Rz. 75

Die Besonderheiten steuerlicher Organschaften, nämlich das Auseinanderfallen von wirtschaftlicher Verursachung (Organgesellschaft) und zivilrechtlicher Verbindlichkeit (Organträger), führen dazu, dass prinzipiell zwei Methoden der Abbildung von Steuerlatenzen von Organgesellschaften möglich sind, die der formalen und der wirtschaftlichen Betrachtungsweise folgen.

 

Rz. 76

Nach der formalen Betrachtungsweise erfolgt die Bilanzierung von latenten Steuern auf Basis der zivilrechtlichen Verpflichtungen. Der Steuerschuldner bei Organschaften ist der Organträger, sodass dieser nach der formalen Betrachtungsweise auch die Steuerlatenzen für temporäre Differenzen von Organgesellschaften zu bilden hat. Steuerliche Verlustvorträge bei der Organgesellschaft können nur aus vororganschaftlicher Zeit stammen und sind während der Dauer der Organschaft nicht nutzbar, sodass für sie auch keine Berücksichtigung bei Steuerlatenzen zu erfolgen hat.[1]

 

Rz. 77

Demgegenüber bildet die wirtschaftliche Betrachtungsweise Steuerlatenzen auf Ebene der jeweiligen Organgesellschaft ab. Diese aus den US-GAAP stammende Behandlung (sog. push-down-accounting) sieht vor, den von der Organgesellschaft beim Organträger verursachten Steueraufwand (tatsächliche und latente Steuer) an die Organgesellschaft zurückzubelasten. Die Sichtweise ist vom Grundsatz her dieselbe, die Steuerumlagevereinbarungen (Rz 75) zugrunde liegt. Der wesentliche Unterschied besteht aber darin, dass bei der wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht nur tatsächliche, sondern auch latente Steuern an die Organgesellschaft weiterberechnet werden. Der Gesetzgeber hat im Zuge der Einführung des BilMoG keine Regelungen für Steuerlatenzen im Zusammenhang mit Organschaften aufgestellt. Auch die Gesetzesmaterialien geben keinen Hinweis, wie Steuerlatenzen in derartigen Fällen abzubilden sind.

 

Rz. 78

Die Abbildung von Steuerlatenzen bei ertragsteuerlichen Organschaften nach § 274 HGB hat handelsrechtlich nach der formalen Betrachtungsweise zu erfolgen. Ein Ansatz von latenten Steuern in den Jahresabschlüssen von Organgesellschaften ist somit nicht zulässig (DRS 18.32).

 

Rz. 79

Verschiedentlich sind Überlegungen angestellt worden, ob in Steuerumlagevereinbarungen auch latente Steuern mit erfasst werden sollen.[2] Für diese Fälle lässt DRS 18.35 eine Bilanzierung der Steuerlatenzen bei der Organgesellschaft zu,[3] wobei dies z. T. kontrovers diskutiert wird.[4] Besonderes Augenmerk ist in diesen Konstellationen auf die sog. Abführungssperre (Rz 81) zu legen, da bei einer zu hohen Gewinnabführung ggf. die steuerliche Anerkennung der Organschaft in Gefahr gerät.[5] Auch um diese Gefahr zu vermeiden, wird nach der hier vertretenen Auffassung die formale Betrachtungsweise präferiert. Durch Einbeziehung der latenten Steuern in die Steuerumlageverträge kann die der wirtschaftlichen Betrachtungsweise zugrunde liegende Ergebniswirkung erreicht werden, auch wenn die originären Steuerlatenzen beim Organträger bilanziert werden.

Innerhalb der Konzerne wird die Entscheidung für die Abbildung von Steuerlatenzen bei Steuerumlageverträgen regelmäßig einheitlich (formale bzw. wirtschaftliche Betrachtungsweise) erfolgen, um eine Doppelbilanzierung von Steuerlatenzen zu vermeiden.[6]

 

Rz. 80

Soweit der Organträger eine kleine KapG/KapCoGes i. S. v. § 267 HGB ist, hat er gem. § 274a Nr. 5 HGB die Vorschriften des § 274 HGB nicht zu berücksichtigen. Dies gilt ebenfalls für die temporären Differenzen der Organgesellschaften, auch wenn diese gem. den Größenkriterien nach § 267 HGB ggf. als mittelgroß oder groß einzustufen sind.[7] Allerdings hat der Organträger ggf. Rückstellungen nach § 249 Abs. 1 HGB für passive latente Steuern zu bilden (§ 249 Rz 42).

 

Rz. 81

Da bei der Organgesellschaft nach der formalen Betrachtungsweise keine Steuerlatenzen zu bilanzieren sind (Rz 80), können bei ihr auch keine Abführungssperren nach § 268 Abs. 8 HGB aus aktiven latenten Steuern auftreten. Allerdings können aus den anderen in § 268 Abs. 8 HGB genannten Fällen (Aktivierung von selbst geschaffenen immateriellen VG des Anlagevermögens, Zeitwertbewertung von Deckungsvermögen über die AHK hinaus) bei der Organgesellschaft Abführungssperren auftreten, die zum Ausweis eines Jahresüberschusses führen. Dies gilt im Übrigen auch für die Abführungssperre von § 301 AktG. Zur Problematik von Abführungssperren gem. § 268 Abs. 8 HGB bei steuerlichen Organschaften s. § 268 Rz 54 ff.

 

Rz. 82

Die Anhangangaben nach § 285 Nr. 29 HGB sind von demjenigen Unt vorzunehmen, das die Steuerlatenzen bilanziert. Bilanziert der Organträger die Angaben für den gesamten Organkreis, hat er in den Anhangangaben die temporären Differenzen der Organgesellschaften mit aufzunehmen (§ 285 Rz 167 f.).

[1] Vgl. Loitz/Klevermann, DB 2009, S. 411.
[2] Vgl. Dahlke, BB 2009, S. 879; Loitz/Kavermann, DB 2009, S. 419; Ellerbusch/Schlüter/Hofherr, DStR 2009, S. 2443.
[3] Vgl. Liekenbrock/Vossel, DB 2012, S. 753.
[4] A. A. Melcher/Murer, DB 2011, S. 2334, die auch bei Steue...

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