Rz. 56

Zusätzliche Angaben im Anhang zur Begründung der weiteren Anwendung der Fortführungsprämisse werden für KapG nur bei wesentlicher Unsicherheit bzgl. der obwaltenden Ereignisse und Gegebenheiten gefordert. Sie sollten i. S. v. § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB die Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bilds der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sicherstellen.[1] Andernfalls vermittelt der Jahresabschluss kein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild. Demnach sind Anhangangaben in diesen Fällen erforderlich.[2]

 
Praxis-Beispiel

Die im Zusammenhang mit der Eindämmung der Corona-Pandemie verhängten Reise- und Kontaktbeschränkungen haben viele Geschäftsmodelle zumindest temporär behindert oder gar infrage gestellt. Der Gesetzgeber hat umfangreiche Stützungsmaßnahmen ergriffen und die Insolvenzantragspflicht temporär ausgesetzt.

Die Annahmen der gesetzlichen Vertreter müssen ausreichend begründet sein. Der Abschlussprüfer wird diese daher regelmäßig dahingehend zu würdigen haben, ob sie auf aktuellen Informationen aufsetzen, ob sie konsistent sind mit den für andere Zwecke (z. B. Budgetplanungen) unternehmensintern getroffenen Annahmen und ob sie mit verfügbaren Prognosen wichtiger Institutionen zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (z. B. Prognosen der Bundesregierung, des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, der EU-Kommission und führender Wirtschaftsforschungsinstitute) in Einklang zu bringen sind. Darüber hinaus wird zu würdigen sein, ob das tatsächliche Handeln der gesetzlichen Vertreter nicht im Widerspruch zu den getroffenen Annahmen steht (z. B. tatsächliche Beantragung oder Vorbereitung der Beantragung von in einer Liquiditätsprognose berücksichtigten staatlichen Liquiditätshilfen). Das Prüfungsurteil des Abschlussprüfers beinhaltet dagegen keine Aussage dazu, ob die den prognostischen Angaben oder den Rechnungslegungsinformationen mit Zukunftsbezug zugrundeliegenden Erwartungen eintreffen werden.[3]

Dennoch mag am Abschlussstichtag und auch bis zur endgültigen Aufstellung unsicher sein, ob und wann die Einschränkungen komplett aufgehoben werden und ob die Kunden dann das Geschäftsmodell weiter annehmen wie vor der Krise. In einer solchen Situation erscheint trotz grds. Einschätzung der Unternehmensfortführung als gegeben eine Anhangangabe notwendig.

Sind die einer Fortführung ggf. entgegenstehenden tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten nicht hinreichend konkret, um von einer Durchbrechung der Prämisse auszugehen, besteht die Vermutung der Fortführung des Unt grds. fort. Eine Verletzung der Generalnorm des § 264 HGB kann in diesen Fällen kaum attestiert werden und eine entsprechende Angabe ist nicht notwendig.

Die Aufgabe der Fortführungsprämisse ist abzugrenzen von entwicklungsbeeinträchtigenden Tatsachen oder bestandsgefährdenden Risiken. Hintergrund ist die aus § 321 Abs. 1 Satz 3 HGB abzuleitende Pflicht des Abschlussprüfers, über die bei Durchführung der Abschlussprüfung festgestellten Tatsachen zu berichten, welche die Entwicklung des geprüften Unt wesentlich beeinträchtigen oder seinen Bestand gefährden können. Ein bestandsgefährdendes Risiko liegt vor, wenn eine Unsicherheit in Bezug auf die Fähigkeit zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit besteht, deren Eintritt zwar nicht so wahrscheinlich ist, dass eine Abkehr von der Fortführungsannahme zu erfolgen hat, aufgrund der möglichen Auswirkungen und der nicht nur latenten Eintrittswahrscheinlichkeit jedoch eine angemessene Information der Abschlussadressaten erforderlich ist.[4] Entwicklungsbeeinträchtigende Tatsachen sind noch eine Stufe geringer; sie werden bestandsgefährdenden Risiken regelmäßig vorausgehen. Auch bei diesen muss es sich jedoch um Tatsachen handeln, die mehr als eine nur angespannte wirtschaftliche Lage des Unt verursachen. Während entwicklungsbeeinträchtigende Tatsachen i. d. R. Bestandteil des Risikoberichts nach den §§ 289 Abs. 1 Satz 4, 315 Abs. 1 Satz 4 HGB im (Konzern-)Lagebericht sind, müssen bestandgefährdende Risiken darüber hinaus auch im (Konzern-)Abschluss und im Bestätigungsvermerk berichtet werden.

 

Rz. 57

Wird die Fortführungsprämisse aufgegeben und führen besondere Umstände dazu, dass der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der KapG nicht vermittelt, sind zusätzliche Angaben im Anhang i. S. d. § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB zu machen.[5] Zudem sind Anhangangaben nebst Begründung i. S. d. § 284 Abs. 2 Nr. 2 Hs. 1 HGB erforderlich, wenn aufgrund des Wegfalls der going-concern-Prämisse der Grundsatz der Ansatz- und/oder Bewertungsstetigkeit durchbrochen wird.[6] Nach § 284 Abs. 2 Nr. 2 Hs. 2 HGB ist zudem der Einfluss auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage darzustellen. Aus § 284 Abs. 2 Nr. 1 HGB ergibt sich dann die Anforderung zur Angabe der auf die Posten der Bilanz und GuV angewandten (neuen/abweichenden) Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden (§ 284 Rz 30 ff.).

 

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