Rz. 127

Neben den Ausnahmetatbeständen einer zwingenden Verrechnung von Aktiv- und Passivposten in der Bilanz bestehen weitere Ausnahmen vom Verrechnungsverbot. Eine der bedeutsamsten Ausnahmen ist das Vorliegen einer Aufrechnungslage (§§ 387ff. BGB).

Forderungen und Verbindlichkeiten dürfen danach gegeneinander aufgerechnet werden, sofern sie am Stichtag zwischen denselben Personen bestehen und insb. sowohl gleichartig als auch fällig sind. Nach h. M. werden durch den saldierten Ausweis von Forderungen und Verbindlichkeiten das haftende Vermögen sowie die tatsächliche Liquiditätslage klarer dargestellt, da die betreffenden Forderungen und Verbindlichkeiten so ausgewiesen werden, wie sie sich nach einer jederzeit möglichen Aufrechnung darstellen würden.[1] Dabei ist die rechtlich bestehende Möglichkeit zur Aufrechnung für Bilanzierungszwecke ausreichend; auf den Willen zur Aufrechnung kommt es nicht an. Denn die Aufrechnung von Forderungen und Verbindlichkeiten in der Bilanz entspricht der Intention des Gesetzgebers, die Forderungen bzw. Verbindlichkeiten nur in der Höhe auszuweisen, wie das Unt noch tatsächlich einen wirtschaftlichen Vorteil hat bzw. belastet ist. Insofern ist eine bilanzielle Aufrechnung der zu bevorzugende bilanzielle Ausweis.

 

Rz. 128

Eine Aufrechnung ist bereits dann möglich, wenn zwar die Forderung am Bilanzstichtag fällig, die dieser Forderung gegenüberstehende Verbindlichkeit jedoch noch nicht fällig, allerdings bereits erfüllbar ist.[2] In diesem Fall könnte das bilanzierende Unt durch die einseitige Erklärung der Aufrechnung die Forderung bzw. Verbindlichkeit eliminieren.

 

Rz. 129

Als nicht sachgerecht wird nach h. M. die Verrechnung beiderseits noch nicht fälliger Forderungen und Verbindlichkeiten angesehen, selbst wenn sich die Fälligkeiten nicht bzw. nur in geringem Maß unterscheiden.[3] In einem solchen Fall wäre ein ausreichender Gläubigerschutz nicht gewährleistet, da die Forderungen z. B. bei einer Insolvenz des Schuldners nicht mehr als vollwertig angesehen werden können.

 

Rz. 130

Im Fall von Gesamtschuldverhältnissen (§ 241 BGB) kann der Gläubiger von jedem der Schuldner die volle Leistung verlangen. Im Innenverhältnis wird die wirtschaftliche Belastung des Bilanzierenden zwar ggf. bis auf null reduziert, dieser Rückgriffsanspruch ist jedoch von der Bonität des Rückgriffsschuldners abhängig. Aus diesem Grund sollte jeder Schuldner die gesamtschuldnerische Verpflichtung in voller Höhe passivieren. Soweit jedoch im Innenverhältnis die ausdrückliche Vereinbarung zwischen den Schuldnern besteht, dass jeder die Schuld anteilig zu erbringen hat, wird eine lediglich anteilmäßige Bilanzierung für zulässig erachtet. Hinsichtlich des überschießenden Teils ist dessen ungeachtet ein Haftungsvermerk nach § 251 HGB erforderlich (§ 251 Rz 28).

Hat der Gläubiger allerdings bereits das bilanzierende Unt als Gesamtschuldner in Anspruch genommen, so ist eine Verrechnung nicht mehr zulässig, vielmehr sind die gegen die Mitschuldner bestehenden Rückgriffsansprüche als solche zu aktivieren und unter Vorsichtsgesichtspunkten zu bewerten – also ggf. wertzuberichtigen.[4]

 

Rz. 131

Kontokorrentkonten bedürfen keiner Verrechnung, da eine Forderung oder Verbindlichkeit nur i. H. d. Abrechnungssaldos besteht. Dieser Abrechnungssaldo muss laufend oder in periodischen Abständen ermittelt werden.[5]

 

Rz. 132

Neben den Forderungen und Verbindlichkeiten besteht gem. § 268 Abs. 5 Satz 2 HGB bei erhaltenen Anzahlungen auf Bestellungen die Möglichkeit, diesen Posten anstelle einer Passivierung offen vom Posten Vorräte abzusetzen (§ 268 Rz 33 ff.). Zudem sieht § 274 Abs. 1 Satz 3 HGB die Verrechnung von aktiven und passiven latenten Steuern vor. Gem. § 272 Abs. 1 Satz 2 HGB sind ferner nicht eingeforderte ausstehende Einlagen offen vom gezeichneten Kapital abzusetzen; eingeforderte, aber noch nicht gezahlte Einlagen sind unter den Forderungen gesondert auszuweisen (§ 272 Rz 72). Schließlich ist im Anlagenspiegel eine Verrechnung der Zuschreibungen mit den kumulierten Abschreibungen aus Vorjahren vorzunehmen (§ 284 Rz 73).[6]

[1] Vgl. Justenhoven/Meyer, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 246 HGB Rz 150, sowie IDW, WPH Edition, Wirtschaftsprüfung & Rechnungslegung, 18. Aufl. 202´3, Kap. F Tz 66.
[2] Vgl. Justenhoven/Meyer, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 246 HGB Rz 151.
[3] Vgl. IDW, WPH Edition, Wirtschaftsprüfung & Rechnungslegung, 18. Aufl. 2023, Kap. F Tz 67; Kußmaul, in Küting/Weber, HdR-E, § 246 HGB Rn 35, Stand: 6/2022.
[4] Vgl. Justenhoven/Meyer, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 246 HGB Rz 153.
[5] Vgl. ADS, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995–2001, § 246 HGB Rz 463 m. w. N.
[6] Vgl. Kußmaul, in Küting/Weber, HdR-E, § 246 HGB Rn 36, Stand: 6/2022.

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