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Die an eine Bewertungseinheit geknüpften Rechtsfolgen treten ein, falls "Vermögensgegenstände, Schulden, schwebende Geschäfte oder mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartete Transaktionen zum Ausgleich gegenläufiger Wertänderungen oder Zahlungsströme aus dem Eintritt vergleichbarer Risiken mit Finanzinstrumenten zusammengefasst" (§ 254 Satz 1 HGB) werden. Der Gesetzeswortlaut lässt offen, ob eine vom Kfm. aus betriebswirtschaftlichen Gründen vorgenommene Risikoabsicherung dazu verpflichtet, die betreffenden Grund- und Sicherungsgeschäfte unter den in § 254 HGB genannten Voraussetzungen zu einer Bewertungseinheit zusammenzufassen und nach den für sie geltenden Vorschriften im Jahresabschluss abzubilden.[1]

Die Frage wird in der Literatur unterschiedlich beantwortet. Gelhausen/Fey/Kämpfer unterstützen das von Herzig aus dem Wortlaut des § 254 HGB abgeleitete faktische Bewertungswahlrecht, "da ein Unternehmen in seiner Entscheidung frei ist, eine derartige Widmung für bilanzielle Zwecke ("werden … zusammengefasst") vorzunehmen".[2] Die Autoren trennen mithin die ökonomische Entscheidung zur Risikoabsicherung von der Entscheidung, den Geschäftsvorfall auch für bilanzielle Zwecke zusammenzufassen. § 254 Satz 1 HGB fokussiert in ihren Augen lediglich die Rechtsfolgen, die sich an eine Designation für bilanzielle Zwecke anschließen. Konsequenterweise gilt das Bewertungswahlrecht für sie auch in denjenigen Fällen, "in denen es anhand der Umstände des Einzelfalls nahezu ausgeschlossen erscheint, dass der Erwerb eines Finanzinstruments zu anderen als zu den Sicherungszwecken erfolgt".[3] Dieser Meinung hat sich das IDW in RS HFA 35 angeschlossen. Nach Ansicht des HFA knüpft § 254 Satz 1 HGB die Bildung einer Bewertungseinheit an "eine bewusste Entscheidung des Bilanzierenden." Da der Grundsatz der sachlichen Bewertungsstetigkeit keine Anwendung finde, könne diese Entscheidung "auch im Falle gleichartiger Sachverhalte jeweils unterschiedlich getroffen werden". Unabhängig davon empfiehlt der HFA "die Bildung von Bewertungseinheiten in Übereinstimmung mit dem praktizierten Risikomanagement."[4]

Im Gegensatz dazu sieht Scharpf eine Pflicht zur Bildung handelsrechtlicher Bewertungseinheiten, wenn eine Risikoabsicherung von Grundgeschäften durch Abschluss von Sicherungsgeschäften angestrebt wird. Seiner Ansicht nach knüpfen die in § 254 Satz 1 HGB enthaltenen Rechtsfolgen automatisch an die ökonomische Entscheidung der Risikoabsicherung an, falls die Voraussetzungen zur Bildung einer Bewertungseinheit gegeben sind.[5] "Bei einer gewollten, wirtschaftlich sinnvollen und von einem sachverständigen Dritten zweifelsfrei erkennbaren Sicherungsbeziehung (können) allein durch eine bewusste Nichtdokumentation die Rechtsfolgen des § 254 Satz 1 HGB nicht (willkürlich) vermieden werden. Dies würde dem Postulat der willkürfreien Bildung und Bilanzierung von Bewertungseinheiten widersprechen".[6]

Die Auslegung von § 254 Satz 1 HGB muss den mit der Regelung verfolgten Sinn und Zweck respektieren. In der Regierungsbegründung ist zu lesen: "Die Neufassung des § 254 HGB beruht auf Artikel 2 Abs. 5 Satz 3 der Bilanzrichtlinie. Danach können die Mitgliedstaaten Ausnahmeregelungen festlegen, wenn die Anwendung einer Vorschrift der Bilanzrichtlinie dazu führt, dass der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens nicht vermittelt. Mit § 254 HGB wird die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage stärker als bisher und in Abweichung von dem in Artikel 31 Abs. 1 Buchst. e der Bilanzrichtlinie (Grundsatz der Einzelbewertung) an den tatsächlichen (wirtschaftlichen) Verhältnissen eines Unternehmens orientiert".[7] Der in diesem Zitat zum Ausdruck kommende Sinn und Zweck der Vorschrift legt es nahe, Grund- und Sicherungsgeschäfte, die die Anforderungen von § 254 HGB erfüllen, nach den Vorschriften für Bewertungseinheiten abzubilden. Ein Wahlrecht würde das gesetzliche Anliegen eines besseren Einblicks in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unt konterkarieren. Dessen ungeachtet wird man in Ansehung der vorherrschenden Auslegung der Vorschrift den bewussten Verzicht auf die Bildung einer Bewertungseinheit bis zu einer gerichtlichen Klärung der Frage als eine vertretbare Bilanzierung beurteilen müssen. Macht ein Unt von der Möglichkeit zur Bildung einer Bewertungseinheit Gebrauch, unterliegt diese Entscheidung fortan dem Gebot der zeitlichen Stetigkeit. Eine Auflösung der Bewertungseinheit kommt danach nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen für ihre Fortführung nicht mehr erfüllt sind.

[1] Herzig erkennt im Wortlaut der Vorschrift ein faktisches Bewertungswahlrecht des Bilanzierenden. Er lässt aber offen, ob eine Auslegung der Vorschrift seiner Wortlautdeutung folgen sollte; vgl. Herzig, DB 2008, S. 1344.
[2] Gelhausen/Fey/Kämpfer, Rechnungslegung und Prüfung nach dem BilMoG, 2009, Abschn. H Rn 86; so auch Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung,...

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