Rz. 40

Das HGB enthält keine ausdrückliche Pflicht zur Vornahme einer spezifischen Einschätzung der Fähigkeit des Unt zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit durch die gesetzlichen Vertreter. Bereits aus dem Charakter als gesetzlich unterstellter Regelfall ist eine Prüfung auf Nichtbestehen der Fortführungsprämisse bzw. auf das Vorliegen entgegenstehender rechtlicher oder wirtschaftlicher Gegebenheiten nur dann notwendig, wenn Anhaltspunkte für die Abweichung vom Regelfall vorliegen. Gleichwohl ist diese Einschätzung Grundvoraussetzung für die Aufstellung eines HGB-Abschlusses und ist entscheidend für die Anwendung der Ansatz-, Bewertungs-, Ausweis- und Erläuterungsregelungen im Abschluss. Damit ist es auch bei Aufstellung sämtlicher HGB-Abschlüsse erforderlich, dass die gesetzlichen Vertreter eine Einschätzung der Fähigkeit des Unt zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit vornehmen.[1] Sollten die gesetzlichen Vertreter die Einschätzung nicht von sich aus vorgenommen und dokumentiert haben, hat nach IDW PS 270.15b n. F. der Abschlussprüfer "die Grundlage für die beabsichtigte Anwendung des Rechnungslegungsgrundsatzes der Fortführung der Unternehmenstätigkeit zu erörtern und die gesetzlichen Vertreter zu befragen, ob Ereignisse oder Gegebenheiten vorliegen, die einzeln oder insgesamt bedeutsame Zweifel an der Fähigkeit des Unternehmens zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufwerfen können." Dies verlangt häufig keine tiefergehenden Analysen. Vielmehr kann in offenkundigen Fällen eine intensivere Prüfung unterbleiben. Das IDW unterstellt dies, wenn das Unt in der Vergangenheit nachhaltig Gewinne erzielt hat, in denen das Unt leicht auf finanzielle Mittel zurückgreifen kann und keine bilanzielle Überschuldung droht,[2] doch erscheint letztlich als einzig entscheidendes Kriterium die (leichte) Verfügbarkeit von liquiden Mitteln als ausreichend. Als Indizien für ein Nichtbestehen der Fortführungsprämisse, die eine genauere Prüfung bedingen, werden in IDW PS 270.A5 n. F. aufgeführt:

  • Die Schulden übersteigen das Vermögen oder die kurzfristigen Schulden übersteigen das Umlaufvermögen;
  • Darlehensverbindlichkeiten mit fester Laufzeit, die fällig werden, ohne dass eine realistische Aussicht auf Verlängerung oder auf Rückzahlung besteht;
  • das Unt verlässt sich in erheblichem Ausmaß auf kurzfristige Darlehen zur Finanzierung langfristiger Vermögenswerte;
  • Anzeichen für den Entzug finanzieller Unterstützung durch Gläubiger;
  • vergangenheits- oder zukunftsorientierte Finanzaufstellungen deuten auf negative betriebliche Cashflows hin;
  • ungünstige Schlüsselfinanzkennzahlen;
  • erhebliche betriebliche Verluste oder erhebliche Wertbeeinträchtigung bei Vermögenswerten, die zur Erwirtschaftung von Cashflows dienen;
  • ausstehende oder ausgesetzte Gewinnausschüttungen;
  • Unfähigkeit, Verbindlichkeiten bei ihrer Fälligkeit zu begleichen;
  • Unfähigkeit, die Bedingungen von Darlehensvereinbarungen zu erfüllen;
  • Weigerung von Lieferanten, weiterhin ein Zahlungsziel einzuräumen;
  • Unfähigkeit, Finanzmittel für wichtige neue Produktentwicklungen oder für andere wichtige Investitionen zu beschaffen;
  • Absicht der gesetzlichen Vertreter zur Liquidierung des Unternehmens oder zur Einstellung der Geschäftstätigkeit;
  • Ausscheiden von Führungskräften in Schlüsselfunktionen ohne adäquaten Ersatz;
  • Verlust von wichtigen Absatz- oder Beschaffungsmärkten, bedeutenden Kunden oder Lieferanten sowie Kündigung von wichtigen Franchise- oder Lizenzverträgen;
  • Konflikte mit der Belegschaft;
  • Engpässe bei wichtigen Zulieferungen;
  • Markteintritt eines sehr erfolgreichen Konkurrenten;
  • Verstöße gegen Eigenkapitalvorschriften oder andere gesetzliche Regelungen, wie z. B. Solvenz- oder Liquiditätsanforderungen für Kreditinstitute;
  • anhängige Gerichts- oder Aufsichtsverfahren gegen das Unt, die zu Ansprüchen führen können, die wahrscheinlich nicht erfüllbar sind;
  • Änderungen von Gesetzen oder anderen Rechtsvorschriften sowie politische Entscheidungen, die voraussichtlich nachteilige Auswirkungen für das Unt haben;
  • unzureichender Versicherungsschutz bei Eintritt einer Katastrophe.

Möglich sind in diesem Zusammenhang etwa die Verwendung von Kennzahlen- und Risikoanalysen und die Einordnung in Gefährdungsklassen.[3] Dabei handelt es sich nicht um eine Prüfung auf tatsächliches Vorliegen entgegenstehender rechtlicher oder wirtschaftlicher Gegebenheiten, sondern lediglich um eine Art Vorprüfung. Diese ist aus Sicht des BGH auch notwendig bei der die Aufstellung unterstützende Erstellung eines Jahresabschlusses durch einen StB. Dieser hat bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit bei Erstellung des Jahresabschlusses solche Umstände zu erkennen und muss dann "entweder klären, ob diese Umstände tatsächlich vorliegen oder tatsächlich nicht geeignet sind, die Fortführungsprognose infrage zu stellen, oder er muss dafür Sorge tragen, dass die Gesellschaft eine explizite Fortführungsprognose erstellt."[4] Zur Prüfung auf Vorliegen entgegenstehender Gegebenheiten s. Rz 42. Zu beachten ist aber, dass...

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