Rz. 33

Beim unentgeltlichen Erwerb eines VG (z. B. im Fall einer Erbschaft oder Schenkung) erbringt der Erwerber für den Erhalt des VG keine Gegenleistung. Die Aktivierung unentgeltlich erworbener VG ist daher im Fachschrifttum umstritten; die Auffassungen erstrecken sich von einem Aktivierungsverbot über ein Aktivierungswahlrecht bis hin zu einem Aktivierungsgebot.

 

Rz. 34

Die hier vertretene Auffassung spricht sich für eine uneingeschränkte Beachtung des Vollständigkeitsgebots des § 246 Abs. 1 HGB und damit für eine Aktivierungspflicht von unentgeltlich erworbenen VG aus.[1] Vom Vollständigkeitsgebot des § 246 Abs. 1 HGB kann nach dem Wortlaut der Regelung nur dann abgewichen werden, wenn durch das Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Eine abweichende Regelung wird allerdings vom Gesetz für den Fall des unentgeltlichen Erwerbs von VG nicht getroffen. Die Höhe der (fiktiven) AK eines unentgeltlich erworbenen VG richtet sich nach dem Marktpreis des VG im Anschaffungszeitpunkt.[2]

 

Rz. 35

Als Gegenkonto bei der Verbuchung des Zugangs eines unentgeltlich erworbenen VG kommt regelmäßig nur ein Ertragskonto infrage. Eine erfolgsneutrale Gegenbuchung im Eigenkapital ist nur möglich, sofern es sich bei dem unentgeltlich erworbenen VG um eine Kapitaleinlage in Form einer Sacheinlage handelt.[3]

 

Rz. 36

Unter der Voraussetzung, dass keine Sacheinlage vorliegt, ist ein unentgeltlich erworbenes einzelnes Wirtschaftsgut in der Steuerbilanz mit dem gemeinen Wert (gem. § 9 Abs. 2 BewG) als fiktive AK zu bewerten (§ 6 Abs. 4 EStG).

[1] Gl. A. Knop u. a., in Küting/Weber, HdR-E, § 255 HGB Rn 107, Stand: 11/2016; Kahle u. a., in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 255 HGB Rz 75, Stand: 12/2021; a. A. ADS, 6. Aufl. 1995–2001, § 255 HGB Rz 83, die hier generell ein Aktivierungswahlrecht sehen. Im Fall des unentgeltlichen Erwerbs eines immateriellen VG gehen Knop u. a. allerdings von einem Aktivierungswahlrecht aus.
[2] Vgl. Ballwieser, in MünchKomm. HGB, 4. Aufl. 2020, § 255 HGB Rn 45.
[3] Vgl. Ballwieser, in MünchKomm. HGB, 4. Aufl. 2020, § 255 HGB Rn 46.

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