Rz. 34

Die Verhältnisse sind dann unrichtig wiedergegeben, wenn die Darstellung mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt.[1] Maßgeblich sind also objektive Faktoren und nicht die subjektive Vorstellung des Handelnden. Der Inhalt der Darstellung ist nach dem Empfängerhorizont auszulegen. Entscheidend ist dabei das Verständnis eines bilanzkundigen Lesers.[2]

 

Rz. 35

 
Praxis-Beispiel

Klassische Beispiele für eine unrichtige Darstellung sind die Aktivierung nicht existenter oder der Ges. nicht (mehr) gehörender VG des AV, die Überbewertung von Forderungen oder Warenbeständen, das Verschweigen von Verbindlichkeiten, die Manipulation von Warenbeständen oder des AV.

 

Rz. 36

Die Darstellung beschränkt sich dabei nicht nur auf unwahre Tatsachen, sondern erfasst auch (eventuell auf richtigen Tatsachen beruhende) Schlussfolgerungen, wie Bewertungen, Schätzungen und Prognosen.[3]

Unrichtige Schlussfolgerungen können daher sowohl auf falschen Tatsachen beruhen oder aber auch korrekte Tatsachen mit einer falschen Bewertung oder Beurteilung versehen. Maßstab bei solch unrichtigen Bewertungen und Beurteilungen sind dabei die Vorschriften des Bilanzrechts, die GoB und das Gebot, die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der KapG richtig auszuweisen.[4] Diese Bewertungsvorschriften geben ihrerseits auch wiederum Ermessensspielräume und Gestaltungsmöglichkeiten für den Bilanzierenden. Allerdings werden diese Spielräume durch Grenzwerte sowohl nach oben als auch nach unten begrenzt. Diese Grenzwerte sind Ergebnis von bestimmten, allgemein anerkannten Erfahrungssätzen. Werden diese Grenzwerte über- bzw. unterschritten, ist der Bilanzansatz unrichtig.

 

Rz. 37

Eine Schlussfolgerung ist demnach objektiv unrichtig, wenn sie nach einheitlicher Meinung der Fachleute schlechthin unvertretbar ist.[5] Bei der Ausübung von Bewertungs- und Beurteilungsspielräumen ist eine unrichtige Wiedergabe nicht gegeben, wenn sich der Bilanzierende auf eine wissenschaftliche Mindermeinung beruft. In Betracht kommt in einem solchen Fall jedoch die Tatbestandsalternative des Verschleierns durch Unterlassen eines klarstellenden Hinweises.

 

Rz. 38

Unrichtige Angaben i. S. d. § 331 Abs. 1 Nr. 1 HGB liegen auch dann vor, wenn es sich um freiwillige Angaben handelt.[6]

 

Rz. 39

Besteht eine besondere Rechtspflicht zum Handeln, ist eine unrichtige Wiedergabe auch durch Unterlassen (§ 13 Abs. 1 StGB) möglich. Dies kommt in Betracht, wenn das materielle Bilanzrecht die Vollständigkeit der Darstellung wie in den §§ 246 Abs. 1, 284, 285, 300 Abs. 2 HGB vorschreibt oder wenn eine Angabe als falsch erkannt und ihre Richtigstellung unterlassen wird.

 

Rz. 40

Unerheblich ist, ob die unrichtige Wiedergabe ein zu günstiges oder zu pessimistisches Bild der Gesellschaft vermittelt.[7]

[1] Vgl. Dannecker, in Staub, Großkommentar Handelsgesetzbuch, 5. Aufl. 2012, Band 7/2, § 331 HGB Rn 40; Klinger, in MünchKomm. HGB, 4. Aufl. 2020, § 331 HGB Rn 42; Tschesche, in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 331 HGB Rz 28, Stand: 6/2018; Grottel/Hoffmann, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 331 HGB Rz 11; Spatscheck/Wulf, DStR 2003, S. 173.
[2] Vgl. RGSt 68, 349; Dannecker, in Staub, Großkommentar Handelsgesetzbuch, 5. Aufl. 2012, Band 7/2, § 331 HGB Rn 40.
[3] Vgl. Dannecker, in Staub, Großkommentar Handelsgesetzbuch, 5. Aufl. 2012, Band 7/2, § 331 HGB Rn 40; Klinger, in MünchKomm. HGB, 4. Aufl. 2020, § 331 HGB Rn 49; Grottel/Hoffmann, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 331 HGB Rz 11.
[4] Vgl. Dannecker, in Staub, Großkommentar Handelsgesetzbuch, 5. Aufl. 2012, Band 7/2, § 331 HGB Rn 41.
[5] Vgl. Eisolt, StuB 2010, 533, 536; Klinger, in MünchKomm. HGB, 4. Aufl. 2020, § 331 HGB Rn 43; Dannecker, in Staub, Großkommentar Handelsgesetzbuch, 5. Aufl. 2012, Band 7/2, § 331 HGB Rn 42; LG Düsseldorf, Urteil v. 4.8.2009 (– 7 0274/09); KG Berlin, wistra 2010, 235.
[6] Vgl. Dannecker, in Staub, Großkommentar Handelsgesetzbuch, 5. Aufl. 2012, Band 7/2, § 331 HGB Rn 44.
[7] Vgl. Grottel/Hoffmann, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 331 HGB Rz 12, 13; Klinger, in MünchKomm. HGB, 4. Aufl. 2020, § 331 HGB Rn 47.

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