Rz. 204

Die Voraussetzungen eines sachlichen Bezugs sind gegeben, sofern ein tatsächlicher Zusammenhang zwischen der Fremdkapitalaufnahme und der Herstellung des VG vorliegt. Abgesehen von Kreditverträgen, die unter direkter oder indirekter Bezugnahme[1] auf den herzustellenden VG abgeschlossen bzw. verlängert werden und damit eindeutig in einen tatsächlichen Bezug gesetzt werden können, gestaltet sich der Nachweis eines tatsächlichen Zusammenhangs in der Praxis als äußerst schwierig. Wenngleich in der Literatur nicht einstimmig akzeptiert, ist insb. gerade im Interesse der Praktikabilität als zulässig zu erachten, dass Fremdkapitalzinsen quotal einzelnen VG zugeordnet und entsprechend in die HK einbezogen werden, sofern dem keine tatsächlichen Fakten entgegenstehen.[2]

 

Praxis-Beispiel[3]

 
Aktiva Bilanz* 31.12.01 (GmbH) Passiva
AV   190 Eigenkapital   100
Erzeugnisse   200 Fremdkapital   400
Übriges UV   110      
           
    500     500
* in Mio. EUR

Annahmen:

Für das Fremdkapital sind im Gj 01 Zinsen i. H. v. 20 Mio. EUR angefallen.

Einer quotalen Zuordnung von Fremdkapitalzinsen zu einzelnen VG stehen keine tatsächlichen Fakten entgegen.

Bei einer quotalen Zuordnung entfallen 40 % (200 von 500 Mio. EUR) der Fremdkapitalzinsen auf die Erzeugnisse. Der Herstellungszeitraum der Erzeugnisse beginnt am 1.1.01. und endet am 30.6.01. Zeitanteilig können daher 4 Mio. EUR (20 Mio. EUR x 0,4 x 0,5) in die HK der Erzeugnisse eingerechnet werden.

 

Rz. 205

Unter die aktivierungsfähigen Fremdkapitalzinsen i. S. d. § 255 Abs. 3 HGB fallen neben den Nominal- bzw. Durchschnittszinsen bei quotaler Zurechnung auch Aufwendungen mit zinsähnlichem Charakter, wie etwa ein gezahltes Disagio. Eine Einbeziehung von Provisionen und weiteren Finanzmittelbeschaffungskosten scheitert an der Aktivierungsvoraussetzung des zeitlichen Bezugs.[4] Ein zeitlicher Bezug liegt vor, sofern die Fremdkapitalzinsen auf den Zeitraum der Herstellung entfallen. Die Voraussetzung entspricht damit den Anforderungen des § 255 Abs. 2 Satz 3 HGB für das Aktivierungswahlrecht für Kosten der allgemeinen Verwaltung, Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung. Der Beginn der Herstellung ist dabei nicht mit dem Beginn des technischen Herstellungsprozesses gleichzusetzen. Das erstmalige Anfallen von Aufwendungen, die in sachlichem Zusammenhang mit der Erstellung der Leistung stehen, begründet bereits den Herstellungsbeginn.[5] Den Abschluss der Herstellung markiert die Fertigstellung bzw. die Fähigkeit zur dauernden Nutzung entsprechend der Bestimmung bei VG des Anlagevermögens.[6]

 

Rz. 206

Sofern Grundstücke und Gebäude, die zur Veräußerung vorgesehen sind, finanziert werden, dürfen neben den Fremdkapitalzinsen für den Erwerb der Grundstücke auch die Zinsen für das Fremdkapital zur Herstellung der Gebäude – unter der üblichen Voraussetzung des zeitlichen Zusammenhangs mit der Herstellung – mit in die HK einbezogen werden.[7] Dies liegt darin begründet, dass zwischen diesen ein Nutzungs- und Funktionszusammenhang besteht, der zu einer Klassifikation als einheitlicher VG des Umlaufvermögens führt. Sofern diese Zusammenfassung aufgrund eines nicht möglichen Verkaufs des Grund und Bodens entfällt, ist der Grund und Boden in das Anlagevermögen umzugliedern, sofern damit die Entscheidung verbunden ist, diesen VG dauerhaft zu nutzen, was regelmäßig der Fall sein dürfte, sofern sich ein Verkauf als unmöglich herausstellt. Maßgeblich für die Buchwertbemessung i. R. e. etwaigen Umgliederung ist das Verhältnis der Zeitwerte der beiden Komponenten.

[1] Eine Benennung im Kreditvertrag ist nicht erforderlich. Im Zuge der Prüfung der Voraussetzungserfüllung ist auf den tatsächlichen Bezug abzustellen; ebenso ADS, 6. Aufl. 1995–2001, § 255 HGB Rz 203; Schubert/Hutzler, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 255 HGB Rz 505 f.
[2] Vgl. Knop/Küting/Knop, in Küting/Weber, HdR-E, § 255 HGB Rn 314, Stand: 11/2016; wohl auch Schubert/Hutzler, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 255 HGB Rz 505; Kahle/Haas, in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 255 HGB Rz 224, Stand: 8/2017; a. A. Wohlgemuth, in Schulze-Osterloh/Hennrichs/Wüstemann, Handbuch des Jahresabschlusses (HdJ), Abt. I/10 Rz 34, Stand: 10/2012; IDW HFA 5/1991, Abschn. 6, WPg 1992, S. 94.
[3] In Anlehnung an ADS, 6. Aufl. 1995–2001, § 255 HGB Rz 204.
[4] So auch IDW HFA 5/1991, Abschn. 6, WPg 1992, S. 94; Kahle/Haas, in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 255 HGB Rz 225, Stand: 12/2021; a. A. ADS, 6. Aufl. 1995–2001, § 255 HGB Rz 206.
[7] Vgl. dazu und im Folgenden IDW RS HFA 31.26.

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