Rz. 93

§ 323 Abs. 2 HGB sieht eine Haftungsobergrenze für den Abschlussprüfer vor. Diese greift nur für fahrlässige Pflichtverletzungen, nicht bei Vorsatz (Rz 79) sowie durch die Änderungen des FISG[1] in bestimmten Fällen bei grober Fahrlässigkeit. Ist eine WPG/BPG als Abschlussprüfer bestellt und handelt einer ihrer Mitarbeiter bei einer Pflichtverletzung vorsätzlich, so hat sich dies die WPG/BPG auch grds. zuzurechnen lassen. Soweit die WPG/BPG selbst kein eigenes Verschulden trifft, wäre es unbillig, sie für den Vorsatz des Mitarbeiters unbeschränkt haften zu lassen, sodass für die WPG/BPG die Haftungsbeschränkung zur Anwendung kommt. Für den vorsätzlich handelnden Mitarbeiter gilt dies nicht, er haftet unbeschränkt.[2] Handelt allerdings ein gesetzlicher Vertreter einer WPG/BPG vorsätzlich, haftet die WPG/BPG ohne Haftungsbegrenzung.[3]

 

Rz. 94

Die Haftungsobergrenze betrug nach der früheren Fassung von Abs. 2 für

  • Abschlussprüfungen von AG/KGaA/SE, deren Aktien zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind: 4 Mio. EUR,
  • alle übrigen gesetzlichen Abschlussprüfungen 1 Mio. EUR.

Zu beachten ist hierbei die Übergangsregelung des Art. 86 Abs. 1 EGHGB, wonach § 323 Abs. 2 in der bis einschl. 30.6.2021 geltenden Fassung letztmals anzuwenden war auf alle gesetzliche vorgeschriebenen Abschlussprüfungen für das vor dem 1.1.2022 beginnende Gj. Bei kalendergleichem Gj sind die vorgenannten Haftungshöchstsummen demnach letztmals für gesetzliche Abschlussprüfungen für das zum 31.12.2021 endende Gj anzuwenden. Bei abweichendem Gj oder Rumpfgeschäftsjahr entsprechend länger, soweit diese vor dem 1.1.2022 begonnen haben.

 

Rz. 95

Mit der Neufassung von Abs. 2 gelten nunmehr folgende Haftungshöchstgrenzen:

  • Kapitalgesellschaften, die ein Unt von öffentlichem Interesse i. S. v. § 316a Satz 2 Nr. 1 sind: 16 Mio. EUR,
  • Kapitalgesellschaften, die ein Unt von öffentlichem Interesse nach § 316a Satz 2 Nr. 2 oder 3, aber nicht nach Nr. 1 sind[4]: 4 Mio. EUR,
  • Kapitalgesellschaften, die nicht zu den vorgenannten zwei Kategorien gehören: 1,5 Mio. EUR.
 

Rz. 96

Weiterhin wurden für Pflichtverletzungen des Abschlussprüfers im Bereich der groben Fahrlässigkeit folgende Haftungsbeschränkungen durch das FISG kodifiziert:

  • Für Abschlussprüfer von Kapitalgesellschaften, die ein Unt von öffentlichem Interesse i. S. v. § 316a Satz 2 Nr. 1 sind, besteht in diesen Fällen keine Haftungsbgerenzung (wie schon bei Vorsatz),
  • Abschlussprüfer von Kapitalgesellschaften, die ein Unt von öffentlichem Interesse nach § 316a Satz 2 Nr. 2 oder 3, aber nicht nach Nr. 1 sind: 32 Mio. EUR,
  • Abschlussprüfer von Kapitalgesellschaften, die nicht zu den vorgenannten zwei Kategorien gehören: 12 Mio. EUR.

Der Abgrenzung zwischen Fahrlässigkeit und grober Fahrlässigkeit kommt somit zukünftig hohe Brisanz zu. Der Gesetzgeber greift ausweislich der Gesetzesbegründung auf die BGH-Rechtsprechung aus 1992 zurück, wonach grobe Fahrlässigkeit dann gegeben ist, wenn die verkehrsübliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße außer Acht gelassen und das nicht beachtet wurde, was sich im gegebenen Fall jedem aufgedrängt hätte.[5] Es darf hierzu in Zukunft neue Rechtsprechung zu erwarten sein.

 

Rz. 97

Die Anhebung der Haftungshöchstsummen ist im Gesetzgebungsverfahren kontrovers diskutiert worden. Der Gesetzgeber begründet die Erhöhung der Haftungshöchstsummen für die Unt, die keine Unt im öffentlichen Interesse sind, damit, dass die Haftungshöchstsummen seit 1998 unverändert und im internationalen Vergleich niedrig sind. Die Anhebung bei den Unt von öffentlichem Interesse wird vom Gesetzgeber damit begründet, dass hier ein weitaus größerer Adressatenkreis auf eine sorgfältige Prüfung des Adressatenkreises vertraut.[6] Demgegenüber hat der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer gegen die Erhöhung Bedenken vorgetragen, wonach diese Regelungen zu einer weiteren Verschärfung der Konzentration im Prüfungsmarkt führen wird und zudem Abschlussprüfer Probleme bekommen werden, adäquaten Versicherungsschutz von ihren Berufshaftpflichtversicherern zu erhalten.[7] Die weitere Entwicklung hierzu wird abzuwarten sein.

 

Rz. 98

Unter reguliertem Markt sind von der EU regulierte Börsensegmente i. S. v. § 32 BörsG zu verstehen. In Deutschland rechnen hierzu der Amtliche Markt und der Geregelte Markt. Innerhalb des regulierten Markts bestehen unterschiedliche Transparenzlevel, die sich insb. hinsichtlich der Publizitätsanforderungen unterscheiden (z. B. bei der Frankfurter Wertpapierbörse General Standard und Prime Standard).

 

Rz. 99

Nicht regulierter Markt liegt vor, wenn sich die Regulierung nicht nach EU-Recht (in Deutschland BörsG), sondern ausschl. nach von den jeweiligen Börsen vorgegebenen Regelungen richtet. In Deutschland ist dies der Freiverkehr (z. B. Frankfurter Wertpapierbörse: Scale-Standard, Börse München: M:access).

 

Rz. 100

Maßgebender Beurteilungszeitpunkt, welche der beiden Höchstgrenzen zur Anwendung kommt, ist der Zeitpunkt der Beendigung der Abschlussprüfung.[8]

 
Praxis-Beispiel

Die AG hat die Zulas...

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