Rz. 47

§ 274 Abs. 1 Satz 4 HGB stellt eine gesetzliche Regelung zur Aktivierung steuerlicher Verlustvorträge dar.[1]

Das Aktivierungswahlrecht für aktive latente Steuern beinhaltet die Aktivierung zukünftiger Steuerentlastungen aufgrund von steuerlichen Verlustvorträgen. Allerdings wird das Aktivierungswahlrecht für steuerliche Verlustvorträge auf die in den nächsten fünf Jahren zu erwartende Verlustverrechnung begrenzt.[2] Für die Verrechnung mit passiven Steuerlatenzen sind Vorteile aus steuerlichen Verlustvorträgen zeitlich unbegrenzt zu verwenden, auch wenn die Gesetzesmaterialien einen anderen Schluss zulassen (s. Abb. 1 in Rz 36).[3] Eine Nichtberücksichtigung der über 5 Jahre hinaus reichenden Verlustvorträge würde zum Ausweis zukünftiger Steuerbelastungen führen, die in der Höhe tatsächlich gar nicht zu erwarten sind (DRS 18 Anhang A 5).

 

Rz. 48

Die Begrenzung der Aktivierung von Vorteilen aus steuerlichen Verlustvorträgen auf fünf Jahre illustriert folgendes Beispiel (DRS 18 Anhang A 5):

 
Praxis-Beispiel

Die GmbH ermittelt zum Abschlussstichtag folgende Steuerlatenzen:

 
Passive latente Steuern 120 TEUR
Aktive latente Steuern (temporäre Differenzen) 60 TEUR
Aktive latente Steuern aus steuerlichen Verlustvorträgen (davon innerhalb fünf Jahren realisierbar: 90 TEUR) 100 TEUR

Insgesamt ergibt sich ein Aktivüberhang latenter Steuern von 40 TEUR. Von den steuerlichen Verlustvorträgen ist nur der innerhalb von fünf Jahren realisierbare Teil aktivierungsfähig, sodass ein dem Aktivierungswahlrecht unterliegender Aktivüberhang von insgesamt 30 TEUR vorliegt.

 

Rz. 49

Die i. R. d. Gesamtdifferenzenbetrachtung vorzunehmende Saldierung von zukünftigen Vorteilen aus steuerlichen Verlustvorträgen mit passiven Steuerlatenzen ist nur zulässig, wenn die steuerlichen Verlustvorträge dieselben Steuerarten (und damit dieselben Steuerbehörden) betreffen wie die der Bewertung der passiven Steuerlatenzen zugrunde liegenden. Weiterhin ist es wohl erforderlich, den zeitlichen Anfall der passiven Steuerlatenzen zumindest grob zu planen, um ggf. abzuleitende Restriktionen (Rz 54) für die Nutzbarkeit der steuerlichen Verlustvorträge erkennen zu können.

 
Praxis-Beispiel

Eine GmbH hält eine Beteiligung an einer Immobilien-Objektgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG. Die Immobilien-Objektgesellschaft ist mit der Errichtung eines Bürokomplexes beschäftigt, dessen Fertigstellung im dritten Quartal des nächsten Gj erwartet wird. Für 65 % der Büroflächen sind bereits Mietverträge abgeschlossen.

Die Wertansätze der Beteiligung an der Immobilien GmbH & Co. KG belaufen sich in der Handelsbilanz der GmbH auf 3,5 Mio. EUR und in der Steuerbilanz (durch aufgelaufene Anlaufverluste) auf 1,5 Mio. EUR. Es ergibt sich eine temporäre Differenz i. H. v. 2 Mio. EUR, für die eine passive Steuerlatenz zu bilden ist. Die GmbH verfügt am Abschlussstichtag weiterhin über einen körperschaftsteuerlichen Verlustvortrag i. H. v. 2 Mio. EUR.

Dem Grundsatz der Gesamtdifferenzenbetrachtung folgend könnte eine Saldierung des Vorteils aus dem körperschaftsteuerlichen Verlustvortrag mit den passiven Steuerlatenzen vorgenommen werden, sodass letztlich keine latente Steuer angesetzt würde. Dies ist aber nur dann zulässig, wenn am Abschlussstichtag zu erwarten ist, dass der körperschaftsteuerliche Verlustvortrag in voller Höhe zum Ausgleich der passiven Steuerlatenzen verwendet werden kann. Das hängt wiederum davon ab, wie sich die passiven Steuerlatenzen voraussichtlich ausgleichen. Soweit die Beteiligung an der Immobilien-Objektgesellschaft auch nach Fertigstellung des Bürokomplexes von der GmbH gehalten werden soll, werden jährlich steuerliche Gewinne in einer Größenordnung von 0,2 Mio. EUR (laufende Vermietungsüberschüsse) erwartet. Ist dagegen beabsichtigt, die Beteiligung zu veräußern, würde sich im Veräußerungszeitpunkt die passive Steuerlatenz von 2 Mio. EUR sofort umkehren und zu steuerpflichtigen Einkünften führen. Der körperschaftsteuerliche Verlustvortrag wäre zwar auch in diesem Fall nutzbar, es würde aber die Mindestbesteuerung greifen, sodass die über 1 Mio. EUR hinausgehenden passiven Steuerlatenzen nur zu 60 % mit dem körperschaftsteuerlichen Verlustvortrag verrechnet werden könnten.

Ergebnis: Soweit die Beteiligung weiter gehalten werden soll, ist eine vollständige Saldierung der passiven Steuerlatenzen mit dem körperschaftsteuerlichen Verlustvortrag möglich. Ist dagegen eine Veräußerung der Beteiligung zu erwarten (entscheidend ist die Einschätzung des Managements, d. h., konkrete Verkaufsanstrengungen brauchen noch nicht begonnen zu haben), ist aufgrund der Mindestbesteuerung eine passive Steuerlatenz auf die nicht mit dem körperschaftsteuerlichen Verlustvortrag verrechenbaren temporären Differenzen i. H. v. 0,4 Mio. EUR (2 Mio. – 1 Mio. = 1 Mio. abzgl. 60 % = 0,4 Mio.) zu bilden.

Zur Beschränkung der Aktivierung von Vorteilen aus steuerlichen Verlustvorträgen auf fünf Jahre s. Rz 47.

 

Rz. 50

Die Aktivierung von steuerlichen Verlustvorträgen ist n...

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