Rz. 6

Die Rechtsfolgen des § 264a Abs. 1 HGB treten ein, wenn nicht mindestens eine natürliche Person als Vollhafter vorhanden ist.

Zur Prüfung der Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals ist zunächst festzustellen, ob sich eine natürliche Person rechtswirksam als Vollhafter an der Ges. beteiligt hat. Davon kann ausgegangen werden, wenn die Gesellschaftsbeteiligung zum einen auf den Namen und zum anderen auf Rechnung der natürlichen Person gehalten wird. Dadurch sollen Konstellationen der Beteiligung für Rechnung einer KapG oder auch treuhänderische Beteiligungen ausgeschlossen werden. Die Übernahme der unbeschränkten Haftung erfolgt durch die Begründung der jeweiligen Stellung (OHG-Gesellschafter oder KG-Komplementär) im Gesellschaftsvertrag. Eine Beteiligung des Vollhafters am Gewinn oder Verlust ist nicht notwendig. D. h., selbst wenn bei einer GmbH & Co. KG die GmbH mit 0 % an der KG beteiligt ist, liegt eine Vollhafterstellung vor, da eine Außenhaftung durch die Beteiligung von 0 % nicht eingeschränkt wird.

 

Rz. 7

Des Weiteren muss die natürliche Person geschäftsfähig sein. Dies setzt die Vollendung des 18. Lebensjahres voraus bzw. für den Fall einer beschränkten Geschäftsfähigkeit (Vollendung des 7. Lebensjahres, aber noch keine Vollendung des 18. Lebensjahres) den Vertragsschluss mit dem gesetzlichen Vertreter und die Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht.

 

Rz. 8

Verlustübernahmen aufgrund rein schuldrechtlicher Vereinbarungen oder aufgrund von Bürgschaftsübernahmen können die gesellschaftsrechtliche Vollhafterstellung nicht kompensieren. Fraglich ist bislang, ob die Aufnahme eines Vollhafters, die faktisch die Haftungsbasis über das Gesellschaftskapital hinaus nicht verbreitert, weil die Vollhafterfunktion der natürlichen Person z. B. aufgrund vorliegender Mittellosigkeit gar nicht ausgefüllt werden kann, auch zu einer Vermeidung von Offenlegungspflichten analog der Vorschriften für KapG führt.[1] Unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des BGH[2] wird in Teilen des Schrifttums[3] die Auffassung vertreten, dass § 264a HGB nicht an eine angemessene Finanzausstattung des phG anknüpft, sodass wohl lediglich eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung i. S. d. § 826 BGB beanstandet werden könnte.[4]

 

Rz. 9

Die Frage der Staatsangehörigkeit der natürlichen Person ist unerheblich.

Eine konkrete Tätigkeit des phG für die PersG ist nicht erforderlich. Entsprechend den Vorschriften des § 115 Abs. 1 HGB und des § 125 Abs. 1 HGB ist es danach durchaus unschädlich, wenn der phG von der Geschäftsführung und/oder Vertretung der PersG durch eine Regelung im Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen wird.[5] Es ist lediglich gesellschaftsvertraglich sicherzustellen, dass ein Gesellschafter zur Geschäftsführung und Vertretung berechtigt ist. Dies kann auch eine juristische Person sein.

 

Rz. 10

Bzgl. des Beurteilungszeitpunktes für die Anwendung von § 264a Abs. 1 Nr. 1 HGB ist nach h. M. der Bilanzstichtag maßgeblich. Nach Mindermeinung wird als maßgeblicher Zeitpunkt sogar der Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses angesehen.[6] Auch bei Anwendung des Bilanzstichtags als maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt bleibt festzuhalten, dass die Offenlegungspflicht damit auch für Zeiträume vor dem Eintritt der natürlichen Person als phG entfallen kann. Diese Auffassung geht auf eine Entscheidung des Landgerichts Osnabrück vom 1.7.2005[7] zurück. Danach führt die Aufnahme einer natürlichen Person als Vollhafter dazu, dass auch Abschlüsse zu Stichtagen vor der Aufnahme des natürlichen Vollhafters nicht mehr offenzulegen sind.

Aufgrund des Urteils des Landgerichts hat das IDW in seiner einschlägigen Stellungnahme zur Rechnungslegung bei Personenhandelsgesellschaften Tz 5 ergänzt.[8] Erfolgt der Eintritt einer natürlichen Person als phG erst nach dem Abschlussstichtag, entfällt die Pflicht zur Anwendung der Regeln für KapG gem. §§ 264 bis 335b HGB sowohl mit Wirkung für die Zukunft als auch für die Vergangenheit. Es besteht vom Zeitpunkt des Eintritts einer natürlichen Person als Vollhafter nicht mehr das Bedürfnis, die strengeren für KapG geltenden Vorschriften anzuwenden. Die Wirkung auch mit Bezug auf die Vergangenheit ist nach der Urteilsbegründung des Landgerichts deshalb geboten, weil der Eintretende gem. §§ 161 Abs. 2 und 130 Abs. 1 HGB ab dem Eintrittszeitpunkt auch für alle bereits entstandenen Verbindlichkeiten persönlich unbeschränkt haftet. Insoweit bedürfen die Gläubiger der Ges. weder eines vergangenheits- noch eines zukunftsbezogenen erweiterten Schutzes durch die Offenlegung von Jahresabschlüssen der Ges.[9] Für die gestaltende Praxis ist von Interesse, dass bei dem zugrunde liegenden Urteilsfall die Registereintragung des Gesellschaftereintritts erst zeitlich nach dem Erlass der Verfügung vollzogen wurde, mithin zu einem Zeitpunkt, in dem sich das Unt bereits im Anordnungsverfahren wegen der Verletzung von Offenlegungspflichten befand. Für die Praxis kann damit davon ausgegangen werden, dass ein offenlegungsbefreiender Gesellschafte...

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