Rz. 139

Die Steuerverpflichtungen einer Gesellschaft, deren Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme hinreichend konkret ist, werden je nach bestehender Gewissheit bzw. Sicherheit an zwei Stellen in der Bilanz ausgewiesen. Anstehende Steuerzahlungen, deren Höhen gewiss sind, werden unter den sonstigen Verbindlichkeiten ausgewiesen. Steuerrückstellungen sind dagegen für Abgaben und Steuern zu bilden, die zum Ende des Gj dem Grunde nach sicher sind, deren Höhe aber noch nicht exakt bestimmt werden kann. Beispiele sind veranlagte Steuern, wie etwa Körperschaft- oder Gewerbesteuern, Grundsteuern sowie Verbrauchsteuern (z. B. Stromsteuer, Mineralölsteuer).[1] Steuerrückstellungen sind i. H. d. zu erwartenden Steuerschuld abzgl. evtl. geleisteter Steuervorauszahlungen zu bilden.[2] In den Steuerrückstellungen werden auch die aus einer Betriebsprüfung erwarteten Steuernachzahlungen eingestellt. So werden bei laufenden steuerlichen Außenprüfungen im Jahresabschluss – soweit die Betriebsprüfung noch nicht abgeschlossen ist – absehbare Nachzahlungen als Steuerrückstellung passiviert, ohne dass die Höhe schon sicher ist. Für erwartete Steuernachzahlungen infolge einer noch nicht anberaumten Betriebsprüfung für das abgelaufene Gj darf handelsrechtlich auch ohne Vorliegen einer Prüfungsanordnung eine Steuerrückstellung gebildet werden, wenn aus vergangenen Jahren bei jeder Betriebsprüfung eine Steuernachzahlung festgesetzt wurde und der Betrag aufgrund der Erfahrungswerte zuverlässig abgeschätzt werden kann.

Nicht eingestellt werden Kosten, die durch die Dokumentations-, Informations- oder Erklärungspflichten entstehen.[3] Gleiches gilt für die Nebenleistungen aus Steuerzahlungspflichten wie Verspätungs-, Säumniszuschläge oder Zinsen, weil es sich hierbei nicht um Steuern i. S. d. § 3 Abs. 1 Satz 1 AO handelt. Daher ist hierfür ein Ausweis unter den sonstigen Rückstellungen oder sonstigen Verbindlichkeiten geboten.[4]

Unter Steuerrückstellungen sind nicht die nach § 274 Abs. 1 HGB anzusetzenden passivischen latenten Steuern auszuweisen. Wegen der Bilanzierung von latenten Steuern entsprechend dem bilanzorientierten Temporary-Konzept (§ 274 Rz 17 ff.) stellen passive latente Steuern einen "Sonderposten eigener Art" dar und sind separat auszuweisen (Rz 166 f.). Gem. § 274a Nr. 5 HGB sind kleine Ges. jedoch von der Anwendung des § 274 HGB befreit. Dennoch sind für kleine Ges. – ebenso wie für PersG – die allgemeinen Grundsätze für die Bilanzierung von Schulden zu beachten. Für diejenigen passiven latenten Steuern, die als ungewisse Verpflichtung anzusehen sind und die somit die Ansatzkriterien von Rückstellungen erfüllen, ist daher innerhalb der Steuerrückstellungen eine Rückstellung nach § 249 Abs. 2 Satz 1 HGB zu bilden,[5] obwohl der Vorgabe widersprochen wird, passive latente Steuern als Posten eigener Art auszuweisen. Die Rückstellung betrifft allerdings nur die sich im Zeitablauf umkehrenden Differenzen zwischen handelsrechtlicher und steuerlicher Gewinnermittlung (§ 274a Rz 10 ff.). Ein gesonderter Ausweis ist nicht erforderlich. Erleichterungen existieren dahingehend, dass die Anhangangaben gem. § 285 Nr. 29 HGB und § 285 Nr. 30 HGB für kleine Ges. entfallen (§ 288 Abs. 1 HGB); für mittelgroße Gesellschaften entfallen nur die Anhangangaben gem. § 285 Nr. 29 HGB (§ 288 Abs. 2 HGB).

[1] Vgl. Schubert/Waubke, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 266 HGB Rz 201.
[2] Vgl. Marx/Dallmann, in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 266 HGB Rz 213.1, Stand: 7/2022.
[3] Vgl. ADS, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995–2001, § 266 HGB Rz 210.
[4] Vgl. Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 5. Aufl. 2015, F Rz 844.
[5] Vgl. Karrenbrock, WPg 2008, S. 333 f.

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