ist auf den niedrigsten der drei Werte, d. h. auf 9 TEUR, abzuschreiben, sodass eine außerplanmäßige Abschreibung i. H. v. 1 TEUR zu berücksichtigen ist.

U. E. genügt bei Waren ein Abgleich mit dem Absatzmarkt, um etwaige Vermögensminderungen zu identifizieren. Im Beispiel reduziert sich damit die notwendige Abschreibung auf 0,3 TEUR. Den Verhältnissen am Beschaffungsmarkt kommt keine Bedeutung zu. Unter dem Nettoverkaufswert liegende Wiederbeschaffungskosten bringen bloße Opportunitätsverluste zum Ausdruck, deren bilanzielle Erfassung durch das Imparitätsprinzip nicht gedeckt ist (Rz 291).[1]

 
Praxis-Beispiel

Ein EinzelhandelsUnt R hat am Abschlussstichtag 5.000 als Kabinengepäck zugelassene Hartschalenkoffer auf Lager, deren Herstellungskosten 410 EUR je Stück[2] betragen. Die Vertriebskosten kalkuliert R mit 40 EUR je Stück. Am Abschlussstichtag 31.12. bietet R die Gepäckstücke in einer bis Januar des Folgejahres befristeten Sonderaktion zum Preis von 399 EUR an. Anschließend soll wieder der Listenpreis von 550 EUR je Stück gültig sein.

Aufgrund der gegenwärtig schleppenden Nachfrage nach Kabinengepäck geht R davon aus, nicht mehr als 3.000 Koffer in der Sonderaktion abzusetzen. Wegen eines nach dem Abschlussstichtag zugelassenen Impfstoffes erwartet R im Frühjahr des Folgejahres eine deutliche Zunahme von Geschäftsreisen mit positiver Auswirkung auf die Nachfrage nach Business-Gepäck.

Der geschätzte Nettoveräußerungspreis liegt unter den Selbstkosten, sodass R einen Verlust von 51 EUR je Stück als außerplanmäßige Abschreibung zu berücksichtigen hat. Dies gilt nicht nur für die 3.000 voraussichtlich i. R. d. Sonderaktion zu verkaufenden Koffer, sondern auch für die übrigen, d. h. die Abschreibung beläuft sich auf 255.000 EUR (strenges Niederstwertprinzip). Die nach dem Abschlussstichtag erwartete Besserung der Geschäftsaussichten infolge der Zulassung des Impfstoffes ist unsicher und daher im Bewertungskalkül nicht zu berücksichtigen.[3]

 

Rz. 308

Auch bei Handelswaren kommen Gängigkeitsabschläge wegen eingeschränkter Verwendungsfähigkeit in Betracht. Dies betrifft z. B.

  • Lebensmittel wegen Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums bei einzelnen Produkten,
  • Modeartikel im Textileinzelhandel, die nur mit deutlichen Preisabschlägen i. R. v. Sonderverkäufen (z. B. Sommer-/Winterschlussverkauf) veräußert werden können,[4]
  • modische Schmuckkollektionen von Juwelieren.[5]
 

Rz. 309

 
Praxis-Beispiel

Getränkegroßhändler G verfügt über drei Filialen in einer Großstadt. Zum 31.12.01 liegen die nachstehenden Informationen zum Bestand und zum Umschlag von Fruchtsäften vor. Der Fruchtsaft hat eine Mindesthaltbarkeitsdauer von durchschnittlich drei Monaten. Ein Monat vor Ende der Mindesthaltbarkeit reduziert G die Preise und verkauft die betreffenden Bestände 20 % unter dem Einstandspreis. Auf diese Weise lässt sich der Absatz um 30 % steigern. Die auf diese Weise nicht abgesetzte Menge verkauft G wenige Tage vor Ablauf der Mindesthaltbarkeit mit einem Abschlag von 60 % auf den Einstandspreis.

 
  Filiale 1 Filiale 2 Filiale 3
Bestand zum 31.12.01 [Flaschen] 8.000 4.000 11.000
Einstandspreis (EP) pro Flasche 0,90 0,90 0,90
Umschlag pro Monat [Flaschen] 2.000 1.500 4.500
Verlust pro Flasche bei Rabattierung (20 %) –0,18 –0,18 –0,18
Verlust bei Verkauf über Sonderfläche (60 %) –0,54 –0,54 –0,54

Die Absatzplanung liefert die folgenden Informationen für die Vornahme von Gängigkeitsabschlägen:

Filiale 1

  • Nach den Planungen von G wird Filiale 1 nur die Hälfte des vorhandenen Bestands innerhalb der kommenden beiden Monate verkaufen.
  • Der verbleibende Bestand wird zunächst mit 20 % rabattiert. Auf diese Weise lassen sich weitere 2.600 Flaschen (130 % von 2.000 Flaschen) verkaufen.
  • Der Restbestand von 1.400 Flaschen muss verramscht werden.

Filialen 2 und 3

  • Der abzuwertende Bestand beträgt 1.000 bzw. 2.000 Flaschen.
  • Durch die Rabattaktion können sämtliche Flaschen vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums v...

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