Rz. 13

Obwohl nach § 243 Abs. 1 HGB schon generell die GoB bei der Aufstellung des Jahresabschlusses zu beachten sind, fordert § 256 Satz 1 HGB wiederholend und damit verschärfend die Einhaltung der GoB bei der Entscheidung für die Anwendung bewertungsvereinfachender Verbrauchsfolgeverfahren. Dadurch soll sichergestellt werden, dass ein GoB-konformer Ausgleich zwischen der auf einer Fiktion beruhenden, zweckgerechten Bewertungsvereinfachung und den (allgemeinen) Rechnungslegungszielen gefunden wird,[1] insb. soll offensichtlicher Missbrauch ausgeschlossen werden.[2]

 

Praxis-Beispiele[3]

  • Ein GoB-konformer Ausgleich kann angenommen werden, wenn die Ermittlung der individuellen AK im Einzelfall ausgeschlossen ist (z. B. im Fall der Vermischung von Flüssigvorräten) oder mit unvertretbar hohem Aufwand verbunden wäre (z. B. bei Massenartikeln).
  • Im Fall eines Autohändlers ist die Anwendung des Lifo-Verfahrens zur Bewertung von zum Verkauf bestimmten Pkw nicht mit den GoB vereinbar. Die (absolut betrachtet) hohen Erwerbsaufwendungen und die ohne Weiteres mögliche individuelle Ermittlung und Zuordnung der AK rechtfertigen mangels einer konkreten, die Rechnungslegung vereinfachenden Wirkung nicht die Abkehr vom Einzelbewertungsgrundsatz.
 

Rz. 14

Mit den GoB grds. vereinbar ist, dass die unterstellte Verbrauchs- oder Veräußerungsfolge nicht mit der tatsächlichen übereinstimmt; eine Abweichung liegt gerade in der Natur einer Verbrauchsfolgefiktion. Von einer Unzulässigkeit der Verbrauchsfolgebewertung wird nur in den (Ausnahme-)Fällen ausgegangen, in denen die zugrunde gelegte Fiktion vor dem Hintergrund der tatsächlichen betrieblichen Verhältnisse völlig undenkbar erscheint.

 
Praxis-Beispiel

Bewertung von leicht verderblicher Ware wie z. B. Fisch oder Fleisch nach dem Lifo-Verfahren.

 

Rz. 15

Entsprechend dem Grundsatz der Bewertungsstetigkeit des § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB ist bei Vorliegen gleicher wertbestimmender Bedingungen objektübergreifend das gewählte Verfahren auf alle gleichen oder gleichartigen VG anzuwenden (§ 252 Rz 142). Abweichungen lässt § 252 Abs. 2 HGB nur in begründeten Ausnahmefällen zu (§ 252 Rz 142, Rz 151 ff.).

 

Rz. 16

Unabhängig von dem gewählten Verbrauchsfolgeverfahren ist nach dessen Abschluss stets die Einhaltung des (strengen) Niederstwertprinzips gem. § 253 Abs. 4 HGB zu prüfen (§ 253 Rz 279 ff.), da die Bewertungsvereinfachungsverfahren nicht sicherstellen, dass ein ermittelter Schätzwert für das Vorratsvermögen dessen Börsen- oder Marktwert, respektive beizulegenden Wert, nicht übersteigt; bei Wegfall der Gründe für die außerplanmäßige Abschreibung wird eine entsprechende Zuschreibung gem. § 253 Abs. 5 Satz 1 HGB erforderlich (§ 253 Rz 331 ff.).

[1] Vgl. Ballwieser, in Schmidt, MünchKomm. HGB, 4. Aufl. 2020, § 256 HGB Rn 3; vgl. auch BFH, Urteil v. 20.6.2000, VIII R 32/98, BStBl 2001 II S. 636, mit Hinweis auf einen Wertungskompromiss zwischen den Grundsätzen der Einzelbewertung und der periodengerechten Aufwandsabgrenzung einerseits und dem vom Wesentlichkeitsprinzip bestimmten Grundsatz der Wirtschaftlichkeit andererseits.
[2] Vgl. ADS, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995–2001, § 256 HGB Rn 14.
[3] Vgl. hierzu BFH, Urteil v. 20.6.2000, VIII R 32/98, BStBl 2001 II S. 636; vgl. zur durchaus kontroversen Diskussion dieses Urteils m. w. N. Kessler/Suchan, DStR 2003, S. 345 ff., sowie Hüttemann/Meinert, DB 2013, S. 1867 f.; das Urteil unterstützend Lüdenbach, StuB 2009, S. 655; vgl. kritisch zur Übertragung der Grundsätze des Urteils auf die computergestützte Lagerhaltung Hildebrandt, DB 2011, S. 1999 ff.; vgl. (für die generelle steuerbilanzielle Zulässigkeit) klarstellend BMF, Schreiben v. 12.5.2015, IV C 6 – S 2174/07/10001 :002, Rz 5 f., wonach allerdings bei Handelswaren die Anwendung des Lifo-Verfahrens unzulässig ist, sofern es "z. B. durch im Betrieb eingesetzte moderne EDV-Systeme technisch möglich (ist, d. Verf.), die individuellen Anschaffungskosten der einzelnen Wirtschaftsgüter ohne weiteres zu ermitteln (z. B. durch Codierung)".

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