Rz. 50

Die Rechte aus § 320 HGB haben für den Abschlussprüfer zum Jahresabschluss und Konzernabschluss elementare Bedeutung, sodass deren Durchsetzung gegen die gesetzlichen Vertreter große praktische Bedeutung zukommt.

 

Rz. 51

§ 331 Nr. 4 HGB sieht zwar für eine Verletzung der Auskunftspflicht (unrichtige Angaben, unrichtige Wiedergabe oder Verschleierung) eine Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe vor. Mit dieser "Drohgebärde" von den gesetzlichen Vertretern verweigerte Auskunftsrechte durchzusetzen, ist für den Abschlussprüfer wohl nur im Ausnahmefall möglich. Dem Abschlussprüfer steht als wesentliches Element zur Durchsetzung der Auskunftsrechte die Einschränkung des Prüfungsurteils (im Extremfall auch die Erteilung eines Versagungsvermerks) zu. Verweigerte Auskunftserteilung oder die Weigerung, die Durchführung erforderlicher Prüfungshandlungen zu dulden, stellen Prüfungshemmnisse dar, die vom Abschlussprüfer zu würdigen sind und – bei Wesentlichkeit – zu einer Einschränkung des Prüfungsurteils oder Nichtabgabe eines Prüfungsurteils führen müssen.[1] Die Weigerung der gesetzlichen Vertreter zur Abgabe einer Vollständigkeitserklärung hat die Erteilung eines Versagungsvermerks zur Folge.[2]

Die Vollständigkeitserklärung kann im Übrigen notwendige Prüfungshandlungen des Abschlussprüfers nicht ersetzen. Weigern sich die gesetzlichen Vertreter, eine Vollständigkeitserklärung abzugeben, muss der Abschlussprüfer durch geeignete alternative Prüfungshandlungen versuchen, hinreichende Sicherheit zu erlangen. Erst wenn dies nicht gelingt, liegt ein Prüfungshemmnis vor.

 
Praxis-Beispiel

Im Jahresabschluss der prüfungspflichtigen GmbH & Co KG wird eine Beteiligung an einer französischen Ges. ausgewiesen, die vor zwei Jahren von der GmbH & Co. KG erworben wurde. Zur Beurteilung der Werthaltigkeit der unverändert zu AK bewerteten Beteiligung fordert der Abschlussprüfer von den gesetzlichen Vertretern der GmbH & Co. KG die Vorlage des letzten Jahresabschlusses nebst Prüfungsbericht des französischen Abschlussprüfers. Die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH verweigern die Vorlage dieser Unterlagen und sind auch nach mehrfachen (zuletzt auch schriftlich vorgetragenen) Nachfragen nicht bereit, dem Abschlussprüfer diese oder andere Informationen zu der Beteiligung zur Verfügung zu stellen. "Die Beteiligung haben wir vor gut zwei Jahren zu den in der Bilanz ausgewiesenen AK erworben und die ist sie auch heute noch wert" ist die lapidare Auskunft, die der Abschlussprüfer in der Schlussbesprechung erhält.

Da er auch durch alternative Prüfungshandlungen keine hinreichende Prüfungssicherheit hinsichtlich der Bewertung der Beteiligung erzielen kann, liegt ein Prüfungshemmnis vor, das – bei unterstellter Wesentlichkeit für den Jahresabschluss – zu einer Modifizierung (Einschränkung) des Prüfungsurteils führt.

 

Rz. 52

Der Abschlussprüfer hat zur Vermeidung des Vorliegens eines Prüfungshemmnisses alle ihm zumutbaren Möglichkeiten zur Erlangung hinreichender Sicherheit auszuschöpfen. So kann er den Aufsichtsrat auffordern, die gesetzlichen Vertreter nach § 90 Abs. 3 AktG zur Auskunftserteilung zu veranlassen.[3] Der Aufsichtsrat kann die Auskunftserteilung auch aus seinem eigenen Prüfungsrecht gem. § 111 Abs. 2 Satz 1 AktG fordern. Über § 52 GmbHG gelten diese Regelungen auch für einen fakultativen Aufsichtsrat mit Überwachungsfunktion bei einer GmbH.

 

Rz. 53

Soweit eine AG einen Abhängigkeitsbericht nach § 311 Abs. 1 AktG aufstellen und nach § 313 Abs. 1 AktG durch den Abschlussprüfer prüfen lassen muss, gibt § 407 Abs. 1 AktG die Möglichkeit der Festsetzung eines Zwangsgelds gegen den Vorstand, falls dieser den Auskunftspflichten für den Abhängigkeitsbericht (Rz 7) nicht nachkommt.

 

Rz. 54

Eine Kündigung des Prüfungsauftrags kann vom Abschlussprüfer nur aus einem wichtigen Grund erfolgen (§ 318 Abs. 6 HGB). Da § 322 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 5 HGB die Erteilung eines Versagungsvermerks aufgrund der Unmöglichkeit der Abgabe eines Prüfungsurteils vorsieht (§ 322 Rz 95) bzw. eine Einschränkung aufgrund eines Prüfungshemmnisses möglich ist,[4] wird ein solcher wichtiger Grund im Regelfall nicht gegeben sein (§ 318 Rz 81). Soweit das prüfungspflichtige Unt aber keinerlei Bereitschaft zur Mitwirkung zeigt, dem Abschlussprüfer sämtliche Auskunfts- und Prüfungsrechte verweigert und darüber hinaus Prüfungshandlungen behindert, Täuschungen vornimmt o. Ä., dürfte ein wichtiger Grund für eine Kündigung des Prüfungsauftrags nach § 318 Abs. 6 HGB gegeben sein.[5] Auch die fachlichen Regeln für die Durchführung von Abschlussprüfungen sehen in Fällen fehlender Vertrauensgrundlage und/oder Täuschung die Möglichkeit einer Kündigung nach § 318 Abs. 6 HGB vor.[6]

[1] Vgl. IDW PS 405.31/37 n. F.
[2] Vgl. IDW PS 303.27 n.F; a. A.: Justenhoven/Heinz, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 320 HGB Rz 28.
[3] Vgl. Baetge/Brembt/Dücker, in Küting/Weber, HdR-E, § 320 HGB Rn 53, Stand: 03/2022.
[4] Vgl. IDW PS 400.50 f.
[5] Vgl. Burg/Müller, in Kölner Kommentar zum H...

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