Rz. 93

Die Bestimmung des Mengengerüsts des erworbenen Reinvermögens eines TU und dessen Bewertung sind in der Konsolidierungspraxis regelmäßig mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden. Um insb. bei einer zeitnah zum Konzernbilanzstichtag getätigten Akquisition eines TU die zeitliche Dimension der Ermittlungsprobleme zu reduzieren, stellt § 301 Abs. 2 Satz 2 HGB dem Bilanzierenden ein Zeitfenster von einem Jahr zur Verfügung, innerhalb dessen die Zugangswerte des übernommenen Reinvermögens endgültig zu ermitteln sind.

 

Rz. 94

Somit beginnt einerseits die Jahresfrist im Zugangszeitpunkt des erworbenen Reinvermögens zu laufen. Andererseits ist die Anpassung des vorläufig ermittelten Werts nicht als Möglichkeit aufzufassen – sie ist pflichtgemäß vorzunehmen (DRS 23.77).[1] Der in § 301 Abs. 2 Satz 2 HGB verwendete Begriff der endgültigen Wertansätze ist so zu interpretieren, dass ein Wertansatz als endgültig anzusehen ist, wenn er den Ansprüchen einer normalen Abschlusserstellung genügt.

 

Rz. 95

Innerhalb des Jahresfensters vorgenommene Änderungen an den Zugangswerten des übernommenen Reinvermögens sind – dem Postulat der Erfolgsneutralität von Anschaffungsvorgängen folgend – erfolgsneutral unter Anpassung des GoF bzw. des Unterschiedsbetrags aus der KapKons sowie etwaiger latenter Steuerpositionen zu erfassen. Eine vergleichbare Regelung findet sich mit IFRS 3.62 in der internationalen und mit SFAS 141.F1 in der US-amerikanischen Rechnungslegung.

Erfolgt die Anpassung erst in dem auf den Erwerb folgenden Konzernabschluss, sind die Anpassungsbeträge bis zum Beginn dieses Konzern-Gj nach DRS 23.78 fortzuschreiben und als Korrektur der Eröffnungsbilanzwerte zu berücksichtigen (retrospektive Korrektur). Ergebnisdifferenzen aus der Fortschreibung der Anpassungsbeträge sind erfolgsneutral gegen den (Konzern-)Ergebnisvortrag zu erfassen. Sind an dem TU andere Gesellschafter beteiligt, ist der anteilig auf sie entfallende Ergebniseffekt aus der Fortschreibung der Anpassungsbeträge unmittelbar gegen den Ausgleichsposten gem. § 307 Abs. 1 HGB zu erfassen.

 

Rz. 96

Ziel der Regelung ist es, die Wertverhältnisse des Zeitpunkts transparent zu machen, zu dem das Unt TU geworden ist. Das Tatsachengerüst dieses Zeitpunkts ist maßgeblich. Es darf nicht durch zeitlich nachgelagerte Vorgänge verändert werden.

 
Praxis-Beispiel

Sachverhalt

Die B-AG erwirbt am 30.12.01 ein TU, zu dessen Reinvermögen ein Fertigungsverfahren zählt, mit dem es am Markt erfolgreich agiert. Das TU ist erstmalig in den zum 31.12.01 zu erstellenden Konzernabschluss der B-AG einzubeziehen. Im August 02 tritt ein Wettbewerber mit einem völlig neuen Fertigungsverfahren an den Markt, welches das Produktionsverfahren des erworbenen TU nahezu wertlos werden lässt.

Beurteilung

Für die auf den 30.12.01 vorzunehmende Kapitalaufrechnung ist das Fertigungsverfahren mit seinem beizulegenden Zeitwert anzusetzen. Für die Beschaffung der notwendigen Bewertungsinformationen und die Ermittlung des endgültigen beizulegenden Zeitwerts besteht ein Zeitfenster bis Ende 02. Bei dieser Ermittlung muss die Tatsache, dass ein KonkurrenzUnt Mitte 02 mit einem revolutionären Fertigungsverfahren an den Markt getreten ist, außen vor bleiben. Aus der Perspektive August 02 ist das Fertigungsverfahren des erworbenen TU zwar wertlos, nicht aber aus der des Erwerbszeitpunkts. Auch wenn es dem Willen der Bilanzierungspraxis manchmal zuwiderläuft: Der Wertverlust ist Teil des Konzernergebnisses der Periode 02, er darf nicht in der ErstKons "versteckt" werden.

 

Rz. 97

Die Unterscheidung zwischen werterhellenden und wertbegründenden Ursachen, die bei einem gesetzeskonformen Umgang mit dem Wertaufhellungszeitraum in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB vorzunehmen ist, muss auch für die Wertfindung i. R. d. konzernbilanziellen Zugangsbewertung beachtet werden. § 301 Abs. 2 Satz 2 HGB definiert in diesem Sinne einen verlängerten Wertaufhellungszeitraum. Die hieraus entstehenden praktischen Probleme sind nicht zu unterschätzen. Nicht umsonst hat der BFH im Hinblick auf die Ausdehnung des Wertaufhellungszeitraums auf "die kaum noch kontrollierbare Gefahr (hingewiesen, d. Verf.), dass einerseits im Verhältnis zu zeitgerechter Bilanzaufstellung nicht mehr maßgebliche spätere Umstände berücksichtigt, dass andererseits Umstände, die den Wert am Bilanzstichtag erhellen, mit solchen, die eine spätere Wertveränderung anzeigen, unzulässiger Weise vermischt werden."[2]

 
Praxis-Beispiel

Sachverhalt

Die B-AG erwirbt am 15.9.01 ein TU. Dieses hat im Erwerbszeitpunkt eine im August 02 fällige Forderung aus einer Leistungsbeziehung ggü. der D-GmbH. Im Dezember 01 entsteht eine weitere, ebenfalls im August 02 fällige Forderung ggü. der D-GmbH. Am (Konzern-)Bilanzstichtag liegen dem TU keine Hinweise auf eine Wertminderung der Forderungen vor. In Variante (a) eröffnet die D-GmbH im Februar 02, in Variante (b) im Mai 02 ein Insolvenzverfahren. Der beizulegende Wert beider Forderungen sei daraufhin annahmegemäß null. Die B-AG beendet den...

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