Rz. 11

§ 292 Abs. 1 Hs. 2 Nr. 1 Buchst. c) HGB stellt eine weitere Befreiungsoption für den Fall dar, dass der befreiende Konzernabschluss nicht direkt nach Maßgabe des Bilanzrechts eines EU-/EWR-Staates oder nach den IFRS aufgestellt wurde. Hierzu ist zu prüfen, ob der Konzernabschluss des übergeordneten MU mit Sitz im Drittstaat dennoch als inhaltlich gleichwertig angesehen werden kann. Auf die Beurteilung der Gleichwertigkeit kann nicht verzichtet oder durch pauschale Annahmen ersetzt werden. Dies sieht das Gesetz nicht vor.[1]

Problematisch ist, dass die Voraussetzungen für die Gleichwertigkeit und deren Beurteilung bislang und aktuell gesetzlich nicht geregelt sind und Ermessensspielräume eröffnet. So wird die Gleichwertigkeit des aufgestellten befreienden Konzernabschlusses sowohl durch die materiellen Rechnungslegungsvorschriften als auch durch deren konkreten Anwendung beeinflusst. Daher ist nach der hier vertretenen Auffassung beides bei der Beurteilung miteinzubeziehen.[2]

Eine empfohlene Untersuchungsmethode geht dahin, zu überprüfen, welche Unterschiede durch die konkrete Anwendung der Rechnungslegungsvorschriften des Drittstaaten-MU zunächst existieren. Dabei erscheint es wegen der genannten Vergleichsmaßstäbe in § 292 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) und b) geboten, die Unterschiede im Hinblick auf Abweichungen von nationalen Normen, IFRS-Regelungen und von Normen der Bilanzrichtlinie näher zu untersuchen. Soweit relevante Unterschiede bestehen, ist dann näher zu prüfen, ob diese im konkreten Fall der Gleichwertigkeit insgesamt entgegenstehen. Dies impliziert, dass die angewandten Rechnungsvorschriften insgesamt eine Gesamtaussage zu deren Einklang mit einem der vorgenannten Rahmenwerken der Rechnungslegung erlauben, d. h., nach diesen Vorschriften (noch) ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage des Drittstaaten-MU vermitteln können.[3]

Sofern man die bisherige Meinung hierzu in der Literatur gleichfalls heranzieht, wird bei der vergleichenden Analyse eine exakte Anwendung etwa der deutschen Konzernrechnungslegungsvorschriften oder derjenigen anderer EU-/EWR-Staaten nicht gefordert werden können. Entscheidend ist danach das Gesamtbild des befreienden Abschlusses, der zumindest einen wesentlichen Einblick in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage gewähren muss.[4] Jedenfalls bedeutet Gleichwertigkeit daher nicht Gleichheit bis ins letzte Detail.

Bei Abweichungen von dem maßgeblichen Mitgliedstaatenrecht ist im Einzelfall zu prüfen, ob der Tatbestand der Gleichwertigkeit insgesamt gefährdet ist. Ggf. genügt es fehlende Informationen, die hinter den Anforderungen zurückbleiben, zu ergänzen. Allzu strenge Anforderungen sind nicht anzulegen. Probleme ergeben sich regelmäßig bei der Frage der Gleichwertigkeit von ausländischen Konzernanhängen und Konzernlageberichten. Für die Beurteilung kommt es auf die Bilanzierungs-, Bewertungs- und sonstigen Berichterstattungspflichten in ihrer Gesamtheit an.[5] Sind Abweichungen vorhanden, jedoch nur von untergeordneter Bedeutung, so ist nach der hier vertretenen Auffassung eine Gleichwertigkeit gleichwohl gegeben.

[1] Vgl. IDW, WPH Edition, Wirtschaftsprüfung & Rechnungslegung, 18. Aufl. 2023, Kap. G Tz 119.
[2] Nach Auffassung von Kirsch/Berentzen (vgl. Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 292 HGB Rz. 54, Stand: 10/2019) sind sämtliche Normen der Bilanzrichtlinie, und zwar unabhängig von der Ausübung der den Mitgliedstaaten eingeräumten Wahlrechten, als Vergleichsmaßstab heranzuziehen.
[3] Vgl. Deubert/Lewe, BB 2016, S. 1262 mit einer beispielhaften Analyse für die schweizerischen Swiss GAAP FER.
[4] Vgl. IDW, WPH Edition, Wirtschaftsprüfung & Rechnungslegung, 18. Aufl. 2023, Kap. G Tz 119 f.
[5] Vgl. Grottel/Kreher, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 292 HGB Rz 25.

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