Rz. 3

Nach § 243 Abs. 1 HGB ist der Jahresabschluss nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) aufzustellen. Der Begriff der GoB wird vom Gesetzgeber mehrfach gebraucht, aber nicht definiert. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff,[1] der im Zusammenwirken von Rechtsprechung, fachkundigen Praktikern und Vertretern der Betriebswirtschaftslehre auszulegen ist. Mit dem Begriff der GoB werden sämtliche handelsrechtliche Buchführungs- und Bilanzierungsgrundsätze bezeichnet. Diese haben die Aufgabe, eine Leitlinie für die Behandlung aller Sachverhalte in Buchführung und Jahresabschluss zu bieten, selbst wenn keine kodifizierten Rechnungslegungsvorschriften existieren.

 

Rz. 4

Die GoB umfassen den obersten Beurteilungsmaßstab der prinzipienbasierten deutschen Rechnungslegung, die im Gegensatz zu der eher regelbasierten Rechnungslegung anglo-amerikanischer Prägung steht. Sie beinhalten sowohl die kodifizierten gesetzlichen Vorschriften als auch nicht kodifizierte Rechnungslegungsnormen. Wegen der umfassenden Kodifizierung von GoB durch das BiRiLiG 1985 haben nicht kodifizierte Grundsätze seither deutlich an Bedeutung verloren.[2] Diese Tendenz hat sich im Zuge des BilMoG insb. durch die tendenzielle Einschränkung von Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten fortgesetzt.

 

Rz. 5

Bei der Ermittlung der GoB werden die induktive, die deduktive sowie die hermeneutische Methode unterschieden.[3] Bei der induktiven Methode wird das Verhalten eines durchschnittlichen ehrbaren Kfm. empirisch festgestellt und daraus die GoB abgeleitet. Die Auffassung, dass die GoB nicht durch statistische Erhebungen, sondern durch Nachdenken ermittelt werden sollten, führte zu der deduktiven Methode. Diese Methode versucht, aus den Zwecken des handelsrechtlichen Abschlusses ein System von GoB zu entwickeln, wobei Entscheidungshilfen heranzuziehen sind, wie z. B.:[4]

  • Gesetze und die zugrundeliegenden EG-/EU-Richtlinien;
  • Rechtsprechung des BGH (RG), des EuGH, des BFH;
  • Stellungnahmen des IDW zur Rechnungslegung (IDW St/HFA, IDW RS u. a.) einschl. der zugehörigen Hinweise (IDW RH);
  • gutachterliche Stellungnahmen des DIHT und der IHK;
  • die gesicherten Erkenntnisse der BWL, der Fachliteratur sowie der Bilanzierungspraxis ordentlicher Kaufleute.

Die hermeneutische Methode, die durch eine ganzheitliche Betrachtungsweise charakterisiert ist, verbindet schließlich Elemente der Induktion und der Deduktion. Die hermeneutische Methode verlangt zur Ableitung der GoB die Berücksichtigung verschiedener Kriterien wie Gesetzeswortlauf und -sinn, dessen Bedeutungszusammenhang sowie Entstehungsgeschichte und Zielsetzung des Gesetzgebers.

Eine allseits akzeptierte Lehre zur Ermittlung der GoB hat sich in der Literatur bislang noch nicht herausgebildet.

 

Rz. 6

Mit der Diskussion um einen zunehmenden Einfluss der IFRS auf die deutsche Rechnungslegung wird deren mögliche Anerkennung als GoB diskutiert.[5] Die stärkere Betonung der Informationsfunktion sowie die Kodifizierung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise in Anlehnung an die IFRS-Terminologie zum wirtschaftlichen Eigentum i. R. d. BilMoG zeigen eine Annäherung an die IFRS. Der Gesetzgeber hat dabei ausdrücklich auf das Fortbestehen der bisherigen handelsrechtlichen GoB hingewiesen: "Insbesondere behalten das Vorsichtsprinzip, das Realisationsprinzip und das Stichtagsprinzip ihre bisherige Bedeutung. Einige der im Gesetzentwurf enthaltenen Vorschriften wurden lediglich punktuell anders gewichtet, d. h. die Informationsfunktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses wird insoweit stärker betont."[6] Handelsrechtliche GoB i. S. d. § 243 Abs. 1 HGB sind Rechtsnormen und "bilden ein selbständiges Regelungswerk, das nicht etwa die IFRS einschließt oder von diesen verdrängt wird".[7] Da die IFRS ausschließlich auf Informationsvermittlung abzielen und das HGB darüber hinaus v. a. eine Gewinnausschüttungsbemessungsfunktion hat, bestehen insoweit grundlegende Unterschiede zwischen den Regelwerken. Es erscheint unwahrscheinlich, dass Gerichte einer Auslegung der Rechtsnormen der handelsrechtlichen GoB durch die IFRS folgen würden. Soweit dennoch bei Fehlen detaillierter und eigenständiger HGB-Rechnungslegungsnormen Auslegungshinweise in den IFRS gesehen werden (§ 246 Rz 18), sind diesen enge Grenzen gesetzt und auf die vom Gesetzgeber selektiv und kasuistisch aufgegriffenen und aus den IFRS in das HGB übernommenen Vorschriften beschränkt. IFRS können bei der Anwendung des HGB-Bilanzrechts lediglich als Erkenntnisquelle des Rechtsvergleichs, aber nicht als Rechtsquelle im juristischen Sinn berücksichtigt werden.

 

Rz. 7

Die Klärung bedeutender (steuerlicher) Streitfälle erfolgt durch die gerichtliche Letzt-Instanz, den BFH, in seltenen Fällen auch durch den BGH. Trotz der häufigen Befassung mit grundsätzlichen Fragen der GoB ist der BFH kein GoB-Standardsetzer, seine Rechtsprechung gilt vielmehr als eine von mehreren Erkenntnisquellen für die Ableitung der GoB.[8] Im Zuge der durch das BilMoG vorgenommenen z...

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