3.3.1 Herstellungskostenuntergrenze und -obergrenze

 

Rz. 103

§ 255 Abs. 23 HGB listet die Bestandteile der HK abschließend auf. Aus der Unterteilung in aktivierungspflichtige, wahlweise aktivierbare und aktivierungsverbotene Ausgaben resultieren eine handelsrechtliche HK-Untergrenze sowie eine HK-Obergrenze.

Aktivierungspflichtig und somit als HK-Untergrenze anzusehen sind gem. § 255 Abs. 2 Satz 2 HGB die Materialkosten, die Fertigungskosten und die Sonderkosten der Fertigung sowie angemessene Teile der Materialgemeinkosten, der Fertigungsgemeinkosten und des Werteverzehrs des Anlagevermögens, soweit dieser durch die Fertigung veranlasst ist.

 

Rz. 104

Ein Aktivierungswahlrecht besteht nach § 255 Abs. 2 Satz 3 HGB für angemessene Teile der Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie angemessene Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung, soweit diese auf den Zeitraum der Herstellung entfallen. § 255 Abs. 3 HGB sieht zudem ein Aktivierungswahlrecht für Fremdkapitalzinsen vor, die auf den Zeitraum der Herstellung entfallen. Sie gelten aber nur dann als HK des VG, wenn das Fremdkapital allein zur Finanzierung der Herstellung eines VG verwendet wird (Rz 199 ff.).

 

Rz. 105

Explizit von der Aktivierung ausgenommen sind gem. § 255 Abs. 2 Satz 4 HGB Forschungs- und Vertriebskosten und nach § 255 Abs. 3 Satz 1 HGB zunächst grds. Zinsen für Fremdkapital – für bestimmte Fremdkapitalzinsen schaltet § 255 Abs. 3 Satz 2 HGB jedoch ein Wahlrecht nach. Die Aktivierungsverbote deckeln die HK. Die HK-Obergrenze ergibt sich somit aus der Summe der Aktivierungspflichten und den voll ausgeschöpften Aktivierungswahlrechten. Tabelle 1 sind die handelsrechtlichen, steuerrechtlichen und internationalen Aktivierungspflichten, -wahlrechte und -verbote zu entnehmen:

 
  HGB* IFRS* EStG/EStR
Materialeinzelkosten Pflicht Pflicht Pflicht
Fertigungseinzelkosten Pflicht Pflicht Pflicht
Sondereinzelkosten der Fertigung Pflicht Pflicht Pflicht
Materialgemeinkosten**** Pflicht Pflicht Pflicht
Fertigungsgemeinkosten**** Pflicht Pflicht Pflicht
Werteverzehr des Anlagevermögens Pflicht Pflicht Pflicht
Aufwendungen***** für:      
soziale Einrichtungen des Betriebs Wahlrecht Pflicht*** Wahlrecht
freiwillige soziale Leistungen Wahlrecht Pflicht*** Wahlrecht
die betriebliche Altersversorgung Wahlrecht Pflicht*** Wahlrecht
Allgemeine Verwaltungskosten***** Wahlrecht Verbot Wahlrecht
Herstellungsbezogene Fremdkapitalzinsen Wahlrecht Pflicht** Wahlrecht
Vertriebskosten Verbot Verbot Verbot
Forschungskosten Verbot Verbot Verbot

* (Ggf.) inkl. Entwicklungskosten, sofern Kriterien erfüllt.

** Für "qualifying assets" sonst Verbot.

*** Zur anteiligen Aktivierung der herstellungsbezogenen Aufwendungen, sonst/Rest Verbot.

**** (Ggf.) nur angemessene Teile.

***** (Ggf.) nur angemessene Teile und sofern diese auf den Zeitraum der Herstellung entfallen.

Tab. 1: Herstellungskosten nach Handels- und Steuerrecht sowie nach IFRS

Waren allgemeine Verwaltungskosten sowie Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, freiwillige soziale Leistungen und die betriebliche Altersversorgung bis zur Einführung des BilMoG auch nach Steuerrecht eindeutig als Wahlrechte ausgestaltet und galt dies im Grunde auch nach BilMoG (nach R 6.3 Abs. 4 EStR 2008 bestand die Möglichkeit zur Übernahme der verbliebenen handelsrechtlichen Wahlrechtsbestandteile in die Steuerbilanz), bestand nach Auffassung des BMF v. 12.3.2010 für die handelsrechtlichen Wahlrechte des § 255 Abs. 2 Satz 3 HGB (zwischenzeitlich) eine Ansatzpflicht. Das BMF begründete dies damit, dass bei der steuerlichen Gewinnermittlung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG die HK anzusetzen seien und zu diesen alle Aufwendungen, die ihrer Art nach HK sind,[1] gehörten. Wegen des Bewertungsvorbehalts in § 5 Abs. 6 EStG griffe hier die handelsrechtliche Regelung trotz Maßgeblichkeitsprinzip nicht.[2] Dies wurde dann auch explizit in R 6.3 Abs. 1 EStÄR 2012 aufgenommen. Allerdings war infolge eines BMF-Schreibens v. 25.3.2013[3] bis zur Verifizierung der damit einhergehenden Bürokratiekosten, spätestens aber bis zu einer Neufassung der Einkommensteuer-Richtlinien, weiterhin das aus R 6.3 Abs. 4 EStR 2008 abgeleitete Wahlrecht bei der HK-Ermittlung anwendbar.

Durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens (StModG)[4] wurde die – durch das BMF-Schreiben vom 25.3.2013 ohnehin vorübergehend neutralisierte – verpflichtende Anhebung der steuerlichen HK-Untergrenze nivelliert und durch ein mit der Handelsbilanz gleichlaufendes steuerliches Aktivierungswahlrecht für den Nicht-Einbezug handelsrechtlicher Wahlbestandteile in die steuerliche HK-Ermittlung ersetzt.[5] Konkret wurde nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG eine Nr. 1b eingefügt, die regelt, dass die angemessenen Teile der Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie die angemessenen Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung i. S. d. § 255 Abs. 2 Satz 3 HGB nicht in die HK e...

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