Rz. 71

Für Rückstellungen und latente Steuern hat der Gesetzgeber eine Ausnahme von der Verwendung des beizulegenden Zeitwerts festgeschrieben. Diese beiden Positionen sind gem. den allgemeinen Bilanzierungsregeln zu erfassen. Für Rückstellungen bedeutet dies, dass sie zum Erfüllungsbetrag anzusetzen sind (§ 253 Rz 33 ff.).

Als notwendiger Erfüllungsbetrag ist der Betrag anzusehen, den der Konzern aller Voraussicht nach aufzubringen hat, um die bestehende (ggf. ungewisse) Verpflichtung zu erfüllen. Die Klarstellung, dass es sich um den notwendigen Erfüllungsbetrag sowie die Ausführungen in der Gesetzesbegründung handelt,[1] machen deutlich, dass der Gesetzgeber auf eine zukunftsorientierte Verpflichtungsbewertung abzielt. Zur Ermittlung ist demnach das im Zeitpunkt der Erfüllung geltende (zukünftige) Preis- und Kostenniveau auf Vollkostenbasis (§ 255 Abs. 2 HGB) zugrunde zu legen, wobei der dann errechnete Betrag bei Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr gem. § 253 Abs. 2 HGB abzuzinsen ist mit einem der Laufzeit entsprechenden und von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Durchschnittsmarktzinssatz der letzten sieben Gj bzw. der letzten zehn Gj für Pensions- und ähnliche Verpflichtungen. Somit sollen "den Abschlussadressaten realitätsnähere Informationen über die wahre Belastungswirkung ungewisser Verbindlichkeiten"[2] vermittelt werden. Konkret sind bei der Bewertung von Rückstellungen sowohl Preis- und Kostenänderungen als auch eine Abzinsung zu berücksichtigen. Da die gesamte Rückstellungsbewertung zukunftsorientiert auszurichten ist, sind neben den Preis- und Kostenentwicklungen ggf. Anpassungen im Mengengerüst notwendig. I. d. R dürften die auf der Ebene des Jahresabschlusses gebildeten Rückstellungen und i. R. d. Vereinheitlichung von Ansatz und Bewertung in der HB II angepassten Beträge direkt in den Konzernabschluss übernommen werden. I. R. d. Neubewertung sind ggf. werterhellende Ereignisse zu berücksichtigen. Zu den Abweichungen im Zusammenhang mit Schätzungsreserven s. Rz 56 f.

 

Rz. 72

Die für Rückstellungen und latente Steuern in § 301 Abs. 1 Satz 3 HGB formulierte Ausnahme von der Verwendung des beizulegenden Zeitwerts als alleinigem Maßstab für die Bestimmung der konzernbilanziellen Zugangswerte des erworbenen Reinvermögens eines TU ist vergleichbar in der internationalen Rechnungslegung (IFRS 3.24 ff.) bekannt: Auch dort sind bestimmte Bilanzposten von der Verpflichtung zur Bewertung zum Fair Value i. R. d. Kaufpreisallokation ausgenommen.

 
Praxis-Beispiel

Sachverhalt

Die A-AG erwirbt ein ausländisches TU, zu dessen Reinvermögen eine langfristige Rückstellung und eine aktive latente Steuer auf einen in den nächsten fünf Jahren zu nutzenden Verlustvortrag zählen.

Beurteilung

Ohne die Ausnahme von § 301 Abs. 1 Satz 3 HGB wären die Rückstellung und die aktive latente Steuer mit dem beizulegenden Zeitwert anzusetzen, was zwingend eine Abzinsung mit einem marktadäquaten Zinssatz voraussetzen würde. Ein so ermittelter Wertansatz gerät mit der (Folge-)Bewertung sowohl der Rückstellung als auch der aktiven latenten Steuer in Konflikt. Die Rückstellung ist nach § 253 Abs. 1 und 2 HGB auf Basis eines durchschnittlichen Marktzinses der vergangenen sieben Jahre gem. der Fristigkeit der Verpflichtung abzuzinsen (§ 253 Rz 128 ff.). Da dieser Zins regelmäßig vom Zins für die Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts abweichen wird, müsste der konzernbilanzielle Zugangswert der Rückstellung am ersten Konzernbilanzstichtag, zu dem das erworbene TU im Konzernabschluss abgebildet wird, bei gleichbleibendem Mengengerüst erfolgswirksam i. H. d. Zinsdifferenz angepasst werden. Entsprechendes gilt für die aktive latente Steuer auf den Verlustvortrag. Sie ist in Anwendung des expliziten Abzinsungsverbots in § 274 Abs. 2 HGB (§ 274 Rz 103) am Konzernbilanzstichtag mit dem Nominalwert statt mit dem Barwert anzusetzen. Nach § 301 Abs. 1 Satz 3 HGB sind Rückstellungen und latente Steuern im konzernbilanziellen Zugangszeitpunkt nicht mit ihren beizulegenden Zeitwerten anzusetzen. Stattdessen ist auf die Werte zurückzugreifen, die sich nach den einzelgesellschaftlichen Bewertungsmodellen in §§ 253 Abs. 1 und 2 sowie 274 Abs. 2 HGB ergeben.

 

Rz. 73

Für steuerliche Be- oder Entlastungen, die aus dem Abbau abzugsfähiger oder zu versteuernder temporärer Differenzen der in der Neubewertungsbilanz angesetzten Vermögens- und Schuldposten sowie aus der Nutzung eines steuerlichen Verlustvortrags resultieren, sind nach DRS 23.71 mit Verweis auf § 301 Abs. 1 i. V. m. § 306 Satz 1 HGB, DRS 18.25 latente Steuern anzusetzen. Der in § 301 Abs. 1 Satz 3 HGB enthaltene Verweis zur konzernbilanziellen Zugangsbewertung von latenten Steuern bezieht sich nur auf die Bewertungsvorschrift in § 274 Abs. 2 HGB. Hieraus ist nicht zu folgern, dass die in § 274 Abs. 1 Satz 4 HGB formulierte Beschränkung des Ansatzes aktiver latenter Steuern auf die innerhalb der nächsten fünf Jahre zu erwartenden Verlustverrechnungen für die konzernbil...

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