Rz. 104

§ 264 Abs. 3 HGB enthält neben der ab dem Gj. 2021 erfolgten Klarstellung bez. des Verbots der Nutzung von kapitalmarktorientierten Unternehmen sechs kumulativ zu erfüllende Voraussetzungen für die Befreiung:

  • Vorliegen eines Mutter-Tochter-Verhältnisses und Einbezug in den Konzernabschluss eines MU mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den EWR (Rz 105 ff.),
  • Zustimmung aller Gesellschafter des TU zur Befreiung für das jeweilige Gj und Offenlegung des Beschlusses nach § 325 HGB (Rz 108 ff.),
  • Erklärung des MU zum Einstand für bis zum Gj-Ende entstandene Verpflichtungen des TU bis zum Ende des kommenden Gj (Rz 118 ff.),
  • Erfüllung bestimmter europäischer Voraussetzungen hinsichtlich Aufstellung und Prüfung des Konzernabschlusses (Rz 115 f.),
  • Angabe der Befreiung des TU im Anhang des vom MU aufgestellten und nach § 325 HGB durch Einreichung beim Betreiber des Bundesanzeigers offengelegten Konzernabschlusses (Rz 117),
  • Mitteilung der Befreiung im Unternehmensregister für das TU unter Bezugnahme auf § 264 Abs. 3 Nr. 4b HGB und Angabe des MU (Rz 117).

5.2.1 Einbezug als Tochterunternehmen in den Konzernabschluss des Mutterunternehmens

 

Rz. 105

Die Befreiung gem. § 264 Abs. 3 HGB erfordert die kumulative Erfüllung aller im Gesetzestext genannten Voraussetzungen. Grundvoraussetzung für die Befreiung ist zunächst, dass ein TU in den Konzernabschluss eines MU mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den EWR einbezogen ist. Dabei liegt ein TU vor, wenn die Voraussetzungen des § 290 HGB bzw. der entsprechenden nationalen Umsetzung der RL 2013/34/EU erfüllt sind, d. h., auf das TU kann unmittelbar oder mittelbar ein beherrschender Einfluss ausgeübt werden (§ 290 Rz 28 ff.). Es ist unerheblich, ob es sich bei dem TU auch um eine Beteiligung des MU handelt (§ 301 Rz 2).

 

Rz. 106

Da explizit von einem in den Konzernabschluss einbezogenen TU gesprochen wird, greift die Befreiung nicht, wenn das TU wegen § 296 HGB oder vergleichbarer Vorschriften (Wahlrecht der Einbeziehung) nicht in den Konzernabschluss einbezogen wurde und das MU die Tochter im Konzernabschluss als gehaltene Beteiligung in Form eines assoziierten Unt at equity oder lediglich als Beteiligung bilanziert hat. Bei der Einbeziehung des TU in den Konzernabschluss sind für die HB II nach §§ 300, 308 HGB bzw. vergleichbaren Vorschriften auf Basis der RL 2013/34/EU die für KapG geltenden Bilanzierungsvorschriften der §§ 264289 HGB bzw. der vergleichbaren Vorschriften auf Basis dieser RL oder nach den IFRS zu beachten.

 

Rz. 107

Eine Befreiung kommt nicht nur in Betracht, wenn das MU konzernabschlusspflichtig ist, sondern es reicht ein freiwillig erstellter Konzernabschluss. Zudem sind die Befreiungen als Wahlrecht formuliert. Somit besteht die Verpflichtung zur Konzernrechnungslegung zunächst unabhängig davon, ob etwa die größenabhängige Befreiung genutzt wird.[1] Daher wird auch hier die Auffassung vertreten, dass ein freiwilliger Konzernabschluss, der allen gesetzlichen Normen genügt, d. h. insb. auch der Offenlegung, befreiende Wirkung für das einbezogene TU entfaltet.

[1] Vgl. ADS, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen (Ergänzungsband), 2001, § 264 HGB n. F. Rz 11; Störk/Deubert, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 264 HGB Rz 128.

5.2.2 Zustimmung der Gesellschafter

 

Rz. 108

Aufgrund der erheblichen Einschränkung der zur Verfügung stehenden Informationen und ggf. Einschränkungen bei der Gewinnverteilung müssen alle Gesellschafter jährlich in einem Beschluss, der den gesetzlichen und satzungsmäßigen Vorgaben entsprechen muss, zustimmen, damit die Erleichterung genutzt werden kann.[1] Der Gesellschafterbeschluss muss schriftlich erfolgen und kann ggf. im Umlaufverfahren herbeigefügt werden.[2] Störk/Deubert halten dagegen neben dem förmlichen Beschluss auch eine andere eindeutige Erklärung der Gesellschafter gegenüber der KapG für ausreichend.[3] Die jährliche Zustimmungspflicht ist nötig, da sich Kreis und Interessenlage der Gesellschafter stetig verändern können.[4] Dabei sind allerdings Gesellschafter, die erst nach der Gesellschafterversammlung (GesV) Gesellschafter geworden sind, an die Entscheidung der damaligen Gesellschafter zur Zustimmung für die Nutzung der Befreiung gebunden; umgekehrt wird eine nachträgliche Erteilung der Zustimmung für möglich gehalten, wenn der Verkäufer die Zustimmung verweigert hat. Hoffmann/Lüdenbach differenzieren nur im ersten Fall der erfolgten Zustimmung noch, ob der Gesellschafterwechsel während oder nach dem Ende des Gj, für das die Erleichterungen genutzt werden soll, erfolgt. Demnach wäre die Zustimmung nur von den am Bilanzstichtag oder später beteiligten Gesellschaftern möglich.[5] Diese weitere Verschärfung kann m. E. nicht gefordert werden, da im Ergebnis dann stets erst nach Ende des Gj feststeht, ob die Befreiung genutzt werden kann.[6] Es reicht nicht aus, wenn der Beschluss in der GesV einstimmig verabschiedet wird, soweit die Gesellschafter nicht vollzählig anwesend sind. Eine Delegation der Zustimmungsrechte an einen anderen Ges...

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