Rz. 35

Liegen sowohl die Voraussetzungen des § 271 Abs. 1 HGB als auch die Voraussetzungen des § 271 Abs. 2 HGB vor, so kann die Bestimmung des Abs. 2 als lex specialis angesehen werden und ist insoweit vorrangig.[1] Vor dem BilMoG setzte faktisch die Forderung in § 290 Abs. 1 HGB a. F. nach einer einheitlichen Leitung ohnehin die Existenz einer Beteiligung voraus. Inzwischen entfällt die Normenkonkurrenz zwischen § 271 Abs. 1 und Abs. 2 HGB.

Die in § 271 Abs. 2 HGB genannte Form der Unternehmensverbindung geht hinsichtlich der Verbindungsintensität über das Beteiligungsverständnis des § 271 Abs. 1 HGB hinaus und ist durch nachfolgende Merkmale gekennzeichnet:

  • Erfüllung der Voraussetzungen eines MU oder TU,
  • Möglichkeit der Einbeziehung in den Konzernabschluss eines MU nach den Vorschriften über die VollKons (entfällt für Gj, die nach dem 31.12.2023 beginnen),
  • die Ausnutzung von Konsolidierungswahlrechten gem. § 296 HGB ist für die Einordnung unschädlich (entfällt für Gj, die nach dem 31.12.2023 beginnen),
  • Existenz einer Konzernabschluss-Aufstellungspflicht unabhängig von einer evtl. Befreiung (entfällt für Gj, die nach dem 31.12.2023 beginnen).
 

Rz. 36

Der Normzweck des § 271 Abs. 2 HGB erklärt sich wie auch der des § 271 Abs. 1 HGB aus den gestiegenen Informationsbedürfnissen der Jahresabschlussadressaten bei derartigen Unternehmensverbindungen. Die beteiligten Unt sind nicht mehr als wirtschaftlich unabhängig anzusehen. Die Ausgestaltung vereinbarter Konditionen zwischen solchen Unt kann z. T. erheblich von den üblichen Marktpreisen abweichen. Ein besonderes Augenmerk muss auch auf die Bonität der Forderungen gelegt werden. Nicht zuletzt ist auch eine Verlagerung von Gewinnen und Verlusten zwischen verbundenen Unt denkbar.[2] Auch wenn der gesonderte Ausweis derartiger Problempositionen an den grundsätzlichen Sachverhalten nichts ändern kann, so wird durch den gesonderten Ausweis zumindest die Möglichkeit geschaffen, einzelne mögliche Problempositionen im Jahresabschluss sichtbar zu machen. Das Bilanzgliederungsschema des § 266 HGB sieht z. B. bei Anteilen und Ausleihungen des FAV (§ 266 Abs. 2 A. III. 1. und A. III. 2. HGB), bei Anteilen und Forderungen des UVs (§ 266 Abs. 2 B. II. 2. und B. III. 1. HGB), bei Verbindlichkeiten (§ 266 Abs. 3 C. 6. HGB) sowie auch bei Haftungsverhältnissen (§ 268 Abs. 7 HGB) jeweils gesonderte Ausweise vor. Gleiches gilt auch für bestimmte Erfolge (§ 275 Abs. 2 Nr. 9–11 und Nr. 13 HGB und § 275 Abs. 3 Nr. 8–10 und Nr. 12 HGB) in der GuV.[3]

Entsprechende Bestimmungen gelten auch für den Anhang. So fordert § 285 Nr. 3a HGB, dass bei der Angabe sonstiger finanzieller Verpflichtungen ein gesonderter Hinweis auf die Höhe derartiger Verpflichtungen ggü. verbundenen Unt erfolgen muss. Zudem bestehen konkrete Pflichten zu Angaben zu nahe stehenden Personen (§ 285 Rz 129 ff.).

[1] Vgl. Grottel/Kreher, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 271 HGB Rz 7.
[2] Vgl. Kropf, DB 1986, S. 364.
[3] Vgl. Reiner, in MünchKomm. HGB, 4. Aufl. 2020, § 271 HGB Rn 22.

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