Rz. 4

Mit § 276 HGB wurde von der Möglichkeit des Art. 27 der Vierten EG-RL Gebrauch gemacht, kleinen und mittelgroßen Ges. bei der Aufstellung und Offenlegung ihrer GuV die Zusammenfassung und Saldierung bestimmter Posten zum Posten "Rohergebnis" zu erlauben.

 

Rz. 5

Die eingeräumte Saldierungsmöglichkeit ist als Wahlrecht konzipiert und stellt als lex specialis einen explizit zugelassenen Verstoß gegen das Saldierungsverbot (§ 246 Abs. 2 HGB) dar, mit welchem den Interessen kleiner und mittelgroßer Ges. an einem Informationsschutz Rechnung getragen werden soll, sofern sie nicht als kapitalmarktorientiert einzustufen sind. Ihnen wird hierdurch die Möglichkeit eingeräumt, den Einblick Außenstehender in die Erfolgsstruktur der Unternehmung zu verhindern und einer ansonsten durch die Offenlegung wettbewerbsrelevanter Informationen drohenden Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit vorzubeugen. Adler/Düring/Schmaltz sehen es daher sogar als Pflicht der gewissenhaften Geschäftsführung einer kleinen oder mittelgroßen KapG an, dieses Wahlrecht i. S. d. Ges. zu nutzen.[1] Die Wahlrechtsinanspruchnahme der saldierten Ergebnisdarstellung unterliegt dem Stetigkeitsgrundsatz (§ 265 Abs. 1 Satz 1 HGB).

 

Rz. 6

Der Informationsnutzen eines auf Basis dieser Aufstellungserleichterung ausgewiesenen saldierten Ergebnisses ist aus Sicht der Bilanzadressaten gering.

 

Rz. 7

Der Rohergebnisausweis entbindet nicht von der in praxi letztlich stets gegebenen Verpflichtung, für den internen Gebrauch die in das Rohergebnis eingeflossenen Posten gesondert zu erfassen, da diese Angaben für unterschiedlichste unternehmerische Entscheidungen und mögliche Auskunftsersuchen der Gesellschafter verfügbar sein müssen. Im Fall einer AG oder KGaA ergibt sich dies im Hinblick auf den Informationsbedarf der Aktionäre allein aus dem Umstand, dass der Vorstand einer AG oder KGaA sicherstellen muss, den Aktionären der Ges. in der Hauptversammlung, in welcher der Jahresabschluss vorgelegt wird, auf Verlangen die ungekürzte Darstellung der GuV inkl. der alle Angaben umfassenden Anhangerläuterungen offenlegen zu können (§ 131 Abs. 1 Satz 3 AktG). Vergleichbares gilt, unter Vorbehalt der in § 51a Abs. 2 GmbHG kodifizierten Einschränkungen, für die Informationsrechte der Gesellschafter einer GmbH. So kann jeder GmbH-Gesellschafter Einsicht der Bücher und Schriften der Ges. verlangen und sich die Zusammensetzung der nach § 276 Satz 1 HGB zusammengefassten Posten erschließen. Auch zum Zweck der Größenklassenbestimmung müssen Informationen über die Höhe der Umsatzerlöse der einzelnen Gj verfügbar sein.

 

Rz. 8

Aus den Gliederungsvorgaben des § 275 Abs. 2 und 3 HGB und den Saldierungsvorgaben ergibt sich nach Umsatzkostenverfahren (§ 275 Rz 17) und Gesamtkostenverfahren (§ 275 Rz 13) jeweils folgende Zusammensetzung des als Summe ausgewiesenen Rohergebnisses:

 
  Umsatzerlöse
+/– Erhöhung oder Verminderung des Bestands an fertigen und unfertigen Erzeugnissen
+ andere aktivierte Eigenleistungen
+ sonstige betriebliche Erträge
Materialaufwand
= Rohergebnis

Tab. 1: Rohergebnis Gesamtkostenverfahren (§ 275 Abs. 2 HGB)

 
  Umsatzerlöse
Herstellungskosten der zur Erzielung der Umsatzerlöse erbrachten Leistungen
= Bruttoergebnis vom Umsatz
+ sonstige betriebliche Erträge
= Rohergebnis

Tab. 2: Rohergebnis Umsatzkostenverfahren (§ 275 Abs. 3 HGB)

 

Rz. 9

Nimmt eine kleine Ges. die Aufstellungserleichterung des verkürzten GuV-Ausweises in Anspruch, entfällt die Verpflichtung, bei Anwendung des Umsatzkostenverfahrens den Materialaufwand des Gj im Anhang anzugeben (§ 285 Nr. 8a HGB; § 275 Rz 19; § 288 Rz 4; § 275 Rz 19). Für mittelgroße Ges. ergibt sich diese Erleichterung für die Einreichung des Anhangs zum BAnz gem. § 327 Nr. 2 HGB (§ 288 Rz 8).

Die Höhe des ausgewiesenen Rohergebnisses kann in Abhängigkeit davon, ob das Umsatzkostenverfahren oder Gesamtkostenverfahren zur Anwendung kommt, hinsichtlich der einbezogenen Posten und Beträge variieren. Diese Abweichungen resultieren aus dem Umstand, dass nach dem Umsatzkostenverfahren die Personalaufwendungen und Abschreibungen über die Herstellungskosten des Umsatzes in das auszuweisende Rohergebnis einfließen, während sie beim Gesamtkostenverfahren außen vor bleiben. Im Gegenzug bleiben die im Vertriebs- und allgemeinen Verwaltungsbereich angefallenen Materialaufwendungen aufgrund des separaten Verwaltungs- und Vertriebsaufwandsausweises bei der Berechnung des Rohergebnisses des Umsatzkostenverfahrens außen vor. Ferner wird beim Umsatzkostenverfahren das ausgewiesene Ergebnis durch die weiteren anzutreffenden Aufwandszuordnungen nach Funktionsbereichen beeinflusst, sodass – abweichend zum Gesamtkostenverfahren – Teile der sonstigen Steuern einen Bestandteil des Rohergebnisses bilden können.

 

Rz. 10

Die Berechnung des Rohergebnisses ohne sonstige betriebliche Erträge zugunsten eines separaten Ausweises dieses Ertragspostens wird nach h. M. als zulässig erachtet, sofern dies durch eine entsprechende Anpassung der Postenbezeichnung deutlich ...

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