Rz. 302

Bei unfertigen und fertigen Erzeugnissen sowie Leistungen ist die Ermittlung eines etwaigen Abschreibungsbedarfs absatzmarktorientiert vorzunehmen. Abweichend hiervon hält die h. M. für Überbestände an unfertigen Erzeugnissen oder bei solchen unfertigen Erzeugnissen, die auch fremd bezogen werden können, (zusätzlich) eine beschaffungsmarktorientierte Bewertung für möglich bzw. geboten.[1] Dem ist nicht zu folgen, da für diese VG ein (zusätzlicher) Bezug von Dritten gerade nicht in Betracht kommt.

 

Rz. 303

Börsen- oder Marktpreise als Ausgangspunkt zur Ableitung des beizulegenden Werts existieren allenfalls für fertige Erzeugnisse. Fehlt es daran, ist der beizulegende Wert anderweitig zu bestimmen. Entsprechendes gilt für unfertige Erzeugnisse und Leistungen. Nach dem Grundsatz der verlustfreien Bewertung (Rz 290) ist der für sie erzielbare Nettoverkaufspreis vorsichtig zu schätzen. Er ermittelt sich als Differenz zwischen dem voraussichtlichen Absatzpreis des fertigen Produkts oder Erzeugnisses und den bis zur Veräußerung noch anfallenden Aufwendungen für dessen Fertigstellung und den Vertrieb. Soweit der Nettoveräußerungspreis die bis zum Abschlussstichtag angefallenen AHK unterschreitet, ist eine Abschreibung geboten.

 
Praxis-Beispiel

Ein MaschinenbauUnt stellt Spezialmaschinen her. Am Abschlussstichtag ist ein Auftrag mit einem vereinbarten Kaufpreis von 100 TEUR noch nicht fertiggestellt. Die unter den unfertigen Leistungen ausgewiesenen AHK belaufen sich auf 60 TEUR. Die Aufwendungen zur Fertigstellung der Maschine werden wie folgt geschätzt:

  • Restliche Aufwendungen zur Herstellung: 20 TEUR
  • Transport- und Installationsaufwendungen: 5 TEUR
  • Schulung des Personals beim Kunden: 10 TEUR
  • Fertigstellung der Dokumentation (Handbücher, techn. Zeichnungen etc.): 15 TEUR
 
Erwarteter Verkaufserlös (unter Abzug von vereinbarten Preisnachlässen) 100.000
Abzgl. nach dem Abschlussstichtag noch anfallende Kosten  
Herstellungsaufwendungen ./. 20.000
Transport und Installation ./. 5.000
Schulung des Personals ./. 10.000
Dokumentation ./. 15.000
= Nettoverkaufspreis 50.000
Bis zum Abschlussstichtag angefallene AHK ./. 60.000
= Zu erwartender Verlust ./. 10.000

Es ist eine außerplanmäßige Abschreibung i. H. v. 10 TEUR auf den mittels verlustfreier Bewertung ermittelten niedrigeren beizulegenden Wert vorzunehmen.

 

Rz. 304

Nach dem Abschlussstichtag anfallende Aufwendungen der Fertigstellung und des Vertriebs sind zu Vollkosten anzusetzen, also inkl. Gemeinkostenzuschläge.[2] Dabei ist von einer Normalauslastung der Kapazität auszugehen. Eine Erhöhung des abzuschreibenden Betrags um einen Gewinnzuschlag ist unzulässig. Die Niederstwertabschreibungen sollen eingetretene Vermögensminderungen zum Ausdruck bringen und keine gewinnsichernde Bewertung gewährleisten. Zu beachten sind auch durch z. B. Corona-bedingte vorübergehende Stilllegungen oder Nutzungseinschränkungen resultierende Auslastungsbeschränkungen von Anlagen.[3]

 

Rz. 305

Auch wenn nicht explizit im Gesetz angesprochen, hat die Ermittlung der nach dem Abschlussstichtag anfallenden Aufwendungen mit den Kosten- und Preisverhältnissen bei Anfall der Aufwendungen (Rz 50) zu erfolgen. Insoweit kann nichts anderes gelten als für die Bewertung von Drohverlustrückstellungen. Beide Rechtsinstitute – Drohverlustrückstellung und die ihr vorgehende Niederstwertabschreibung[4] – haben ihre Wurzel im Imparitätsprinzip. Dieses Prinzip erfordert im Interesse eines zutreffenden Stichtagsvermögensausweises den Vorgriff auf künftige Preisverhältnisse, wenn diese die aus der Verwertung der VG zu erwartenden Mindesteinzahlungserwartungen beeinflussen.[5]

 

Rz. 306

Abschreibungen auf unfertige Erzeugnisse und Leistungen bzw. Fertigerzeugnisse werden in der nach dem GKV aufgestellten GuV in den "Bestandsveränderungen der fertigen und unfertigen Erzeugnisse" (Pos. 2 des Gliederungsschemas gem. § 275 Abs. 2 HGB) ausgewiesen. Nur bei ungewöhnlich hohen Abwertungen kommt ein Ausweis unter den unüblichen "Abschreibungen auf VG des UV" in Betracht (Pos. 7b des Gliederungsschemas gem. § 275 Abs. 2 HGB; § 275 Rz 122). Bei Anwendung des UKV sind die Abschreibungen in den "Herstellungskosten des Umsatzes" auszuweisen (Pos. 2 des Gliederungsschemas gem. § 275 Abs. 3 HGB; § 275 Rz 211).

[1] Vgl. Schubert/Berberich, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 253 HGB Rz 517.
[2] Vgl. Schubert/Berberich, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 253 HGB Rz 522; Thiele/Prigge, in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 253 HGB Rz 416, Stand: 9/2002; a. A. ADS, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995–2001, § 253 HGB Rz 528, die in bestimmten Fällen nur variable Gemeinkosten einbeziehen möchten.
[3] Vgl. IDW, Fachlicher Hinweis v. 25.3.2020, Auswirkungen der Ausbreitung des Coronavirus auf Rechnungslegung und Prüfung (Teil 2), S. 8 Kap. 3.2.2, https://www.idw.de/blob/122878/ac5e8bd6bfd88081cfdd9398ceb04032/down-corona-idw-fachlhinw-relepruefung-teil2-data.pdf, Abruf 14.8.2023.
[4] Der Vorrang der aktivischen...

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