Rz. 39

Wer Anteile oder andere nicht nur unwesentliche finanzielle Interessen an der zu prüfenden KapG/KapCoGes oder eine Beteiligung an einem Unt besitzt, das mit der zu prüfenden KapG/KapCoGes verbunden ist, oder von dieser mehr als 20 % der Anteile besitzt, darf nicht Abschlussprüfer sein.

 

Rz. 40

Als Anteilsbesitz gilt jede Beteiligung am gezeichneten Kapital der zu prüfenden KapG. Dies gilt auch für Beteiligungen an KapCoGes. Auf die Höhe der Beteiligung kommt es dabei nicht an. Bei einer Personenhandelsgesellschaft sind Gesellschafter die phG und die Kommanditisten.

 

Rz. 41

Eine stille Beteiligung führt grds. nicht zu Anteilsbesitz i. S. v. Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, da keine gesellschaftsrechtliche Beteiligung vorliegt.[1] Bei atypischen stillen Beteiligungen kann dies anders zu beurteilen sein, wenn der stille Gesellschafter Rechte hat, die denen eines Gesellschafters einer KapG entsprechen.[2]

 

Rz. 42

Der Ausschlusstatbestand wird auch durch das Halten von Gesellschafts-Anteilen durch den Abschlussprüfer als Treuhänder erfüllt, weil er die Interessen des Treugebers zu vertreten hat und dadurch sein Urteil beeinflusst werden könnte. Anders ist die Situation im Fall der Sicherungstreuhand, bei der die Funktionen des Treuhänders beschränkt sind. Wenn der Wirtschaftsprüfer Treugeber ist, sind ihm die vom Treuhänder gehaltenen Anteile zuzurechnen.[3]

 

Rz. 43

Nach Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 können auch mittelbare Beteiligungen am zu prüfenden Unt zum Ausschluss führen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn es sich um Beteiligungen an einem Unt handelt, das mit der zu prüfenden KapG/KapCoGes verbunden ist oder von dieser mehr als 20 % der Anteile besitzt. Der mittelbare Anteilsbesitz über Anteile an Wertpapier-Investmentfonds ist auch nach den Änderungen durch das BilReG kein gesetzlicher Ausschlussgrund.[4] Dies wird damit begründet, dass die Inhaber solcher Anteile – soweit es sich um Publikumsgesellschaften handelt – keine Einflussmöglichkeiten auf die Anlageentscheidungen des Fonds haben; zudem ist im Regelfall davon auszugehen, dass die finanziellen Interessen wegen der Zusammensetzung des Fondsvermögens nicht wesentlich sind.

 

Rz. 44

Andere finanzielle Interessen sind z. B. Schuldverschreibungen, Schuldscheine, Optionen, Genussrechte oder sonstige Wertpapiere. Derartige finanzielle Interessen begründen nur dann die unwiderlegbare Vermutung der Besorgnis der Befangenheit, wenn sie nicht unwesentlich sind. Bei der Beurteilung der Wesentlichkeit wird es aus der Sicht eines verständigen und objektiven Dritten insb. darauf ankommen, ob es sich bei den finanziellen Interessen um unbedingte Forderungsrechte handelt oder ob die Höhe der Forderung von den wirtschaftlichen Verhältnissen des zu prüfenden Unt abhängt.[5] Danach dürften gesicherte Forderungen (z. B. Pfandbriefe und Kommunalobligationen) im Allgemeinen als unwesentlich einzustufen sein.[6] Andere kapitalmäßige oder finanzielle Bindungen, wie z. B. Darlehen oder langfristige Mietverträge, erfüllen den Ausschlusstatbestand im Regelfall nicht, wenn die Vereinbarungen wie unter fremden Dritten ausgestaltet sind.[7]

 
Praxis-Beispiel

Wirtschaftsprüfer A ist Inhaber einer nachrangigen Anleihe des zu prüfenden Unt über 1 Mio. EUR. Die Anleihe nimmt bis zur Höhe des Nennbetrags an den etwaigen Verlusten des zu prüfenden Unt teil. Die Verzinsung der Anleihe ist vom Ergebnis des Unt abhängig.

Ergebnis

Wirtschaftsprüfer A ist als Abschlussprüfer des Unt ausgeschlossen, weil er durch die Höhe und die Ausgestaltung der von ihm gehaltenen nachrangigen Anleihe nicht nur unwesentliche sonstige finanzielle Eigeninteressen an dem zu prüfenden Unt besitzt.

[1] Vgl. Justenhoven/Nagel, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 319 HGB Rz 38.
[2] Vgl. ADS, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995–2001, § 319 HGB Rz 75.
[3] Vgl. ADS, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995–2001, § 319 HGB Rz 82.
[4] Vgl. ADS, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995–2001, § 319 HGB Rz 71.
[5] Vgl. Justenhoven/Nagel, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 319 HGB Rz 39.
[6] Vgl. Gelhausen, in Freidank, Reform der Rechnungslegung und Corporate Governance in Deutschland und Europa, 2001, S. 170.
[7] Vgl. Justenhoven/Nagel, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 319 HGB Rz 39.

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