Rz. 22

Gem. Abs. 2 ist ein Wirtschaftsprüfer bzw. vBP als Abschlussprüfer ausgeschlossen, wenn Gründe vorliegen, nach denen die Besorgnis der Befangenheit besteht. Dies können insb. Beziehungen geschäftlicher, finanzieller oder persönlicher Art sein. Es handelt sich hierbei um den allgemeinen Grundsatz der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers. In der Vorschrift sind Sachverhalte aufgeführt, aus denen sich die Besorgnis der Befangenheit ergeben kann. Eine Aussage zu den Wirkungsmechanismen, durch die die Freiheit der Urteilsbildung beeinträchtigt werden kann, ist dagegen in der Vorschrift nicht enthalten.[1]

Folgende Faktoren (Wirkungsmechanismen) sind bei der Beurteilung, ob Besorgnis der Befangenheit vorliegt, relevant:[2]

  • wirtschaftliches oder sonstiges Eigeninteresse des Abschlussprüfers von nicht nur untergeordneter Bedeutung am Ergebnis der Prüfung,
  • Darstellungen im Abschluss, an deren Gestaltung der Abschlussprüfer mitgewirkt hat (Selbstprüfung),
  • Vertretung der Interessen für oder gegen das zu prüfende Unt durch den Abschlussprüfer,
  • übermäßiges Vertrauen bzw. Vertrautheit des Abschlussprüfers durch Beziehungen zur Unternehmensleitung,
  • besondere Einflussnahmen durch das zu prüfende Unt.

Dies sind auch die Faktoren, die den in Abs. 3 geregelten Katalogtatbeständen zugrunde liegen.

 

Rz. 23

Ob im Einzelfall eine Besorgnis der Befangenheit besteht, bestimmt sich nicht danach, ob tatsächlich Befangenheit gegeben ist oder der Abschlussprüfer sich selbst für befangen hält, sondern nach der Sicht eines vernünftigen und sachverständigen Dritten und nach Art und Umfang objektiver Gründe, die bei dem Dritten Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Abschlussprüfers wecken können (independence in appearance).[3] Der Anwendungsbereich des Abs. 2 setzt sich dabei nur aus Sachverhalten zusammen, die entweder nicht in Abs. 3, § 319a und § 319b HGB genannt sind oder die zwar vom Grunde her von diesen Vorschriften erfasst sind, bei denen aber aufgrund des Nichterreichens von darin festgelegten quantitativen Grenzen (z. B. im Zusammenhang mit den Vorschriften zur Umsatzabhängigkeit oder zur internen Rotation) die diesen Katalogtatbeständen immanente unwiderlegbare Vermutung, dass die Besorgnis der Befangenheit besteht, nicht gegeben ist. Dazu wird in § 31 Abs. 3 BS WP/vBP ausgeführt, dass in Fällen, in denen die Tatbestandsmerkmale der §§ 319 Abs. 3, 319a HGB nicht vollständig erfüllt sind, Besorgnis der Befangenheit nur dann bestehen kann, wenn zusätzliche Umstände (z. B. eine besondere wirtschaftliche Bedeutung des betreffenden Sachverhalts) eine nicht unbedeutende Gefährdung der Unbefangenheit begründen.

 

Rz. 24

§ 2 BS WP/vBP konkretisiert den Grundsatz der Unabhängigkeit als allgemeine Berufspflicht des WP/vBP gem. § 43 Abs. 1 WPO. Dort werden in Abs. 2 Tatbestände genannt, die mit dem Grundsatz der Unabhängigkeit nicht vereinbar und damit berufswidrig sind.

 
Praxis-Beispiel

Im Einzelnen sind dies:

  • Vereinbarung von Erfolgshonoraren

    Beispiel

    Der Abschlussprüfer und das zu prüfende Unt vereinbaren, dass sich das Prüfungshonorar um 15 % des unter normalen Umständen abrechenbaren Honorarvolumens erhöht, wenn der in dem geprüften Jahresabschluss ausgewiesene Jahresüberschuss einen bestimmten Betrag übersteigt.

    Ergebnis

    Es besteht die Besorgnis der Befangenheit, weil der Abschlussprüfer ein wirtschaftliches Eigeninteresse am Ergebnis der Abschlussprüfung hat.

  • Verknüpfung der Honorarvereinbarung für die Abschlussprüfung mit weiteren Bedingungen

    Beispiel

    Der Abschlussprüfer akzeptiert ein besonders niedriges Honorar für die Durchführung der Abschlussprüfung unter der Bedingung, dass er durch Beratungsaufträge ein bestimmtes zusätzliches Honorarvolumen von dem zu prüfenden Unt erhält.

    Ergebnis

    Es besteht die Besorgnis der Befangenheit, weil in der Verknüpfung der Abschlussprüfung mit den zusätzlichen Beratungsaufträgen ein besonderes wirtschaftliches Eigeninteresse des Abschlussprüfers zum Ausdruck kommt.

  • Entgegennahme oder Zahlung von Vermittlungsprovisionen

    Beispiel

    Der Abschlussprüfer und ein Dritter vereinbaren, dass der Dritte für die Vermittlung eines Prüfungsmandats 5 % der für dieses Mandat abgerechneten Honorarumsätze erhält.

    Ergebnis

    Es besteht die Besorgnis der Befangenheit, weil in der Bereitschaft des Abschlussprüfers, eine Vermittlungsprovision zu zahlen, ein besonderes wirtschaftliches Eigeninteresse an der Durchführung der Prüfung zum Ausdruck kommt.

  • Übernahme von Mandantenrisiken

    Beispiel

    Der Abschlussprüfer übernimmt gegenüber dem geprüften Unt oder einem Dritten die Garantie, dass der Wert bestimmter im Jahresabschluss bilanzierter VG einen bestimmten Betrag nicht unterschreitet (Ausbietungsgarantie).

    Ergebnis

    Aufgrund übernommener Mandantenrisiken besteht die Besorgnis der Befangenheit, weil der Abschlussprüfer dadurch ein wirtschaftliches Eigeninteresse am Ergebnis der Prüfung hat und darüber hinaus in der Risikoübernahme eine besondere Nähe zum geprüften Unt zum Ausdruck kommt.

  • Annahme von Versorgungsbezügen

    Beispiel

    Der Abschlussprüf...

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