Rz. 45

Gemäß der Richtlinie 2013/34/EU[1] werden Nettoumsatzerlöse als die Beträge definiert, "die sich aus dem Verkauf von Produkten und der Erbringung von Dienstleistungen nach Abzug von Erlösschmälerungen und der Mehrwertsteuer sowie sonstigen direkt mit dem Umsatz verbundenen Steuern ergeben" (Art. 2 Nr. 5). Der Dienstleistungsbegriff der EU-Richtlinie wird dabei so ausgelegt, dass dieser auch die Vermietung und Verpachtung von Gegenständen umfasst. Daraus ergibt sich die Umsatzerlösdefinition des HGB, nach welcher Umsatzerlöse als die Erlöse aus dem Verkauf und der Vermietung oder Verpachtung von Produkten sowie aus der Erbringung von Dienstleistungen der KapG nach Abzug von Erlösschmälerungen und der Umsatzsteuer sowie sonstiger direkt mit dem Umsatz verbundener Steuern bestimmt werden (§ 277 Abs. 1 HGB). Diese Umsatzerlösdefinition setzt aufgrund ihres Bezuges zum Begriff "Dienstleistung" das Vorliegen eines Leistungsaustausches zwischen dem Bilanzierenden und einer Gegenpartei voraus.[2] Der mit dem Dienstleistungsbegriff verbundene Leistungsaustausch setzt dabei eine Tätigkeit voraus. Ein bloßes Unterlassen einer Aktivität gegen Entgelt kann keinen Leistungsaustausch begründen.[3]

 

Rz. 46

Durch diese Definition der "Umsatzerlöse" entfallen im Vergleich zur vor Inkrafttreten der Neuregelung geltenden Vorschrift (§ 277 Abs. 1 HGB a. F.) die expliziten Voraussetzungen, dass es sich um Erlöse aus dem Verkauf oder der Vermietung und Verpachtung von für die gewöhnliche Geschäftstätigkeit der KapG typischen Erzeugnissen und Waren sowie der Erbringung von für die gewöhnliche Geschäftstätigkeit der Ges. typischen Dienstleistungen handeln muss. Die ehemals geltende Praxis, dass die Ertragsklassifizierung und der daran anknüpfende Umsatzausweis in enger Abhängigkeit der Branchenzugehörigkeit (z. B. Handel, produzierendes Gewerbe, Dienstleistungen) vorgenommen werden musste, ist somit entfallen.

 

Rz. 47

Im Referentenentwurf des BilRUG wurde die Neuregelung der Umsatzerlösdefinition mit einer damit erwarteten Abmilderung der bisher ("angeblich") zu beobachtenden Probleme hinsichtlich der Festlegung der jeweiligen Kriterien der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit und damit letztlich mit den Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Umsatzerlösen und sonstigen betrieblichen Erträgen begründet.[4] Im Regierungsentwurf des BilRUG ist dieser Verweis jedoch nicht mehr enthalten. Stattdessen findet sich dort der Hinweis, dass die Ausweitung des Begriffs "Umsatzerlöse" mit der Aufhebung der Regelung der außerordentlichen Erträge und außerordentlichen Aufwendungen als gesonderte GuV-Positionen einhergeht.[5] Nach dem Wortlaut der Vierten Bilanzrichtlinie wurden außerordentliche Erträge und Aufwendungen als Erträge und Aufwendungen definiert, die außerhalb der normalen Geschäftstätigkeit der Ges. anfallen.[6] Die ggü. dem Referentenentwurf veränderte Argumentationslinie des Gesetzgebers ist insb. im Hinblick auf die Frage, welche Sachverhalte nunmehr als Umsatzerlöse auszuweisen sind, von erheblicher Bedeutung. Dies gilt zumindest soweit die Streichung dieser ursprünglichen Passage als ein Beleg für die unzureichende Bestandskraft dieser Argumentation gewertet werden kann, wonach in Konsequenz allein die letzte (aktuelle) Argumentation Gültigkeit besäße.

Aufgrund der Argumentation des Referentenentwurfs wurde vom Schrifttum – unter Anmerkung deutlicher Kritik – einhellig die Meinung vertreten, sämtliche Erlöse aus dem Verkauf von Waren und Dienstleistungen seien nach der Änderung als Umsatzerlöse auszuweisen.[7]

Dabei wurde insb. auf die Erlöse aus Kantinen verwiesen, die demnach infolge zwingend als Umsatzerlöse auszuweisen seien.[8] Hinsichtlich dieses Meinungsstandes hat sich auch nach Inkrafttreten der endgültigen Paragrafenfassung nichts geändert. Allerdings schien es bereits bei Zugrundelegung der Argumentation des Referentenentwurfs zumindest hinsichtlich der vom Schrifttum angenommenen Eindeutigkeit fraglich, ob es sich bspw. bei Erlösen aus der Kantinenerwirtschaftung tatsächlich um Erlöse aus dem Verkauf von Produkten bzw. Dienstleistungen in dem von der EU-Richtlinie intendierten Sinne handelt.

Die an den Regierungsentwurf anknüpfende Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Neudefinition der Umsatzerlöse nicht zwingend mit einem grundlegend neuen Begriffsverständnis einhergehen muss. Vielmehr legen die dortigen Ausführungen nahe, dass es sich eher um eine Unachtsamkeit der Formulierungswahl auf der Ebene der EU-Richtlinie handelt.[9]

Eine offizielle Beibehaltung der alten Definition zum Änderungszeitpunkt wird vom Ausschuss letztlich ausschl. mit dem Verweis, dass ein solches Vorgehen aktuell nicht mit der EU-Richtlinie im Einklang stünde und Sanktionsgefahren aufgrund unzureichender Richtlinienumsetzung (Vertragsverletzung) nach sich ziehen würde, begründet. Zugleich wurde schon zum Umsetzungszeitpunkt darauf hingewiesen, dass hier die Rechtsentw...

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