Rz. 43

Neben dieser engen wörtlichen Auslegung des § 271 Abs. 2 HGB a. F. gibt es auch Vertreter, die von einer weiten Auslegung der Bestimmung ausgehen.[1] Unter Rückgriff auf die Intention der 7. EG-RL gehen sie davon aus, dass zum Kreis der verbundenen Unt sämtliche Unt zu rechnen sind, die als MU oder TU in einen Konzernabschluss auf dem Wege der VollKons einezogen werden könnten.

Die Unt, die mit einem Unt, das eines der beiden o. g. Kriterien erfüllt, verbunden sind, sind auch im Verhältnis zueinander verbundene Unt.

 

Rz. 44

Die weite Auslegung des Begriffs "verbundenes Unt" kommt dem Primat einer einheitlichen Begriffsverwendung deutlich näher, weil die unterschiedliche Beurteilung individueller Konzernkonstellation weniger Bedeutung hat. Wird das Oberziel darin gesehen, dass ähnliche Konzernstrukturen auch zu einer vergleichbaren Rechenschaftslegung führen, so ist das nur mit einem weiten Auslegungsverständnis zu realisieren. Befürworter dieser Auslegungsvariante argumentieren u. a. damit, dass es im Zuge der weiter steigenden Internationalisierung des Wirtschaftsgeschehens für die Berichterstattung unerheblich sein muss, ob die übergeordnete Muttergesellschaft ihren Sitz im In- oder Ausland hat. Da die Notwendigkeit einer weitergehenden Differenzierung ihren Ausgangspunkt in einer möglichst transparenten Information der Jahresabschlussadressaten hat und Geschäfte zu marktfernen Konditionen sowohl zwischen inländischen als auch zwischen in- und ausländischen Ges. geschlossen werden können, darf eine Rechenschaftslegung unter dem Primat der Transparenz diesbzgl. keinen Restriktionen unterliegen.[2]

 

Rz. 45

 
Praxis-Beispiel

KonzernUnt, die nach dem Wortlaut des § 271 Abs. 2 HGB a. F. nicht zum Kreis der verbundenen Unt gehören, weil es entweder an der Notwendigkeit ihrer Einbeziehung in einen HGB-Abschluss fehlt oder weil die befreiende Wirkung ihrer Einbeziehung fehlt, liegen u. a. bei folgenden Konstellationen vor:

  • Ein oder mehrere TU, die selbst wiederum keine TU haben, werden von einem ausländischen MU beherrscht.
  • Die Einbeziehung in einen Konzernabschluss erfolgt nach dem PublG.
  • Die Minderheitsgesellschafter machen von ihrem Recht nach § 291 Abs. 3 HGB Gebrauch und verweigern die Befreiung.

Kritiker der engen Auslegung des § 271 Abs. 2 HGB sehen zudem einen Widerspruch zum Begriff der Verbundenheit i. S. v. Art. 41 der 7. EG-RL. Danach geht die Verknüpfung zwischen der Verbundenheit und der Konzernaufstellungspflicht fehl. Vielmehr stellt der Begriff auf die Existenz einer Beherrschungsmöglichkeit ab.[3] Zumindest für den Bereich der Rechnungslegung (und damit nicht zwangsläufig auch im Anwendungsbereich der §§ 319 und 323 HGB) hat sich das weite Begriffsverständnis in Bezug auf die Verbundenheit mittlerweile durchgesetzt.[4]

[1] Vgl. Kropf, DB 1986, S. 364 ff.; Ulmer, in Havermann, Bilanz- und Konzernrecht: Festschrift zum 65. Geburtstag von Dr. Dr. h.c. Reinhard Goerdeler, 1987, S. 633.
[2] Vgl. Keitz von, in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 271 HGB Rz 66, Stand: 5/2023.
[3] Vgl. Wohlgemuth, DStR 1991, S. 1529; Kropf, DB 1986, S. 364.
[4] Vgl. Grottel/Krehler, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 271 HGB Rz 35.

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