Rz. 116

Besondere Bedeutung hat die Frage nach der Gewinn-/Ertragsrealisation bei der sog. langfristigen Auftragsfertigung/-leistung, d. h. der mind. stichtagsübergreifenden[1] auftragsgemäßen Erbringung von Sach- oder Dienstleistungen auf Basis von Werk-[2] oder Werklieferverträgen.[3] Da bei Werkverträgen eine Realisation mangels Gefahrenübergang bzw. Erfüllung der Lieferungs-/Leistungsverpflichtung (erst) mit der Abnahme erfolgt (Rz 120), ergibt sich regelmäßig auch bei langfristiger Auftragsfertigung/-leistung eine Realisation erst nach im Gesamten bewirkter Lieferung/Leistung, d. h. nach Abnahme. Dies wird auch als sog. Completed-Contract-Methode bezeichnet. Daraus resultiert jedoch mitunter eine "verzerrte" Darstellung der Ertragslage – es kann zunächst neben dem ausbleibenden Ausweis von Gewinnanteilen zum Ausweis von negativen Erfolgsbeiträgen[4] i. V. m. mit einer späteren zu hohen Gewinnrealisation kommen.[5] Insofern bestehen Überlegungen bzw. Versuche dieses Problem zu umgehen.

 

Rz. 117

Der dazu (sachlich) geeigneten international üblichen Percentage-of-Completion-Methode – anteilige/prozentuale Realisation entsprechend des Fertigstellungsgrads – steht nach h. M. mangels Gefahrenübergang bzw. Erfüllung der Lieferungs-/Leistungsverpflichtung handelsrechtlich das Realisationsprinzip entgegen (zur Frage der Anwendung der Methode im Ausnahmefall vgl. Rz 133).[6] Klarstellend bzw. abgrenzend ist zu ergänzen, dass es sich um eine Teilrealisation ohne Teilabnahmen handelt.

 

Rz. 118

Ein weiterer mithin wohl weitestgehend akzeptierter Ansatz besteht in der Teilrealisation mit Teilabnahmen.[7] Die Gesamtlieferung/-leistung wird in diesem Zuge vertraglich in Teillieferungen/-leistungen zerlegt, die mit einer Abnahme der Teilleistungen verbunden sind, wobei bereits eine vertraglich eröffnete Option zur Zerlegung in Teillieferungen/-leistungen nebst Teilabnahmen der Anforderung der vertraglichen Regelung genügt. Dies ist insofern konsequent, als dass bei Werkverträgen eben gerade die Abnahme eine Realisation infolge des Gefahrenübergangs bzw. der Erfüllung der Lieferungs-/Leistungsverpflichtung begründet (Rz 114). Das vereinzelt aufgebrachte Argument,[8] es bedürfe in diesem Rahmen eines zusätzlichen Kunstgriffs, da der Gefahrenübergang gem. § 646 BGB erst mit Vollendung erfolge, ist nicht nachvollziehbar. § 646 BGB bezieht sich explizit nur auf den Fall einer beschaffenheitsbedingt unmöglichen Abnahme.[9]

Dennoch bedarf es zur Teilrealisation mit Teilabnahmen zusätzlicher Voraussetzungen. Unstreitig sind wohl die Anforderungen der Abgrenzbarkeit der Teillieferungen/-leistungen und deren getrennte Abrechnungsfähigkeit. Gleiches gilt für die Anforderung der voraussichtlichen Nichtentstehung eines Verlustes aus dem Gesamtauftrag.[10]

Das aufgebrachte Kriterium der erfolgten Zahlung des Auftraggebers entsprechend dem Leistungsfortschritt[11] ist u. E. nicht tragbar. Aus der Vorschrift des § 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB folgt, dass Aufwendungen und Erträge unabhängig von den Zeitpunkten der entsprechenden Zahlungen zu berücksichtigen sind (Rz 134) und damit der Zeitpunkt der erfolgten Gegenleistung/Zahlung für die Realisation irrelevant ist. Dennoch sieht der BFH[12] bei Werkverträgen bei Architekten und Ingenieuren den Anspruch von Abschlagszahlungen als Realisationszeitpunkt an. Dabei erfordert eine Gewinnrealisierung bei Werkverträgen zwar die Abnahme des Werks, sie kann nach Gerichtsmeinung jedoch vorzuziehen sein, wenn die Entstehung des Entgeltanspruchs durch Sonderregelungen wie eine Gebührenordnung modifiziert wird. Abschlagszahlungen nach § 8 Abs. 2 HOAI dürfen daher nach Gerichtsmeinung nicht wie Anzahlungen auf schwebende Geschäfte bilanziert werden und sind als realisiert anzusehen. Das BMF hatte daraufhin in seinen Schreiben vom 13.5.2015[13] und 29.6.2015[14] zunächst die Reichweite des BFH-Urteils auf sämtliche Abschlagszahlungen nach § 632a BGB von Werkverträgen i. S. d. § 631 BGB ausgeweitet. Nach der in diesen Schreiben dargelegten Auffassung des BMF handelte es sich bei diesen Abschlagszahlungen um die Abrechnung von bereits verdienten Ansprüchen, da der Schuldner des Werkvertrags seine Leistung bereits erbracht hatte. Die Abschlagszahlungen mussten nach der Weisung aber von Forderungen auf einen Vorschuss abgegrenzt werden, für die nach Verwaltungsmeinung keine Gewinnrealisierung eintrat. Dies war u. E. als höchst widersprüchlich anzusehen. Entweder die Leistung ist erbracht und abgenommen, dann ist sie realisiert, oder es fehlt an diesen Merkmalen. Die Zahlung ist für die Realisation irrelevant.[15]

Am 15.3.2016 hat das BMF im Einvernehmen mit den obersten Landesbehörden der Länder hinsichtlich der Gewinnrealisierung von Abschlagszahlungen in Fällen jenseits des BFH-Urteils vom 14.5.2014 (Werkverträge bei Architekten und Ingenieuren) jedoch ohnehin die ursprüngliche Rechtslage wiederhergestellt.[16] Die Verwaltungsanweisung vom 29.6.2015 wurde aufgehoben. Die Anwendung der Grundsätze des BFH-Urteils vom 14...

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