Rz. 88

Mit dem in § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB geforderten sog. Bilanzeid haben die gesetzlichen Vertreter (im Lagebericht seit dem CSR-RL-Umsetzungsgesetz wird genauer von den Mitgliedern des vertretungsberechtigten Organs gesprochen) einer KapG bzw. eines MU, das Inlandsemittent gem. § 2 Abs. 14 WpHG und keine KapG i. S. d. § 327a HGB ist,[1] bei Unterzeichnung eine gesonderte Versicherung abzugeben, dass – nach bestem Wissen – der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild i. S. v. § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB vermittelt, oder für den Fall, dass dies nicht zutrifft, im Anhang entsprechende Angaben enthalten sind. Eine entsprechende Forderung findet sich für den Lagebericht, in dem die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs zu versichern haben, dass der Geschäftsverlauf einschl. des Geschäftsergebnisses und die Lage der KapG so dargestellt sind, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt wird und dass die wesentlichen Chancen und Risiken i. S. v. § 289 Abs. 1 Satz 4 HGB beschrieben sind (§ 289 Abs. 1 Satz 5 HGB).

 

Rz. 89

Aus der Transparenzrichtlinie und der Formulierung in § 114 Abs. 2 Nr. 3 WpHG sowie auch aus Praktikabilitätsgründen wird eine gemeinsame Erklärung für Jahresabschluss und Lagebericht (Lageberichtseid, § 289 Rz 71 ff.) für zulässig erachtet. Die Versicherung bezieht sich nach h. M. auf den festgestellten Jahresabschluss.[2]

 

Praxis-Beispiel (Formulierung gem. DRS 20.K235)

Bilanzeid aus dem Jahresabschluss der BASF SE für 2021:[3]

„Nach bestem Wissen versichern wir, dass gem. den anzuwendenden Rechnungslegungsregeln der Jahresabschluss der BASF SE ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der BASF SE vermittelt und im Lagebericht der BASF SE der Geschäftsverlauf einschließlich des Geschäftsergebnisses und die Lage der BASF SE so dargestellt sind, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt wird sowie die wesentlichen Chancen und Risiken der voraussichtlichen Entwicklung der BASF SE beschrieben sind.

Ludwigshafen am Rhein, den 22. Februar 2022”

(Namen der Vorstandsmitglieder)

 

Rz. 90

Die Ausgestaltung der Erklärung erfolgte in expliziter Anlehnung an Sec 302, Sarbenes-Oxley Act von 2002. In der EU-Richtlinie wird dieser Sachverhalt zwar geregelt, es gibt aber keine Verpflichtung für die Mitgliedstaaten, strafrechtliche Sanktionen für eine Verletzung vorzusehen. Die Bundesregierung hat zunächst den Weg beschritten, den Verstoß in Form einer Nichtabgabe oder einer unrichtigen Abgabe analog zu den bestehenden Regelungen der unrichtigen Wiedergabe oder Verschleierung der Verhältnisse der KapG im (Konzern-)Jahresabschluss oder im (Konzern-)Lagebericht nach § 331 Nr. 1 und 2 HGB zusätzlich als Nr. 3a in diesen Paragrafen einzufügen. Somit wurde auf eine Ausgestaltung als eidesstattliche Versicherung, z. B. § 807 ZPO, verzichtet, deren vorsätzliche und fahrlässige Verletzung über §§ 156 und 163 StGB unter Strafe steht. Zudem wurde die Regelung des Gesetzentwurfs i. R. d. Beratung im Bundesrat mit einem Wissensvorbehalt versehen, sodass die strafrechtlichen Folgen hinter denen des amerikanischen Vorbilds zurückbleiben. Der subjektive Tatbestand des § 331 Nr. 3a HGB a. F. setzte ebenso wie die Regelungen unter Nr. 1 und 2 lediglich bedingten Vorsatz voraus. Alle gesetzlichen Vertreter der KapG (Rz 40) haben sich daher nach besten Kräften und i. R. d. Zumutbaren um einen optimalen Wissensstand zu bemühen. Mit dem FISG[4] wurde in Reaktion auf den Bilanzskandal der Wirecard AG mit einem neuen § 331a HGB nun doch Mitte 2021 eine Strafnorm für eine unrichtig Versicherung eingeführt, die mit Freiheitsstrafe bis 5 Jahre oder Geldstrafe die Abgabe der unrichtigen Versicherung belegt, wobei nach § 331a Abs. 2 HGB auch Leichtfertigkeit mit bis zu 2 Jahren oder Geldstrafe bestraft wird (§ 331a Rz 1 ff.).

 

Rz. 91

Weiterhin bestehen gegen den Bilanzeid in der verabschiedeten Ausgestaltung weiterhin rechtsdogmatische Bedenken, da hinsichtlich des Rechtsguts, des Beginns der Strafbarkeit und des subjektiven Tatbestands große Unklarheiten auszumachen sind. Zivilrechtlich wird es schwierig bleiben, den erforderlichen Nachweis über den Vorsatz bei einem unrichtigen Jahresabschluss zu erbringen.[5] Dies dürfte sich durch die Ausweitung bis auf das Verschuldungsniveau der Leichtfertigkeit jedoch deutlich ändern. Dennoch dürfte sich insgesamt weniger eine substanzielle Änderung für den gesetzlichen Vertreter einer den organisierten Kapitalmarkt in Anspruch nehmenden KapG als vielmehr eine aus der Makroperspektive des Reformgesetzgebers vertrauensbildende Funktion der Neuregelung ergeben, die eine gewisse Signalfunktion für die Glaubwürdigkeit der Rechnungslegung haben kann. Die Abgabe der Versicherung bezieht sich aufgrund der strukturverwandten Regelung des § 245 HGB bzgl. der Unterzeichnung des Jahresabschlusses wohl auf den festgestellten Jahresabschluss und ist wie die Unterzeichnung des Jahre...

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