Rz. 27

Offenzulegen bzw. zu hinterlegen sind die Unterlagen der Rechnungslegung der Hauptniederlassung, die nach dem dort geltenden Recht erstellt, geprüft und offengelegt bzw. hinterlegt wurden. Hieraus ergibt sich, dass keine gesonderte Erstellungspflicht oder eine Begrenzung von Angaben der Hauptniederlassung in dem anderen Staat auf die inländische Zweigniederlassung zu erfolgen hat. Es sind die im Ausland vorhandenen Unterlagen zu verwenden. Folglich sind für den Umfang der offenzulegenden Unterlagen die Vorgaben des ausländischen Rechts entscheidend. Zumindest für EU- und EWR-Unt ist davon auszugehen, dass die Rechnungslegungs- und Prüfungsvorschriften in den betroffenen Staaten einander angeglichen sind.[1] Da die Vorschriften insb. aufgrund der den Mitgliedstaaten eingeräumten Wahlrechte jedoch nicht identisch ausgestaltet sind, hat dies zur Folge, dass die offenzulegenden Unterlagen zwischen den einzelnen Staaten variieren können.[2]

 
Praxis-Beispiel

Ein ausländisches Unt, das eine Zweigniederlassung in der Bundesrepublik Deutschland unterhält, wird in der Rechtsform eines EinzelUnt geführt. Die ausländische Rechtsordnung sieht für diese Unternehmensform Erleichterungen vor, die eine Offenlegung von personenbezogenen Daten verhindern sollen. Diese Erleichterungen gelten auch i. R. d. inländischen Offenlegungspflicht, unabhängig davon, ob das deutsche Recht vergleichbare Befreiungen vorsieht.

 

Rz. 28

Zu den offenlegungs- bzw. hinterlegungspflichtigen Unterlagen gehören die Bilanz, die GuV, der Anhang, der Lagebericht, der Bestätigungsvermerk oder der Versagungsvermerk des Abschlussprüfers, ein Vorschlag zur Verwendung des Ergebnisses und der Beschluss über die Verwendung des Ergebnisses. Dies setzt jedoch jeweils voraus, dass diese Unterlagen nach dem nationalen Recht des Sitzstaates erstellt werden müssen. Besteht nach seinem Recht eine Befreiung (z. B. von der Pflicht zur Prüfung des Jahresabschlusses infolge des Nichterreichens bestimmter Größenklassen), müssen diese Unterlagen im Inland auch nicht offengelegt bzw. hinterlegt werden. Insoweit ist auch nach ausländischem Recht zu entscheiden, ob sich der Bilanzersteller zutreffenderweise auf bestimmte Befreiungs- oder Erleichterungsvorschriften beruft.

 

Rz. 29

Unterlagen, die nicht nach ausländischem Recht offenlegungs-, hinterlegungs- oder prüfungspflichtig sind, fallen nicht in den Anwendungsbereich des § 325a HGB. Dies gilt insb. wenn das ausländische Recht (größenabhängige) Erleichterungen bei der Offenlegung, Hinterlegung oder Prüfung vorsieht. Etwas anderes gilt für Erweiterungen, die mit "den Unterlagen der Rechnungslegung" gemeinsam geprüft und offengelegt werden. Der Bestätigungs- bzw. Versagungsvermerk ist regelmäßig offenlegungspflichtig.

 

Rz. 30

Die Offenlegungspflicht erfasst auch einen Konzernabschluss, wenn die Hauptniederlassung nach ihrem lokalen Recht einen solchen aufzustellen hat. Unterbleibt dies, weil sie ihrerseits in einen Konzernabschluss einbezogen wird, muss der "Mutterkonzernabschluss" offengelegt werden. Kann sich hingegen die ausländische Ges. zu Recht auf eine nationale Befreiungsvorschrift berufen (z. B. in Abhängigkeit von der Größe), die nicht auf einer Einbeziehung in einen anderen Konzernabschluss beruht, kann die Offenlegung im Inland unterbleiben. Dies kann dazu führen, dass ein "Mutterkonzernabschluss" offengelegt wird, der nach völlig anderen Regelungen aufgestellt wird, als dies in der Bundesrepublik Deutschland oder bei EWR-Staaten nach Maßgabe des europäischen Bilanzrechts geschehen müsste.

 

Rz. 31

Aus der Bindung an die ausländischen Unterlagen folgt, dass eine evtl. freiwillige Erweiterung des ausländischen Abschlusses der Mutterges. im Inland ebenfalls offenzulegen bzw. zu hinterlegen ist. Daher darf keine Änderung der im Ausland offengelegten bzw. hinterlegten Unterlagen erfolgen.[3] Hierfür spricht auch der Wortlaut, wonach nicht auf die Prüfungspflicht abgestellt wird, sondern auf die Prüfung. Hingegen führt eine freiwillige Offenlegung im Ausland nicht dazu, dass diese Unterlagen beim Register der inländischen Zweigniederlassung einzureichen sind. Allerdings ist eine freiwillige Offenlegung möglich.

 

Rz. 32

Werden die offen- bzw. hinterlegungspflichtigen Unterlagen geändert, unterliegen diese Änderungen ebenfalls der Publizität im Inland, sofern dies nach Maßgabe des ausländischen Rechts offenlegungs- oder hinterlegungspflichtig ist.

[1] Vgl. BT-Drs. 12/5170, S. 15 unter Hinweis auf die Verpflichtung zur Durchführung der Richtlinien der EG auch in den EWR-Staaten aufgrund des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (ABl. EG, Nr. L 1/3–36 v. 3.1.1994).
[2] Zur Kritik am derzeitigen Harmonisierungstand in der EU, vgl. Mühlbauer, Harmonsierung der Rechnungslegung in der Europäischen Union durch die EU-Bilanzrichtlinie 2022, S. 423 ff.
[3] Vgl. ADS, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6 Aufl. 1995–2001, § 325a HGB Rz 28 und 38.

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