Rz. 112

Umweltschutzverpflichtungen sind Verbindlichkeitsrückstellungen. Die dortigen Grundsätze gelten analog (Rz 23 ff.). Soweit es sich um Umweltschutzverpflichtungen (z. B. Sanierungsverpflichtungen) auf privatrechtlicher Grundlage (z. B. Nachbarrecht, Deliktrecht[1], Umwelthaftungsgesetz[2]) handelt, ergeben sich keine Besonderheiten. Handelt es sich um öffentlich-rechtliche Verpflichtungen, sind nachfolgende Besonderheiten zu beachten.

 

Rz. 113

Umweltschutzverpflichtungen beruhen zumeist auf öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen. Derartige Verpflichtungen ergeben sich z. B. aus:

 

Rz. 114

Für Rückstellungen aufgrund öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen gelten grds. keine strengeren Voraussetzungen als für sonstige Verbindlichkeitsrückstellungen. Demnach ist es grds. nicht erforderlich, dass der Gläubiger (hier: die zuständige Behörde) Kenntnis von der Verpflichtung hat. Um jedoch dem sog. Unentziehbarkeitstheorem (Rz 46) Rechnung zu tragen, nimmt die nunmehr (zumindest weitgehend) einheitliche Rechtsprechung des BFH die erforderliche Konkretisierung der Verpflichtung erst dann an:[3]

  • bei einer Verfügung der zuständigen Behörde, wenn diese ein bestimmtes Handeln vorschreibt,
  • bei einer gesetzlichen Grundlage,

    • wenn diese ein inhaltlich genau bestimmtes Handeln vorsieht,
    • das innerhalb eines bestimmten Zeitraums erfüllt sein muss und
    • dieses Handlungsgebot sanktionsbewehrt und damit durchsetzbar ist.

Eine Rückstellung ist nach der BFH-Rechtsprechung erst zulässig, wenn der behördlichen Anordnung bis zum Abschlussstichtag nachzukommen war, diese gleichwohl nicht erfüllt wurde. Im Ergebnis kommt somit eine Rückstellungspassivierung nach der BFH-Rechtsprechung nur dann in Betracht, wenn entgegen der behördlichen Auflage die gesetzte Frist zur Umsetzung der Auflage nicht eingehalten wurde (verspätete oder verweigerte Umsetzung).

 

Rz. 115

Die o. g. Kriterien mögen auf bestimmte Umweltschutzverpflichtungen (z. B. Altlasten) zutreffen, aber längst nicht auf alle. Das Kriterium eines bestimmten Zeitraums wird den Besonderheiten dieser Verpflichtungen nicht gerecht. Sachverhaltsfeststellungen und Durchführung von Maßnahmen dauern oftmals Jahre.[4] Durch die Einbeziehung der zeitlichen Komponente in die Rückstellungsbewertung (Abzinsung, Berücksichtigung von Preis- und Kostensteigerungen) wird zudem dem zeitlichen Moment ausreichend Rechnung getragen.

 

Rz. 116

Rückstellungen für Umweltschutzverpflichtungen auf öffentlich-rechtlicher Grundlage sind nach den gleichen Grundsätzen zu bilden, wie dies für andere Verbindlichkeitsrückstellungen gilt. Es reicht somit aus, wenn eine aufgrund Gesetzes oder Verfügung bestehende Handlungspflicht des Bilanzierenden besteht und diese auch von der zuständigen Behörde durchgesetzt werden kann.[5] Hieraus mögen sich durchaus Unterschiede zwischen Handels- und Steuerbilanz ergeben, da die BFH-Rechtsprechung zur Passivierung von Rückstellungen für Umweltrisiken restriktiv ist.

 

Rz. 117

Dies gilt im Übrigen auch für faktische Verpflichtungen im Bereich des Umweltschutzes, denen sich der Bilanzierende nicht entziehen kann (Rz 30).

 
Praxis-Beispiel

Ein Unt kommt wegen Umweltverunreinigungen (Abwasserverschmutzung) in die öffentliche Diskussion, da sich Anwohner belästigt fühlen. Obwohl das Unt die maßgeblichen Grenzwerte einhält und rechtlich nicht belangt werden kann, führt der öffentliche Druck dazu, dass entsprechende Umweltschutzmaßnahmen zur Verminderung der Verschmutzung durchgeführt werden.

 

Rz. 118

Bei Altlastensanierungspflichten kann außerdem eine außerplanmäßige Abschreibung auf das betreffende Grundstück gem. § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB erforderlich sein. Dabei sind die Vornahme einer außerplanmäßigen Abschreibung und die Bildung einer Rückstellung für Altlastensanierung grds. unabhängig voneinander zu beurteilen; in der Summe sollten beide die erwarteten zukünftigen Sanierungsaufwendungen abdecken.[6] Zu beachten ist allerdings der Vorrang der außerplanmäßigen Abschreibung (Rz 136).

 

Rz. 119

Eine dauerhafte Wertminderung infolge Kontamination kann z. B. darin begründet liegen, dass entgegen ursprünglicher Ansicht das Grundstück nicht mehr bebaut, sondern lediglich als Abstellfläche genutzt werden kann. Das Erfordernis der außerplanmäßigen Abschreibung ist insb. in solchen Fällen erforderlich, in denen bei Anschaffung des Grundstücks eine bestehende Kontamination (mangels Kenntnis) nicht kaufpreismindernd berücksichtigt worden ist oder wenn ein zuvor lastenfreies Grundstück während der Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen kontaminiert wird. Ist dagegen bei Grundstückserwerb die Kontamination bekannt und wird sie kaufpreismindernd berücksichtigt, sind die Sanierungsaufwendungen im Regelfall als nachträgliche HK des Grundstücks zu behandeln, da hiermit eine wesentliche Verbesserung des Nutzenpotenzials des Grundstücks verbunden sein wird. Eine Ab...

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