Rz. 127

§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG schreibt die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz vor, d. h., in der Steuerbilanz ist grds. das Betriebsvermögen anzusetzen, das sich nach den handelsrechtlichen GoB ergibt. Hierbei sind zwei mögliche Sichtweisen zu unterscheiden:[1]

  • Die materielle Maßgeblichkeit ist bereits dann gegeben, wenn die Steuerbilanzansätze mit den handelsrechtlichen GoB abstrakt vereinbar sind. Die Ausübung von Ansatz- und Bewertungswahlrechten kann nach dieser Sichtweise in Handels- und Steuerbilanz unterschiedlich ausgeübt werden.
  • Die formelle Maßgeblichkeit stellt demgegenüber auf eine enge Verknüpfung zwischen Handels- und Steuerbilanz ab. Hiernach sind in der Handelsbilanz enthaltene Wertansätze in die Steuerbilanz zu übernehmen.
 

Rz. 128

Dass die früher vorherrschende formelle Maßgeblichkeit mit Inkrafttreten des BilMoG beendet wurde, ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut, der in § 5 Abs. 1 Satz 1 2. Hs. EStG klarstellt, "es sei denn, im Rahmen der Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts wird oder wurde ein anderer Ansatz gewählt". Diese Maßgeblichkeit, auch bezeichnet als subsidiäre Maßgeblichkeit,[2] unterscheidet nicht mehr zwischen solchen steuerlichen Wahlrechten, die auch handelsrechtlich bestehen (sog. GoB-konforme Wahlrechte), und solchen, die den handelsrechtlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften nicht entsprechen (sog. GoB-inkonforme Wahlrechte). Vielmehr sieht das Konzept der subsidiären Maßgeblichkeit vor, dass alle steuerlichen Wahlrechte unabhängig von der Handelsbilanz ausgeübt werden können.[3]

Während sich seit Verabschiedung des BilMoG eine breite Diskussion über die Reichweite der Maßgeblichkeit entsponnen hat,[4] stellt die Finanzverwaltung mit dem BMF-Schreiben vom 12.3.2010[5] ihre Sichtweise klar; auch wenn diese möglicherweise nicht vollumfänglich mit der des BilMoG-Gesetzgebers übereinstimmt, ist dies die für die Bilanzierenden relevante Sichtweise, zumal weiterhin keine erneuten Aktivitäten von gesetzgeberischer Seite absehbar sind. Die Möglichkeit, eine hiervon abweichende Rechtsauffassung gegenüber den Finanzbehörden im Wege eines Rechtsbehelfs- und anschließenden Finanzgerichtsverfahrens durchzusetzen, bleibt den Bilanzierenden offen. Hierauf wird im Folgenden nicht eingegangen.

[1] Vgl. Scheffler, StuB 2010, S. 295.
[2] Vgl. Herzig/Briesemeister, DB 2009, S. 2.
[3] Vgl. Dörfler/Adrian, Ubg 2009, S. 387.
[4] Vgl. Hennrichs, Ubg 2009, S. 533; Herzig/Briesemeister, DB 2009, S. 926; Werth, DStZ 2009, S. 208; Theile, DStR 2009, Beihefter zu Heft 18, S. 27; Förster/Schmidtmann, BB 2009, S. 1342; Schenke/Risse, BB 2009, S. 1957; Ortmann-Babel/Bolik/Gageur, DStR 2009, S. 934; Hüttche, BB 2009, S. 1346.
[5] Vgl. BMF, Schreiben v. 12.3.2010, IV C 6, S – 2133/09/1001, BStBl 2010 I S. 239.

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