Rz. 210

Gem. § 253 Abs. 3 HGB müssen auch die Anschaffungs- und Herstellungskosten (AHK) zeitlich begrenzt nutzbarer immaterieller VG des AV planmäßig über ihre voraussichtliche Nutzungsdauer abgeschrieben werden. Die Ermittlung des Nutzungszeitraums ist in solchen Fällen weitgehend unproblematisch, bei denen eine gesetzliche oder vertragliche Begrenzung zu beachten ist. Allerdings sollte diese zeitliche Begrenzung als Obergrenze angesehen werden. Da sich immaterielle Werte meist schnell verflüchtigen, aber auch wegen technischen Fortschritts oder wirtschaftlicher Überholung (z. B. bei Patenten), ist unter Vorsichtsaspekten u. U. jedoch die Anwendung einer kürzeren Nutzungsdauer sinnvoll bzw. geboten.[1]

Das DRSC spricht von der unternehmensindividuellen Nutzungsdauer, die anhand von rechtlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Faktoren zu bestimmen ist und deren Ermittlung z. B. anhand der folgenden Kriterien erfolgen kann (DRS 24.97, 24.98):

  • voraussichtliche Nutzung des VG durch das Unt unter Berücksichtigung der unternehmensindividuellen Gegebenheiten,
  • Produktlebenszyklus vergleichbarer und ähnlich genutzter immaterieller VG,
  • technische, technologische und andere Arten der Veralterung,
  • wirtschaftliche Stabilität der Branche, in der der immaterielle VG zum Einsatz kommt,
  • Abhängigkeit der Nutzungsdauer des immateriellen VG von der Nutzungsdauer anderer VG des Unt.

Auch wenn diese Kriterien helfen können, die betriebsindividuelle Nutzungsdauer von immateriellem AV zu bestimmen, wenn sie nicht offensichtlich gesetzlich oder vertraglich begrenzt ist, so hängt die Bestimmung der Nutzungsdauer dennoch, ähnlich wie bei einem GoF, oft stark von den Einschätzungen des Bilanzierenden ab (Rz 207). Zwar ist es im Vergleich zum GoF einfacher, die Nutzungsdauer eines einzelnen VG zu bestimmen, doch werden sich auch hier immer gute Gründe für oder gegen eine bestimmte Nutzungsdauer und sogar für oder gegen eine grds. Bestimmbarkeit der Nutzungsdauer finden lassen. Unter Vorsichtsaspekten ist aber grds. zumindest von einer begrenzten Nutzungsdauer von immateriellem AV auszugehen.[2]

 

Rz. 211

Sofern die Nutzungsdauer eines immateriellen VG nicht verlässlich geschätzt werden kann, wird gem. § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB (konkret für selbst geschaffene immaterielle VG des AV) eine planmäßige Abschreibung über einen Zeitraum von zehn Jahren gefordert. Als nicht verlässlich schätzbar wird die unternehmensindividuelle Nutzungsdauer angesehen, wenn die der Schätzung zugrunde liegenden Faktoren nicht plausibel, nachvollziehbar oder willkürfrei bestimmbar sind (DRS 24.100). Dies hält der Gesetzgeber gem. § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB analog zum GoF allerdings nur in Ausnahmefällen für gegeben.

Die Typisierung des Abschreibungszeitraumes auf zehn Jahre, wenn eine verlässliche Schätzung nicht möglich ist, ist u. E. nicht zu beanstanden. Die Gründe für die Dauer der Abschreibung über zehn Jahre sind analog zu denen beim GoF, sodass an dieser Stelle ein Verweis auf die Diskussion im Zusammenhang mit dem GoF in Rz 207 f. genügen kann.

Die praktischen Probleme bei der Ermittlung der betriebsindividuellen Nutzungsdauer von immateriellem AV lassen insgesamt erwarten, dass Unt unter Vereinfachungs- und Objektivierungsaspekten künftig verstärkt auf die Nutzungsdauer von zehn Jahren zurückgreifen werden.[3] Die Möglichkeit, prinzipiell auf eine Überprüfung der Nutzungsdauer zu verzichten, geht damit aber nicht einher.

Deutsche Unt machen von dem Aktivierungswahlrecht für selbst geschaffene immaterielle VG des AV gem. § 248 Abs. 2 HGB bisher allerdings nur verhalten Gebrauch. Daher ist die praktische Bedeutung dieser Regelung insgesamt wohl eher von untergeordneter Bedeutung.[4]

U. E. ist die Typisierung der Nutzungsdauer auf zehn Jahre bei einer fehlenden verlässlichen Schätzung jedoch auch für entgeltlich erworbenes immaterielles AV möglich, obwohl dies formal nur für selbst geschaffene immaterielle VG des AV in § 253 Abs. 3 HGB gesetzlich verankert ist.

 

Rz. 212

Eine planmäßige Abschreibung immaterieller VG des AV darf nicht erfolgen, wenn eine Nutzung zeitlich unbegrenzt ist.[5] Ebenso wie eine fehlende verlässliche Bestimmbarkeit der Nutzungsdauer ist lt. DRSC mit Verweis auf eine wirtschaftliche Veralterung auch dies nur ausnahmsweise der Fall (DRS 24.107).

Eine zeitlich unbegrenzte Nutzungsdauer bedeutet aber nicht auch gleichzeitig eine unendliche Nutzbarkeit eines immateriellen VG (DRS 24.109). Unter Vorsichtsaspekten sollte regelmäßig eine zeitliche Begrenzung für die Nutzbarkeit von immateriellen VG angenommen werden.[6]

 

Rz. 213

Um einen Abschreibungsplan für immaterielles AV erstellen zu können, ist neben der Frage nach der Nutzungsdauer die Frage, ab welchem Zeitpunkt mit der Abschreibung begonnen werden soll sowie welcher Entwertungsverlauf dem Abschreibungsplan zugrunde zu legen ist, von Bedeutung.

 

Rz. 214

Hinsichtlich des Zeitpunkts, ab dem mit der planmäßigen Abschreibung eines immateriellen VG des AV zu beginnen ist, gelten die allgemeinen Regelunge...

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