Rz. 25

Das Temporary-Konzept und die daraus abgeleitete Verbindlichkeitsmethode liegen den Regelungen von § 274 HGB zugrunde. Im Gegensatz zu den international verbreiteten Regelungen (IAS 12) sieht § 274 HGB jedoch für einen Aktivüberhang an latenten Steuern lediglich ein Aktivierungswahlrecht vor. Für einen Passivüberhang latenter Steuern besteht eine Passivierungspflicht.

 

Rz. 26

Der Gesetzeswortlaut spricht von Differenzen in Wertansätzen von VG, Schulden oder RAP. Soweit in Handels- oder Steuerbilanz weitere Bilanzposten angesetzt werden, die nicht in dieser Aufzählung genannt sind, hat hierfür gleichwohl eine Steuerlatenzierung zu erfolgen, soweit bei diesen Bilanzposten temporäre Differenzen bestehen.

 
Praxis-Beispiel

In der Handelsbilanz ist auf der Aktivseite als letzter Posten ein aktiver Unterschiedsbetrag aus Vermögensverrechnung (§ 246 Rz 107) ausgewiesen. Das hierin enthaltene Deckungsvermögen ist zum Zeitwert angesetzt, während in der Steuerbilanz für dieses Vermögen das Anschaffungskostenprinzip zu beachten gilt.

Es handelt sich um eine temporäre Differenz, die in die Steuerlatenzierung einzubeziehen ist.

 

Rz. 27

Temporäre Differenzen treten nicht nur an jedem Abschlussstichtag, sondern auch beim erstmaligen Ansatz von VG und Schulden auf. Auch in derartigen Fällen sind auf etwaige temporäre Differenzen Steuerlatenzen zu bilden (s. Praxis-Beispiel in Rz 126). Aufgrund der Ergebnisneutralität von Anschaffungsvorgängen erfolgt die Einbuchung derartiger latenter Steuern erfolgsneutral.

 

Rz. 28

Gegenstand des Aktivierungswahlrechts ist eine erwartete sich insgesamt ergebende Steuerentlastung. Hierin enthalten sind neben den aktiven latenten Steuern aus temporären Differenzen auch aktive latente Steuern auf steuerliche Verlustvorträge (Rz 47).[1] Das Aktivierungswahlrecht bezieht sich ausschl. auf den die passiven latenten Steuern übersteigenden Teil der aktiven latenten Steuern (Aktivüberhang), eine Aktivierung von Teilbeträgen – z. B. nur auf ausgewählte Einzelsachverhalte oder unter Ignorierung der steuerlichen Verlustvorträge – ist unzulässig (zum Zusammenspiel des Aktivierungswahlrechts mit der Gesamtdifferenzenbetrachtung vgl. Rz 36 ff. inkl. Praxis-Beispiel).[2]

 

Rz. 29

Das Aktivierungswahlrecht ist vom Wortlaut der Vorschrift her weit gefasst, d. h. könnte demnach zu jedem Abschlussstichtag neu ausgeübt werden. Zu beachten ist jedoch, dass § 246 Abs. 3 HGB ein Stetigkeitsgebot für Ansatzmethoden vorgibt (§ 246 Rz 134).

 

Rz. 30

Die Anwendung dieses Stetigkeitsgebots führt im Zusammenspiel mit dem Aktivierungswahlrecht nach § 274 Abs. 1 Satz 2 HGB dazu, gleiche Sachverhalte stetig zu beurteilen. D. h., entscheidet sich der Bilanzierende, aktive latente Steuern anzusetzen, ist diese Entscheidung aufgrund des Stetigkeitsgebots auch für nachfolgende Abschlussstichtage bindend.

 

Rz. 31

§ 246 Abs. 3 HGB sieht die entsprechende Anwendung von § 252 Abs. 2 HGB vor. Danach darf vom Stetigkeitsgrundsatz nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden (DRS 18.16). Eine Abweichung ist nicht allein deshalb schon begründet, wenn sie im Anhang angegeben wird. Sachlich begründete Ausnahmefälle liegen nur vor, wenn:[3]

  1. die Abweichung unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung eine Verbesserung des Einblicks in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt;
  2. die Abweichung im Jahresabschluss zur Anpassung an konzerneinheitliche Bilanzierungs- und Bewertungsregelungen erfolgt;
  3. die Abweichung durch eine Änderung der rechtlichen Gegebenheiten (insb. Änderung von Gesetz und Gesellschaftsvertrag/Satzung, Änderung der Rechtsprechung) veranlasst ist;
  4. die Abweichung dazu dient, Ansatz- oder Bewertungsvereinfachungsverfahren in Anspruch zu nehmen;
  5. die Abweichung erforderlich ist, um steuerliche Ziele zu verfolgen.
 

Rz. 32

Insb. der erste Durchbrechungsgrund, verbesserter Einblick in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, lässt nur eine Durchbrechung der Stetigkeit dergestalt zu, dass ein Bilanzierender von "Nicht-Aktivierung" zu "Aktivierung" wechselt. Der umgekehrte Weg, von "Aktivierung" zu "Nicht-Aktivierung" zu wechseln, wird regelmäßig scheitern, da der Ansatz von aktiven latenten Steuern einen verbesserten Einblick in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unt gewährt.[4]

 

Rz. 33

Gelingt es auch nicht, einen der anderen begründeten Ausnahmefälle für einen Wechsel von der "Aktivierung" zur "Nicht-Aktivierung" in Anspruch nehmen zu können, verbleiben als einziger Ausweg aus der "Ansatzfalle" umwandlungsrechtliche Gestaltungen, z. B. Verschmelzung auf einen anderen Rechtsträger, der keine Aktivierung von aktiven latenten Steuern vornimmt. Insoweit bestehen enge Parallelen zum Ansatzwahlrecht zur Aktivierung selbst geschaffener immaterieller VG des Anlagevermögens (§ 248 Rz 37).

 

Rz. 34

Die Passivierungspflicht für zu versteuernde temporäre Differenzen i. S. v. § 274 Abs. 1 Satz 1 HGB bedeutet, dass für derartige temporäre Differenzen grds. passive latente Steuern anzusetzen sind. Ausnahmen von diesem Gr...

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