Rz. 78

Die Bildung latenter Steuern hat nach dem Temporary-Konzept i. d. R. (in Abhängigkeit von Rechtsform und Größenklasse i. S. d. § 267 HGB) unbeschadet einer etwaigen Klassifizierung als quasi-permanente Differenz zu erfolgen. Da unversteuerte Rücklagen häufig für nicht abschreibungsfähige VG gebildet wurden, dürfte der Fall der quasi-permanenter Differenzen in der Praxis sehr häufig vorgekommen sein.

 
Praxis-Beispiel

Im Jahresabschluss zum 31.12.2009 wies eine große KapG einen Sonderposten mit Rücklageanteil in Höhe von 100.000 EUR aus, der allein aus unversteuerten Rücklagen bestand. Der Steuersatz für den Ansatz latenter Steuern belief sich auf 30 %.

Bilanzierung des Sachverhalts in den Jahresabschlüssen zum 31.12.2009 sowie zum 31.12.2010 bei Nichtausübung des Beibehaltungswahlrechts:

 
Aktiva Bilanz zum 31.12.2009 Passiva
  A. EK  
I. Gez. Kapital
SoPo  
B. Rückstellung
 
Aktiva Bilanz zum 31.12.2010 Passiva
  A. EK  
I. Gez. Kapital
III. Gewinnrücklagen 70.000
E. Passive lat. Steuern 30.000

Die passive latente Steuer bestand auch in der Bilanz zum 31.12.2011 – und solange der Sonderposten in der Steuerbilanz angesetzt wird – auch darüber hinaus fort.

Bilanzierung des Sachverhalts im Jahresabschluss zum 31.12.2011 bei Nichtausübung des Beibehaltungswahlrechts:

 
Aktiva Bilanz zum 31.12.2011 Passiva
  A. EK  
I. Gez. Kapital
III. Gewinnrücklagen
E. Passive lat. Steuern 30.000
 

Rz. 79

Bei der Bildung latenter Steuern für lediglich im Handelsrecht aufzulösende Sonderposten mit Rücklageanteil war/ist – in Abhängigkeit von Rechtsform und Größenklassenklassifizierung – unterschiedlich vorzugehen. PersG sind, sofern sie KapG nicht gleichgestellt sind, von der Bildung latenter Steuern ausgenommen. Für KapG ergibt sich zunächst grundsätzlich die Pflicht zur Bildung latenter Steuern nach dem Temporary-Konzept des § 274 HGB.

 

Rz. 80

§ 274a Nr. 4 HGB stellt kleine KapG jedoch von § 274 HGB frei. Allerdings gilt die Befreiung unabhängig von der Größe nicht für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen (§§ 340a Abs. 1, 341a Abs. 1 HGB). Für kleine KapG kann die Bildung latenter Steuern nur noch auf Basis des § 249 Abs. 1 HGB vorgeschrieben sein, sodass eine entsprechende Rückstellung zu passivieren wäre, wenn später mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Ressourcenabflüsse zu erwarten sind. Bei der Bilanzierung passiver latenter Steuern nach § 249 HGB sind aktive Latenzen und Vorteile aus steuerlichen Verlustvorträgen rückstellungsmindernd zu berücksichtigen.[1] In diesem Kontext ist umstritten,[2] wann die Voraussetzungen einer Rückstellung gem. § 249 HGB erfüllt sind. Siehe zur detaillierten Diskussion § 274a Rz 11ff.

 

Rz. 81

Eine freiwillige Anwendung des Temporary-Konzepts gem. § 274 HGB steht jedoch auch kleinen KapG und nicht dem PublG unterliegenden PersG frei. Diese haben dann jedoch das Gebot der Ansatzstetigkeit des § 246 Abs. 3 HGB zu berücksichtigen.

 

Rz. 82

Wird das Temporary-Konzept weder pflichtgemäß noch freiwillig angewendet, sind bei der Einstellung in die Gewinnrücklagen oder der Auflösung i. S. d. § 281 Abs. 1 Satz 3 HGB i. d. F. vor BilMoG auf die Teile des Sonderpostens, die auf unversteuerte Rücklagen von nicht planmäßig abschreibbaren VG entfallen, keine Steuerlatenzen in Form von Rückstellungen zu berücksichtigen. In diesen Fällen entsteht erst dann eine Steuerlast, wenn die entsprechenden VG veräußert werden. Die Teile des Sonderpostens, die auf unversteuerte Rücklagen von planmäßig abschreibbaren VG entfallen, könnten dagegen nach der Auslegung des IDW, der hier nicht gefolgt wird, durch Bildung einer Rückstellung zu berücksichtigen sein.[3] Wird das Temporary-Konzept angewendet, sind dagegen auch diese quasi-permanenten Differenzen grundsätzlich als Latenzen zu behandeln.

[1] Vgl. IDW RS HFA 7.27 n.F.
[2] So etwa ablehnend zur IDW-Meinung Kreipl/Müller, DB 2011, S. 1701; Müller, DStR 2011, S. 1046; Lüdenbach/Freiberg, BB 2011, S. 1579, Pollanz, DStR 2013, S. 58.
[3] Vgl. IDW RS HFA 7.26 n.F.

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